Mike & Aydin zelebrieren die kulturelle Unterschiedlichkeit. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Stuttgart - Es läuft nicht rund in der deutsch-türkischen Beziehung. Der türkische Präsident Erdogan erneuerte seine Faschismus-Vorwürfe an Deutschland und in der Türkei sitzen kritische Journalisten in Haft, wie Deniz Yücel. Er war einer der Journalisten mit Migrationshintergrund, die vor zwei Jahren beim Deutsch-Türkischen Kabarettfestival im Renitenztheater mit „Hate Poetry“ in Stuttgart einen Eklat auslösten. Fünf renommierte Journalisten zitierten aus hasserfüllten Leserbriefen. Erstmals, sagt Sebastian Weingarten, gehe er mit gemischten Gefühlen in die Deutsch-Türkische Kabarettwoche, die von heute an bis zum 16. April zum 13. Mal stattfindet. Der Intendant des Stuttgarter Renitenztheaters spürt eine gewisse Einschüchterung und zeigt sich gespannt, wie die Kabarettisten und Comedians mit überwiegend türkischen Wurzeln auf die jüngsten politischen Ereignisse reagieren.

2004 hat Weingarten das Festival ins Leben gerufen und das Deutsch-Türkische Forum mit ins Boot genommen. Vor drei Jahren schien alle so normal, die Kabarettisten mit Migrationshintergrund so etabliert, dass man sogar überlegte, ob eine Fortsetzung Sinn mache. Und plötzlich ist man mit dem Festival ganz nah am Zeitgeschehen mit Flüchtlingskrise, Terror, Islamfeindlichkeit, türkischem Verfassungsreferendum samt Böhmermann-Affäre und muss sich, wie Weingarten sagt, überlegen, wie man damit umgeht, inwieweit man Stellung nimmt, beim satirischen Beleuchten der kontroversen gesellschafts-politischen Debatten.

Mitgefühl gegen Fanatismus

Eine erfolgreiche Therapie gegen Wut ist Lachen. Dass sie ihr Publikum zum Lachen und zum Nachdenken bringen, haben einige der Teilnehmer der Kabarettwoche bereits erfolgreich unter Beweis gestellt. So sind mit Idil Baydar und Özgür Cebe zwei Preisträger des Wettbewerbs „Stuttgarter Besen“ am Start. Die Berlinerin mit türkischen Wurzeln erhielt im vergangenen Jahr den Hauptpreis für ihr Programm „Deutschland, wir müssen reden“. Das macht sie am 13. April auf unnachahmliche Weise. Sie kennt das Schimpfwort, mit dem man Deutsche ärgert: „Nazi“. Warum? „Weil klappt.“ „Born in the BRD“ ist der diesjährige Publikumsliebling Özgür Cebe. Der Bonner Comedian mit türkischen, armenischen und kurdischen Wurzeln nimmt am 12. April kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Definition der Angst patriotischer Europäer geht. Garantiert witzig.

Stammgast bei der Kabarettwoche ist Fatih Cevikkollu. Er wirbt am 15. April mit „Emfatih“ für Mitgefühl als Waffe gegen Fanatismus. Gemeinsam mit Idil Baydar und Ozan Akhan lässt er am 14. April mit dem „Comedy Orient Express“ ordentlich Dampf ab. Die heutige zauberhafte Eröffnungsshow „Froggy Night a la Turca“ hat mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras, die mit zwölf Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, einen besonderen Talkgast. „Ein schöner Einstieg aufgrund der aktuellen Situation“, so Weingarten.

Klischeehafter Kulturvergleich

Vergleiche sind in bei Preisen und Partnern. Warum nicht auch Kulturen prüfen? Mike & Aydin zelebrieren morgen wunderbar klischeehaft den mentalen Unterschied zwischen einem gebürtigen Engländer und einem gebürtigen Türken. Der Kulturkampf zwischen Christentum und Islam wird am 11. April von dem Kabarettisten-Duo Lutz von Rosenberg-Lipinsky, Theologe mit ostwestfälischem Migrationshintergrund, und Kerim Pamuk, Orientalist vom Schwarzen Meer, lustvoll ausgefochten. Der gebürtige Marokkaner Benaissa ist eine stadtbekannte „Lachnummer“, über die sich ganz Deutschland freut. Mit dem Ensemble „Rebell Comedy“ füllt er Hallen. Am 8. April tritt er als erfrischender Geschichtenerzähler solo in Stuttgart auf. Lokalmatador Özcan Cosar ist am 9. April bereits ausverkauft. Das abschließende Programm am 16. April findet in türkischer Sprache statt.

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