Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Wenn die Posaunentöne hüpfen und tanzen, in irrem Tempo, vom himmlischen Register bis in die Grabestiefe und wieder hoch, wenn es plappert und singt, flüstert und aufmüpfig aufschreit, kurz: wenn die Posaune so nuanciert spricht wie ein Mensch. Dann spielt sie Mike Svoboda, großartiger Musiker und Koryphäe der Neue-Musik-Szene. Wer sollte so ein verdammt virtuoses Werk wie Kurt Schwertsiks Posaunenkonzert auch spielen, wenn nicht Svoboda? Und so stand er auf der Bühne des ausverkauften Stuttgarter Opernhauses, wo besagtes Posaunenwerk im Neujahrskonzert des Staatsorchesters seine deutsche Erstaufführung erlebte. Es stammt zwar schon von 2001, aber Schwertsik, einer der bedeutendsten Komponisten Österreichs, wird dem deutschen Publikum nur in homöopathischen Dosen verabreicht.

Im Falle des Posaunenkonzerts ist das besonders schade. Denn es bringt sämtliche Vorzüge der guten alten Konzertform prächtig zur Geltung. Svoboda und das gut gelaunte Staatsorchester in der Leitung Dennis Russell Davies spielten das wunderbar heraus: den kommunikativen Charakter des Werks, die theatrale Polarisierung zwischen Individuum (Solist) und Kollektiv (Orchester). Schwertsik paart avantgardistische Klänge mit Tonalität zugunsten einer leicht zugänglichen Tonsprache und garniert das mit philosophischem Humor und Ironie. Der Posaunist wird zum melancholischen, mal aufgeregten, mal grantelnden Hinterfrager - ein Paradestück für Svoboda. Schön etwa, wenn die Posaune ängstlich ins Leere hineinfragt und die Harfe mit besänftigenden Kaskaden antwortet. Oder wenn die Posaune das Gespräch sucht mit der Trompete oder dem Hörnerquartett und sich streitet, sich verteidigt, für und wider argumentiert, und das dann so überzeugend tut, dass sie am Ende das letzte Wort behält. Raffiniert!

Spiel auf dem Abflussrohr

Aber Svoboda ist nicht nur ein exzellenter Posaunist, er ist auch Komponist, Jazzmusiker und Improvisator und vor allem auch ein Komödiant. Und so gibt er als Zugabe sein „V as in cool“, ein Stück für Abflussrohr und Publikum. Die Erklärungen erfolgen auf „japanisch“, das Auditorium hat „aaahh“ und „hihihi“ und „cooooool“ an rhythmisch richtiger Stelle zu rufen. Während Svoboda nun mit der rechten Hand die Einsatzzeichen gibt, hält er in der linken das Abflussrohr und bläst wohlstrukturiert Töne und Rhythmen hinein. Das alles bedient natürlich die zirzensische Seite des Virtuosentums, aber andererseits positioniert sich der 56-Jährige auch kreatives Kraftwerk. Das Publikum ist sehr entzückt.

Vor solch spektakulären Ereignissen verblasste der Rest des Konzertes ein wenig. In Richard Strauss’ als Auftakt gespielte „Rosenkavalier“-Suite knarzte es noch ein wenig im Gebälk des orchestralen Zusammenspiels, die euphorischen und humoristischen Momente kamen aber packend zu ihrem Recht.

Später gab es noch das letzte Orchesterwerk von Hans Werner Henze, die dramatische, sechs Minuten andauernde „Ouverture zu einem Theater“ von 2012. Als Finale erklang Haydns Sinfonie Nr. 86, mit wachen Ohren gespielt, quicklebendig, witzig. Schließlich stand mit Dennis Russel Davies ja auch ein Haydn-Experte am Dirigierpult, den Stuttgarter wohlvertraut, weil einstiger Generalmusikdirektor der Staatsoper sowie langjähriger Chef des Stuttgarter Kammerorchesters. Und so gab es nach dem zwischen Eleganz und Draufgängertum pendelnden Haydn-Finale begeisterten Applaus.