Von Dietholf Zerweck

Stuttgart -Vor zwei Wochen gastierte die Russische Nationalphilharmonie im Meisterkonzert-Zyklus im Beethovensaal, nun war das Russischen Nationalorchester an der Reihe. Beide Klangkörper sind relativ jung, die Nationalphilharmonie wurde 2003 vom Geiger und Dirigenten Vladimir Spivakov gegründet, das Russian National Orchestra 1989 vom Pianisten und Dirigenten Mikhail Pletnev mit Unterstützung des damaligen Staatschefs Gorbatschow. Was klangliche Brillanz und detailreiche Interpretation anbetrifft, war der Abend mit Pletnev und dem Solisten Seong-Jin Cho in Rachmaninows d-Moll-Klavierkonzert der bei weitem eindrucksvollere. Schon bei der „Festlichen Ouvertüre“ von Dmitrij Schostakowitsch zeigte sich die Klasse des RNO. Angefeuert von Pletnev mit zügiger Gestik, alle Musiker hellwach und auf Stuhlkante, fegte das Orchester durch das effektvolle Auftragswerk zum Jahrestag der Oktoberrevolution kurz nach Ende der Stalin-Ära 1954 mit prächtig intonierendem Blech und scharf profilierten Streichern.

Der 23-jährige Koreaner Seon-Jin Cho war 2015 erster Preisträger des Warschauer Chopin-Wettbewerbs - für ihn der Beginn einer internationalen Karriere. Dass ihn Pletnev, selbst ein ausgezeichneter Interpret des 3. Rachmaninow-Konzerts, für die jetzige Tournee mit dem Russian National Orchestra unter seine Fittiche nahm, zeugt wohl von einer gewissen Wertschätzung, die sich auch in seiner sehr aufmerksamen, auf kleinste Tempoveränderungen des Solisten eingehenden Begleitung bemerkbar machte. Selbst bei der großen, kraftvollen Kadenz im ersten Satz hat er Seong-Jin Cho wohlwollend im Blick, der Übergang danach ist von den Holzbläsern wunderbar fließend gestaltet. Den Beginn des Kopfsatzes spielt der junge Pianist mit überraschendem Akzent, die ersten zwei Takte signalartig über dem sanften Wogen des Orchesters, die nächsten im verhuschenden Decrescendo.

„Die Melodie sollte vom Klavier gesungen werden“, meinte Rachmaninow über sein Werk. Das gelingt Seon-Jin Cho erst im weiteren Verlauf, bei der Wiederkehr des Themas hat er die richtige Balance zum Orchester gefunden. Technisch souverän meistert er die ins Orchester verwobenen Klavier-Arabesken, im Mittelteil des Adagio erobert er sich in einem virtuosen Katarakt von Tönen den Solopart zurück. Dynamisch aufgeladen beginnt der Schlusssatz, in dem der Pianist die balladesken Passagen mit Klangsinn erzählt und im Finale zusammen mit Pletnev und dem Orchester in einer hinreißenden Stretta ans Ziel kommt.

Klangprächtig und mit herrlichen Holzbläser-Soli musiziert war nach der Pause Pletnevs zwölfsätziges Arrangement von Tschaikowskys „Schwanensee“-Suite. Auch hier bot sein Orchester eine äußerst lebendige, farbige Wiedergabe der imaginären Ballettszenen.