Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Eine Fotokulisse von Ephesus mit Hadrianstempel und Celsiusbibliothek ist der Rahmen für die Neuinszenierung von Shakespeares „Komödie der Irrungen“ im Theater Tri-Bühne. Ein Mann im Renaissancekostüm mit Gitarre tritt auf und behauptet, Shakespeare zu sein, begrüßt die Zuschauer, warnt das Publikum: „Maybe it’s not a comedy!“ Was er im Verlauf der nächsten eindreiviertel Stunden miterlebt, ab und zu wieder mit seiner Gitarre aus der Kulisse hervortretend, hat freilich - wie meist bei Shakespeares Komödien - auch tragische Untertöne und ein mehr als unwahrscheinliches, wundersames Happy End.

Ein Fremder wird aufgegriffen, nach dem Gesetz von Syrakus zum Tode verurteilt - es sei denn, er kann das Lösegeld aufbringen, das ihn vor der Hinrichtung retten würde. Die Gnade des Herzogs, während seiner Weinprobe gelangweilt ausgesprochen, wird vom Shakespeare-Sänger Sebastian Huber frei nach den Beatles parodiert: „All you need is - cash“.

Aber die Kohle aufzutreiben, wird nicht einfach für den Mann aus Syrakus, der als „Kaufmann mit Herzensdrang“ mit seiner Vorgeschichte kaum das Herz des Herzogs erweichen kann: Frau und Zwillingssöhne hat er durch einen Schiffbruch verloren, seit Jahren ist er auf der Suche. Dass Shakespeare dem Stoff des römischen Komödiendichters Plautus noch ein Diener-Zwillingspaar hinzugedichtet hat, macht das Stück vierfach turbulent für die Verwirrungen, denen die doppelten Herren und Diener bei ihren Begegnungen in Ephesus anheimfallen.

Freilich sind die Irrungen sowohl handfester wie emotionaler Natur. Adriana, die Frau des gut betuchten Antipholus in Ephesus, ist rasend vor Eifersucht, weil ihr Gatte sich mal wieder in der Stadt verlustiert und zu spät zum Essen kommt: Natascha Beniashvili-Zed sprüht diese Verirrung aus den Augen und vibriert in allen Körperfasern, Natascha Kuch als ihre vernünftige Schwester Luciana kann da nur wenig beruhigen. Nur gut, dass ihr Antipholus samt Diener doch noch auftauchen - aber es ist der andere, der dann im Haus mit Freuden tafelt und mit der Schwester anbändelt, während der richtige vor verschlossener Tür wütet und auch sein Sklave schon längst der Mechanik der Verwechslungen zum Opfer gefallen ist. Christian Werner und Manoel Vinicius Tavares da Silva in den Doppelrollen sind wie die beiden Natascha-Schwestern köstlich komisch und spielerisch überzeugend: als mehr oder weniger eitler und tyrannischer Antipholus, als derb aufmüpfiger und lustig knitzer Dromio.

Das Motiv des Geldes zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück: „Money, money, money“ zitiert der Tribühne-Shakespeare den ABBA-Song, als die Börse und die vom Goldschmied angefertigte Goldkette in die Hände des fremden Antipholus gelangen und der einheimische Zwilling wegen Insolvenz erst verhaftet und dann als tobender Irrer eingesperrt wird. Man wäre nicht in Edith Koerbers Tri-Bühne, würde in einigen extemporierten Einschüben nicht auch Aktuelles mitverhandelt. Plötzlich steigt ein Mann (Georgios Filippou) im griechischen Kiton aus der Versenkung und flucht in seiner Landessprache über Finanzkrise und EU-Schikanen, und am Ende stehen die beiden Dromios vor einem Stacheldrahtzaun und sind ausgesperrt, während die Herren das Wiedersehen mit dem begnadigten Vater und mit ihren Damen ein wundersames Happy End feiern. Dazwischen erreicht die Aufführung turbulente und etwas klamaukige Hitzegrade, doch am Schluss versammelt sich das ganze Ensemble zum John-Lennon-Song „Imagine“ auf der Bühne - genauso märchenhaft und utopisch wünschenswert wie das Ergebnis der „Comedy of Errors“.

Edith Koerbers Inszenierung mit einem spielfreudigen Ensemble hat Witz und Schwung, der sich bei den folgenden Open-Air-Aufführungen im Hof des Alten Schlosses sicher noch freier entfalten kann.

Weitere Vorstellungen: 15 bis 18. Juli als Freilicht-Aufführungen im Innenhof des Stuttgarter Alten Schlosses..