Vom Trafikanten bis zum Amokläufer: Felix Jeiter spürt in seinen Rollen aufstrebenden wie abgründigen Entwicklungen nach. Foto: Roberto Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Thomas Krazeisen

Esslingen - Mit großen Augen schaut sich der Lockenkopf um. Der Teenager ist soeben in Wien angekommen - und im Ernst des Lebens. Ein Provinz-Ei vom Attersee, dem jäh die mütterliche Nestwärme entzogen worden ist - in der von den Nazis infiltrierten Metropole geht der junge Mann durch die Lebensschule eines Trafikanten.

Auch wenn er fast doppelt so alt ist wie der von ihm gespielte Bursche: Man nimmt Felix Jeiter die Rolle dieses sympathisch unbedarften, so lebens- und liebesdürstenden wie menschenfreundlichen und weltoffenen jungen Mannes mit jeder Faser ab - und das, noch ehe er ein Wort herausgebracht hat. Jeiter, erst seit dieser Spielzeit an der Esslinger Landesbühne, ist im Ensemble von Friedrich Schirmer schon so etwas wie ein Spezialist für Rollen in Stücken über das Erwachsenwerden. Mit seiner erfrischend kraftvollen und zugleich hoch sensiblen Verkörperung des Franz Huchel drückt Jeiter nicht nur Hans-Ulrich Beckers gelungener Inszenierung von Robert Seethalers Roman-Adaption „Der Trafikant“ seinen Stempel auf. Nicht minder beeindruckend profilierte er bereits in der vergangenen Spielzeit an der WLB seine Rolle als späterer Amokläufer William in Simon Stephens’ Schülertragödie „Punk Rock“ in einer sehenswerten Inszenierung von Christof Küster.

Dass er gerade auch für diffizile Rollen in schwierigen adoleszenten und familiensystemischen Kontexten taugt, bewies Jeiter unter anderem im Studio Theater Stuttgart, wo er 2015 in Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ mitspielte. Der Regisseur damals hieß - Christof Küster. „Eine tolle Rolle“, erinnert sich Jeiter - und offenbar auch eine tolle Interpretation der Rolle des Leonhard, die sozusagen zu einer Visitenkarte für Friedrich Schirmer wurde.

Studium in Hannover

Jeiter, der so beeindruckend junge Charaktere verkörpert, war im echten Leben schon in jungen Jahren davon überzeugt, dass die Schauspielerei für ihn der Brotberuf werden sollte. Der Apfel ist in künstlerischem Betracht in seinem Falle freilich nicht allzu weit vom Stamm gefallen. Beide Eltern sind Künstler, ein Großonkel war Schauspieler. Jeiter, 1985 in Aachen geboren, stand schon während seiner Schulzeit auf diversen Bühnen, etwa im Jugendclub des städtischen Theaters Aachen und im Rahmen einer von ihm mitgestalteten Theater-AG seiner Schule. Nach dem Abi begann er 2005 sein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hannover, sein Abschluss-Diplom erwarb er 2009. Während seines Studiums spielte er bei Gastauftritten unter anderem am Schauspielhaus Hannover - etwa die Titelrolle in „Peer Gynt“.

Sein erstes Festengagement führte den Aachener Richtung Süden, an das Theater Heilbronn, wo er von 2009 bis 2011 zum Ensemble gehörte. Seine erste große Rolle dort: Harold in der Komödie „Harold und Maude“, außerdem war er als Titus im gleichnamigen Solo-Stück zu sehen - noch eine jener Geschichten über die Innenwelt eines Jugendlichen, die Jeiter so facettenreich auszuleuchten versteht.

2011 wechselte der Mime dann ans Theater Heidelberg. Dort setzte er folgerichtig in der Jugendtheater-Sparte wichtige Akzente. Die familiäre Atmosphäre im Ensemble gefiel Jeiter, der selbst Vater von zwei kleinen Kindern ist. Dennoch beschloss er, seinen Vertrag in Heidelberg nicht zu verlängern - es zog ihn künstlerisch einfach weiter.

Heute „Sommernacht“-Premiere

Wohin ihn und seine Familie die Theater-Muse führen würde, war da noch nicht abzusehen. Doch es fügte sich eins zum anderen. Jeiter spielte als freier Schauspieler unter anderem bei den Ettlinger Schlossfestspielen und stand beim Theatersommer Ludwigsburg 2015 mit diversen Rollen in „Ronja Räubertochter“ und im „Sommernachtstraum“ auf der Bühne. Auch dort konnte sich Friedrich Schirmer ein Bild von dem dynamischen Schauspieler machen, der zum Abschalten von der Bühnenwelt am liebsten mit dem Zeichenstift in der Hand abends seine eigenen Fantasiewelten entwirft oder mit dem Bike durch die malerischen Esslinger Weinberge fährt.

Heute Abend zieht es Jeiter freilich auf die Bühne. In David Greigs Komödie „Eine Sommernacht“ spielt er einen Kleinkriminellen, der in einer abenteuerlichen Begegnung auf eine erfolgreiche Scheidungsanwältin trifft. Die Premiere beginnt um 20 Uhr im Podium 1 des Schauspielhauses.