„Hi Kids!“: Cro beim Jazzopen-Konzert. Foto: Pfisterer Quelle: Unbekannt

Von Thomas Staiber

Stuttgart -Vorbemerkung für ältere Leser: Als 1990 die Pershing-Raketen abgezogen werden, erblickt in Mutlangen ein gewisser Carlo Waibel das Licht der Welt, lernt früh Klavier und Gitarre, schließt in Aalen die Realschule ab, macht eine Lehre als Mediengestalter, zeichnet Cartoons, wird Musiker, stülpt sich vor Auftritten eine Panda-Maske vors Gesicht und verkürzt seinen Vornamen. Cro wird im Handumdrehen Deutschlands erfolgreichster Rapper und nennt seinen Musikstil „Raop“ - ein Hybrid aus Rap und Pop.

Wie das ankommt, zeigt sich beim Jazzopen-Auftritt auf dem Stuttgarter Schlossplatz vor mehr als 6000 Fans. Die Flagge über dem Neuen Schloss ist auf Halbmast gehisst, und eine Gedenkminute für die Opfer des terroristischen Anschlags in Nizza lässt die Menschen innehalten.

„Hi Kids!“ begrüßt der 26-Jährige das erwartungsfrohe Publikum, das den Altersdurchschnitt des Festivals beträchtlich senkt. Alle Arme gehen hoch - auch die der Tribünenbesucher - und werden von hinten nach vorne geschwenkt. Schön im Hiphop-Rhythmus, den ein pumpender E-Bass markiert und zwei Schlagzeuger druckvoll multiplizieren. Keyboard-Klänge schweben durch den Ehrenhof, ein knackiger Bläsersatz durchschneidet die Luft, der Typ am Turn-Table verkratzt Schallplatten, und der Mann mit der Maske ist vom ersten Ton an richtig im Flow. Die Vokabeln strömen ihm nur so aus dem Mund. Mit seinen Worten spricht er den jungen Leuten aus dem Herz. Die haben fröhliche Gesichter, sind ausgelassen, bewegen sich rhythmisch, jubeln in den höchsten Tönen und singen die Refrains. Bei „Erinnerung“, dem zweiten Lied, schildert er sein Verhältnis zur Musik: „Bei manchen war es Koks oder Weed, ich dagegen nahm in Krisen die Droge Musik. Egal, was passiert: Ich greif nach Papier“, singt der angehimmelte junge Mann, der im Ringelshirt, weiten Jeans und weißen Sneakers mit hohem Schaft federnd über die Bühne springt. Später wird er dann im Jumpsuit die Bühne rocken. „Hey Girl“ und „Du“ singt er - und jede da unten fühlt sich angesprochen, stößt spitze Schreie aus und strahlt wie ein Honigkuchenpferdchen.

Als den krassesten Typ aus New York kündigt Cro Jazztrompeter Christian Scott an, der mit seinem gebogenen Dizzy-Gillespie-Horn einen Strahl gen Himmel schickt, der selbst Miles Davis ein Lächeln abgerungen hätte. „West of the West“ heißt die vorwärtstreibende Jazz-Rock-Nummer des coolen dunkelhäutigen Bläsers, bei der sich Cro ans Keyboard setzt. Wenigstens für diese Nummer trifft Hiphop auf Jazz. Das junge Publikum staunt über diese unerhörten Klänge, applaudiert artig und freut sich, dass die Bühne wieder Cro und seinem Orchester gehört. Bei „Never Cro Up“ betont der Chart-Stürmer mit der Panda-Maske, dass er nicht erwachsen werden möchte, begleitet von einem süßen Background-Chor. „Dankeschöööön! Stuttgart ist immer ein Teil von mir!“, ruft er in den tosenden Beifall hinein und springt hinunter zu den schrill schreienden Girls in den vorderen Reihen.

Fusion-Jazzer Dana Leong aus Manhattan steigt bei „Genauso“ und „Black and White“ ein und surft mit seinem Elektrocello auf den hereinflutenden Rhythmuswellen von Cros Musik. Weiter geht es „Einmal um die Welt“, und bei „Bye Bye“ ist noch lange nicht Schluss. Handys verwandeln den Platz in ein Lichtermeer. Max Herre als gern gesehener Überraschungsgast rappt mit Cro „Lange her“, es folgen acht (!) Zugaben - darunter Hits wie „Traum“ oder „Easy“ - und eine tolle Festivalparty auf dem Schlosshof geht zu Ende.