Die Macht des Schicksals führt sie zusammen: Helena (Kristin Göpfert) und Bob (Felix Jeiter). Foto: Daniela Aldinger Quelle: Unbekannt

Von Martin Mezger

Esslingen - Trübe Stimmung in Edinburgh: ein verregnetes Sommerwochenende, ein geplatztes Date mit dem Liebhaber. Scheidungsanwältin Helena dröhnt sich in einer Bar zu, ebenso der ihr völlig unbekannte Kleinkriminelle Bob. Der Alkohol bringt beide näher, man landet betrunken im Bett - und das wär’s gewesen. Kreuzte nicht der Zufall, das Schicksal oder was auch immer erneut die Wege des Paars, das keines ist und keines sein will. Aber es knistert eben doch zwischen beiden, in diesen zauberhaften Mittsommernächten.

Was wie eine Boulevard-Schmonzette klingt, ist das Gegenteil davon: unsentimental und rotzig, unkonventionell und ironisch. Dem schottischen Autor David Greig und dem Musiker Gordon McIntyre, Mastermind der Band Ball Boys, geht es in ihrem 2008 in Edinburgh uraufgeführten Stück „Eine Sommernacht“ nicht nur um die Love Story, sondern um die wechselnden Perspektiven auf sie. Die beiden Darsteller erzählen von ihren Figuren, steigen damit ins Rollenspiel ein (und auch wieder aus), kommentieren sich selbst mit McIntyres Indie-Rock-Songs. So zumindest in Jakob Weiss’ neuer Inszenierung an der Esslinger Landesbühne (WLB) - in der Uraufführungsversion übernahmen die Ball Boys den Musik-Part.

Dass im Podium des Esslinger Schauspielhauses Kristin Göpfert mit Melodica und Akkordeon und Felix Jeiter mit Gitarre zugleich ihre eigene Band sind, entspricht dem Konzept von Regisseur Weiss, der Beleuchtung einer „romantischen Komödie“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Empfindungen. Diese steten Perspektivenwechsel plausibel zu dialogisieren, ist die erste Regie-Aufgabe, denn Greigs aus Improvisationen entstandene Vorlage ist fortlaufend notiert, gibt also keine Rollen an. „Das klingt auf der Bühne zwar locker und lässig, aber man muss vorher exakt mit dem Text arbeiten“, sagt Weiss. Erst in den Endproben sei die endgültige Textverteilung entstanden: Resultat eines Probierens und Experimentierens, das in gewisser Weise die Offenheit der Geschichte spiegelt. Die beiden finden sich und trennen sich, finden sich und trennen sich - gibt es doch noch ein Happy End? Ja, aber unter Vorbehalt: Bob reist als Straßenmusiker nach Belgien, Helena macht auf Distanz - „aber brauchst du vielleicht eine Sängerin?“

Die Schluss- wird zur Ausgangssituation des Theaterstücks: Wie Straßenmusiker erzählen die beiden von ihrer eigenen Geschichte - und „deren Reiz liegt darin, wie das Leben durch scheinbare Zufälle in eine positive Richtung gelenkt wird“, sagt Weiss. Die Romanze sei deshalb ein „existenzialistisches Lehrstück über das Schicksal“. Dessen rätselhafte Kausalkette greift der Regisseur in seinem eigenen Bühnenbild mit dem symbolträchtigen Requisit einer Lichterkette auf. Sie steht für Sommer- und Sternennächte, für Kneipe und fürs Bondage-Spiel, in dem sich die beiden aneinander fesseln - wenn auch vorerst nur im Sexclub.

Die Premiere beginnt an diesem Sonntag um 20 Uhr im Podium 1 des Esslinger Schauspielhauses. Die nächsten Vorstellungen: 2. und 21. Februar, 3., 8., 18. und 25. März.