Irdisches Paradies: Bild aus Miron Schmückles Serie „Hortus Conclusus“. Foto: Städt. Galerie Ostfildern Quelle: Unbekannt

Von Elke Eberle

Ostfildern - Gibt es einen Ort, an dem sich Querdenker, Künstler, Verantwortliche aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft treffen, um miteinander über eine bessere Welt nachzudenken? Es ist kein Traumort, es gibt ihn wirklich: Mariposa auf Teneriffa. „Wir bauen Atlantis, die Verpflichtung unserer Generation - 0% Rendite - 100% Gewinn“: So kündeten die Galeristen Helga und Hans-Jürgen Müller ihre Vision an, mit großem Idealismus realisierten sie ihr Atlantis auf der Kanareninsel und nannten es Mariposa, Schmetterling. In der Städtischen Galerie Ostfildern sind jetzt Arbeiten mit Mariposa-Bezug von Arnulf Rainer, Miron Schmückle und Herbert Döring-Spengler zu sehen, außerdem die Aufzeichnung eines Interviews mit Helga Müller.

1984 begannen die ersten Planungen, 1993 die Bauarbeiten, im Jahr 2000 fand die erste Veranstaltung statt. Unterstützer und Gleichgesinnte waren bereit, sich auch finanziell zu beteiligen. Der erfolgreiche Galerist Müller schaltete große Anzeigen für sein Projekt. Eine Auswahl davon ist in Ostfildern zu sehen. Er starb im Jahr 2009, seitdem führt Helga Müller die Idee weiter. Sie ist eine unermüdliche Kämpferin für die Idee, neue Wege hin zu einer neuen Gesellschaft zu entwickeln. In sehr persönlichen mehrstündigen Gesprächen mit Sabine Bürger zeichnete Helga Müller die Geschichte des Projekts von den Anfängen bis heute nach.

Veränderung durch Kunst

Sie glaubt an die den Menschen verändernde Kraft von Kunst, ebenso wie ihr Mann. „Für Hans-Jürgen Müller war Kunst nicht die schönste Nebensache der Welt, sondern elementarer Ausdruck der Innovation“, sagt sie. Ausschnitte dieser Gespräche hat Bürger zusammengefügt und in Ordnern dokumentiert, ergänzt wird das Interview durch einen Zeitstrahl und Fotografien. Die Installation ist das Herzstück der Ausstellung, Mariposa ihr Kern.

Der Körper ist nackt, gesichtslos, jung und zerbrechlich, zu sehen ist immer derselbe Ausschnitt des Oberkörpers. Er gehört einer unbekannten Person, sie trägt auf den Fotografien in ihren zur Schale gefalteten Händen behutsam, wie kostbare Schätze, Teile von Pflanzen: Blumen, Früchte, Blätter. Es ist der Künstler Miron Schmückle selbst, seine Fotoserie in 16 Teilen entstand 1998 auf Teneriffa und trägt den Titel „Hortus Conclusus“. Der abgeschlossene, perfekte, heilige Garten ist irdisches Paradies, draußen herrschen Verwirrung, Haltlosigkeit und heilloses Durcheinander. Der Mensch jedoch steht in Verantwortung und in Beziehung zu der ihn umgebenden fantastischen Schöpfung. Alles bewegt sich im ewigen Kreislauf des Werdens und Welkens, des Entstehens und des Vergehens.

Was macht Erinnerung mit Bildern, mit Gedanken, Gefühlen, Momenten? Wann beginnt Vergangenheit? Auch Herbert Döring-Spenglers Fotografien sind in Mariposa entstanden, sie zeigen einen magischen Ort voller Erinnerungen. Grundlage und Rohmaterial seiner Arbeiten sind Polaroids, er bearbeitet die Oberfläche der Fotos und taucht unter die Oberfläche des Abbilds. Er zeigt etwa eine offen stehende Tür ins Innere eines Gebäudes, alles ist seltsam krisselig und unendlich verheißungsvoll. Er zeigt ein rätselhaftes Schattenbild, einen baumbeschatteten Hof im Windhauch, getaucht in flirrendes Sommerlicht. Und er verkehrt das Positiv ins Negativ, mitten am Tag ist Nacht. Das konkrete Abbild wird bleibt nur als Erinnerung in Erinnerung.

Traumhaft, zeitlos und doch konkret

Im Jahr 2003 besuchte Arnulf Rainer wieder einmal das Müller‘sche Real-Utopia, entstanden ist daraus der Zyklus „MARIPOSA“, eine Serie von Foto-Übermalungen. Aus einer Auswahl der vielen Fotografien fertigte er Scans, die er einzeln übermalte. Die Aufnahmen von Sonnenuntergängen, von Pflanzen, von Gebäudeteilen sind eigenartig unscharf, getaucht in das typische Licht der Kanaren. Es sind Bilder eines traumhaften, zeitlosen und doch zum konkreten Ort gewordenen Arkadien.

Rainer schafft neue Ebenen und Zwischentöne mit seinen Übermalungen, er zeigt das Zusammenspiel und den Widerstreit zwischen Distanz und Nähe, zwischen Entdecken und Verbergen, zwischen Verstehen und ewig Verborgenem. Er überhöht, fokussiert und verhüllt, er rückt Kitsch, Harmloses, unendlich Schönes zurück in die reale Welt, die nie nur schön sein wird und schon gar nicht ideal, aber die - immerhin - nach den Möglichkeiten dazu sucht.

Bis 13. September. Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 12 Uhr und sonntags von 15 bis 18 Uhr.