Blickfang der neuen Opernproduktion sind zwei Unterarme, die aus dem Bodensee ragen. Foto: Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis Quelle: Unbekannt

Von Thomas Krazeisen

Stuttgart/Bregenz - Es geht um ihr Schicksal, und die Karten verheißen für Carmen in der gleichnamigen Oper von Georges Bizet nichts Gutes. Anders als am Bregenzer Bodenseeufer, wo derzeit das monumentale Bühnenbild der neuen Seeproduktion fertiggestellt wird, scheinen die Festspielmacher um Intendantin Elisabeth Sobotka mit der neuen Freilicht-Produktion ein sehr gutes Blatt zu haben . Der Vorverkauf für die traditionell zwei Sommer hintereinander laufende Opernproduktion auf der weltgrößten Seebühne liegt im Fall der am 19. Juli startenden „Carmen“ bereits jetzt um etwa 20 Prozent über dem Niveau der erfolgreichen „Zauberflöte“ aus dem Wiederaufnahmejahr - das war zugleich die letzte Saison von David Pountney, der sich mit einer pop-bunten Mozart-Inszenierung als Intendant verabschiedet hatte.

Rund zwei Drittel der aufgelegten 200 000 Karten für die Premierensaison sind bereits verkauft, sagte Festspieldirektor Michael Diem bei der Vorstellung des neuen Festivalprogramms in Stuttgart. 28 Vorstellungen vor der 7000 Plätze fassenden Openair-Tribüne sind geplant, und wenn der Wettergott weiterhin den Bregenzern gewogen ist, könnte die zweite Produktion der Intendanz Sobotka mit einem Rekordergebnis über die Seebühne gehen. Insgesamt ist es in der Festivalgeschichte die dritte „Carmen“-Produktion auf der Seebühne; zuletzt wurde Bizets Opernschlager in den Jahren 1991 und 1992 sehr erfolgreich auf der Seebühne gezeigt.

Dass auch bei der 72. Auflage nicht gekleckert, sondern geklotzt wird, zeigen bereits die beiden riesigen Frauenhände, die mehr als 15 Meter aus dem Wasser ragen und zusammen mehr als 40 Tonnen wiegen. Verantwortlich für die jüngste spektakuläre Freilichtopernkulisse ist die britische Bühnenbildnerin Es Devlin - eine Spezialistin für Megashows. Devlin ist nicht nur als Ausstatterin für Oper, Schauspiel und Ballett gefragt. Die mit zahlreichen Preisen geehrte Künstlerin hat auch schon die Kulissen der Bühnenshows für Take That, die Pet Shop Boys, Lady Gaga oder Beyoncé entworfen, außerdem zeichnete sie 2012 für die Abschlussfeier der Olympischen Spiele in London verantwortlich. Es Devlin ist übrigens erst die zweite Frau, die seit 1946, dem Gründungsjahr der Bregenzer Festspiele, das Bühnenbild designt. Auch der Regisseur, der dänische Regisseur Kasper Holten, ist eine Größe in seinem Fach. Der 44-Jährige hat sich soeben mit der Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ von der Royal Opera Covent Garden verabschiedet. An dem renommierten Opernhaus war Holten sechs Jahre lang Direktor.

Die Seebühnenproduktion ist traditionell das kommerzielle Flaggschiff, doch ohne die kleineren „Beiboote“ wären die Bregenzer Festspiele heute nicht das, was sie sind. Im Bregenzer Festspielhaus wird in diesem Sommer „Moses in Ägypten“ gespielt (Premiere: 20. Juli, zwei weitere Aufführungen). Die eher selten gezeigte Rossini-Oper hatte die Intendantin schon länger auf ihrer Wunschliste gehabt. „Eine großartige Musik“, schwärmt Sobotka. Aber auch eine musiktheatralische Herausforderung. Für die Inszenierung des biblischen Dramas mit der berühmten Meeresteilung und den Plagen wurde die Niederländerin Lotte de Beer verpflichtet. Sie wird gemeinsam mit dem Theaterkollektiv Hotel Modern, so Sobotka, eine spezielle ästhetische Umsetzung des Themas mit Videoelementen und Miniaturpuppen präsentieren.

Fortgesetzt wird in diesem Festspielsommer das Opernstudio in der Leitung der einstigen Weltklassesängerin Brigitte Fassbaender. Auf dem Programm steht zum Abschluss des 2015 begonnenen Da-Ponte-Zyklus Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“. Auf der Werkstattbühne wird am 16. August Zesse Seglias' Kammeroper „To the lighthouse“ nach Virginia Woolfs Roman uraufgeführt. Als work in progress gewissermaßen, bei dem die Zuschauer die Entstehung einer Opernproduktion von Anfang an mitverfolgen konnten, erlebt diese Kooperation mit dem Kunsthaus Bregenz nun seinen Abschluss.

Nach vierjähriger Unterbrechung steht in dieser Saison wieder eine Schauspielproduktion auf dem Festival-Spielplan: Mit dem Migrationsstück „The Situation“, einem Gastspiel des Berliner Maxim Gorki Theaters, bei dem Schauspielern aus Syrien, Palästina und Israel mitwirken, wird thematisch der Faden der Nahost-Thematik aus „Moses in Ägypten“ wieder aufgenommen.

Die Bregenzer Festspiele 2017 finden vom 19. Juli bis zum 20. August statt. Tickets und Informationen unter Tel. 0043-5574 4076 sowie unter www.bregenzerfestspiele.com