Keine Panik, aber Ratlosigkeit: Konzertbesucher haben nach der vermeintlichen Bombendrohung den Saal verlassen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Ludwigsburg - Gerade hat Pietari Inkinen die erste der vier Legenden der „Lemminkäinen-Suite“ von Jean Sibelius wunderbar plastisch dirigiert - das Ludwigsburger Festspielorchester in Hochform. Doch bevor Inkinen wieder den Taktstock hebt, kommt Intendant Thomas Wördehoff mit steinerner Miene auf die Bühne und verkündet kurz vor 21.30 Uhr den Abbruch des Konzerts: Wegen einer „technischen Störung“ bittet er die 1200 Zuhörer, das Forum am Schlosspark in ruhiger Ordnung zu verlassen. Was diese Sprachregelung bedeutet, ist vielen nach den Ereignissen der vergangenen Tage sofort klar. Doch Panik bleibt aus, viele warten vor den Parkplätzen auf der anderen Straßenseite auf eine genauere Information. Die gibt es auch nach fast einer halben Stunde nicht. Erst nach Mitternacht und der Suche mit Einsatz- und Rettungskräften, Sprengstoffspürhunden und einem Polizeihubschrauber ist klar, dass die Bombendrohung nur ein übler Scherz war. Ein bislang unbekannter Mann hatte zu einem Feuerwehrmann gesagt, man solle sich schnell entfernen, bevor etwas in die Luft fliege.

Nach dem plötzlichen Ende war niemand mehr danach zumute, den Abschluss einer facettenreichen Festspielsaison zu feiern. Mit Sibelius wollte der finnische Chefdirigent das Werk seines Landsmannes weiter ins Bewusstsein rücken. Lemminkäinen, der Held des Nationalepos „Kalevala“, war für Sibelius der Stoff für seine effektvoll orchestrierten sinfonischen Dichtungen. Deren populärste ist „Der Schwan von Tuonela“. Beim Abschlusskonzert blieb er nun stumm. Doch mit welcher Dramatik Inkinen die Aufführung anging, war schon im ersten Satz zu erleben. Mit vitaler Energie und großartiger orchestraler Differenzierung öffnete sich die Klanglandschaft, entfaltete sich in pastosen, immer kräftigeren Farben.

In Tschaikowskys Violinkonzert zuvor blieb Inkinen der im ersten Satz vorwiegend lockere, im Finale furios antreibende Taktgeber. Solist Daishin Kashimoto servierte die ersten Portamento-Schluchzer mit süßlicher Emphase, die spielerischen Eskapaden mit todernster Miene, zelebrierte jedoch die große Kadenz des Kopfsatzes kontrastreich und hatte nur im Stretta-Finale kleine Intonationsprobleme. Im Andante fanden Solist und Orchester zu fein dosierter, allmählich aufblühender Klanglichkeit. Brillant trumpfte Kashimoto im Finalsatz auf: in höchstem Tempo sprühten virtuoseste Läufe, das Orchester war in bester Spiellaune.