Das Vokalensemble Quartonal in der Andreaskirche. Foto: Holger Schneider Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Dieser Uhlbacher Genussparcours am Vorabend des Musikfest-Eröffnungskonzert hat sich etabliert: Wieder lockte ein lauer Sommerabend, vor Beginn der ersten Konzertstaffel sammeln sich die Besucher zum fröhlichen Gespräch, zur Alten Kelter unterhalb des Götzenbergs sind es nur ein paar Schritte. An langen Tischen sitzend wird man im Weinbaumuseum vom Ensemble FisFüz mit „Golden Horn Impressions“ weltmusikalisch eingestimmt.

Das deutschtürkische Trio widmet sich dem „Reichtum“-Motto des diesjährigen Musikfests im multikulturellen Sinn: Istanbul als Schmelztiegel zwischen Orient und Okzident findet in den Improvisationen des dort geborenen Oud-Spielers Gürkan Balkan und des Perkussionisten Murat Coskun mit seinen Rahmentrommeln einen Ausdruck, und die Klarinettistin Annette Maye gibt dazu die meist jazzigen Melodieimpulse. Wenn auch der instrumentale Dialog aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ etwas weit hergeholt erscheint und dessen „Alla Turca“ aus der A-Dur-Klaviersonate kein Feuerwerk über dem Bosporus entfacht - zum ausgeschenkten „Riesling feinherb“ passt die Melange.

In der Kelter wird dann ein süffiger „Blanc de Noir“ kredenzt, bevor es zu Henning Westphal und Andreas Arend in den Gewölbekeller geht. Der aus Rotweintrauben weiß gekelterte Spätburgunder ist so anregend wie die schaurigen „Phantasien im Bremer Ratskeller“, die von Westphal im Wechsel mit romantischer Gitarrenmusik gestenreich und mimisch stark vorgetragen werden. „Die Tür springt auf: Entsetzen!“, schildert der um Mitternacht zwischen Weinfässern eingeschlossene Erzähler, wie der hölzerne Bacchus mit seiner Braut und den zwölf Aposteln beim Rheinwein feiert und sich der Steinerne Roland diesen „ins steinerne Maul hinab“ gießt. Die lebendig rezitierte Novelle gewann auch Farbe durch die Notturnos, Tarantellas und Lieder ohne Worte des ungarischen Komponisten Johann Kaspar Mertz, die Andreas Arend auf Gitarre und Chitarrone zusammen mit anderen „Lauten-Früchten“ (so der Titel einer Sammlung Esaias Reusners) vom Barock bis zur Gegenwart anmutig musizierte.

Vor der schmucken Andreaskirche gab es zum spätabendlichen Ausklang mit dem Vokalensemble Quartonal eine Kostprobe der kräftigen Heroldrebe - auf sonnigen Steillagen rund um Uhlbach geerntet, auf der Maische vergoren und in Holzfässern gereift. Um Wein rankte sich dann auch das Programm der vier Nordlichter, die zunächst der Würde des Orts mit einer Motette Ernst Friedrich Richters ihre Reverenz erwiesen. Nach dem originellen Arrangement des Spirituals „Let my people go“ kamen die Trinklieder: dass Franz Schubert einen „Bibite“-Text aus den Carmina Burana vertont hat, klang ebenso überraschend wie der Schluss der „Vogelhochzeit“, bei dem der Kuckuck sich zum Abschied zum großen Schluck reimt. Immer noch war die Intonation der beiden Tenöre Mirko Ludwig und Florian Sievers, des Baritons Christoph Behm und des Bassisten Sönke Tams Freier - alle vier ehemalige Chorknaben aus Uetersen in Schleswig-Holstein, die sich vor zehn Jahren zusammengetan haben und inzwischen zu den renommierten A-cappella-Quartetten zählen - kräftig und perfekt, ebenso ihre Performance, mit der sie Knut Kiesewetters „Fresenhof“ und zur Zugabe „What shall we Do with the Drunken Sailor“ zum Jubel des Publikums auch bei ihrer dritten Konzertstunde des Abends darboten.

Musikfest am Wochenende

Samstag

10.30 Uhr, Buchhaus Witwer: Rhythmus. Workshop für Kinder ab fünf Jahren.

12 Uhr, Musikpavillon auf dem Schlossplatz: Stuttgart singt.

15 Uhr, Mercedes-Benz-Museum:Geschichten aus 1000 und einem Rhythmus. Murat Coşkun, Percussion.

19 Uhr, Klett-Areal (Augustenstraße 34): Terem Quartet.

Sonntag

10 Uhr, Stiftskirche: Gottesdienst. Johann Sebastian Bach: Kantate „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“. Marie-Sophie Pollak, Sopran. Gaechinger Cantorey, Leitung: Hans-Christoph Rademann. Hans-Joachim Eckstein, Predigt.

11.30 bis 17.30 Uhr, Neues Schloss, Weißer Saal: Pianomarathon der Meisteramateure.

19 Uhr, Liederhalle, Beethovensaal: Johann Sebastian Bach: Kantate „Ich habe genug“. Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 9. Christian Gerhaher, Bariton. Gustav Mahler Jugendorchester, Leitung: Philippe Jordan.