Von Thomas Krazeisen

Stuttgart - Auch ein Museum mit den ältesten Kunstwerken der Menschheit muss sich von Zeit zu Zeit neu erfinden. Längst reicht es nicht mehr aus, lediglich auf die Aura spektakulärer Originale, hinter Panzerglas verbannt und mit kargen Schrifttafeln versehen, zu setzen. Gerade auch die staatlichen Ausstellungshäuser, inzwischen vermehrt als sogenannte Eigenbetriebe des Landes organisiert, befinden sich heute nicht zuletzt vor dem Hintergrund enger werdender finanzieller Spielräume der öffentlichen Hand zunehmend in einer Konkurrenzsituation. Die Multioptionsgesellschaft findet auf dem Markt der kulturellen Möglichkeiten ein immer breiteres Angebot - umgekehrt wird es für kulturhistorische Dienstleister schwieriger, größere Zielgruppen zu erreichen. Auch das Landesmuseum Württemberg, das kulturgeschichtliche Flaggschiff des Landes, hat sich dieser Herausforderung zu stellen und als Marke in einem umkämpften Markt zu positionieren.

„Erlebe es auf deine Art!“

In der vernetzten Welt von Facebook, Twitter und Co. spielt das bewegte Bild eine immer wichtigere Rolle. Neueste Initiative beim Museums-Branding im Alten Schloss: Imagefilme für die großen und kleinen Kunden. Beim 90-Sekunden-Streifen für das Landesmuseum segelt der Zuschauer quasi aus dem Vogelflug über Stuttgart mitten hinein ins kulturhistorische Herz der Stadt. Unter dem Motto „Erlebe es auf deine Art!“ wird der Zuschauer dann im Alten Schloss von zwei virtuosen Tänzern der Stuttgarter Gauthier Dance Company empfangen, die in selbst entwickelten Choreographien durch die Räume mit den legendären Meisterwerken wirbeln. Weltweit einzigartige Objekte treffen auf Weltklassetänzer, stille Größe auf beschwingte Eleganz: Nicht nur bewegungsästhetisch ein großartiger Pas de deux - auch als Performance mit Symbolkraft ist der Youtube-Clip, der nicht zuletzt als Kino-Werbung Besucher anziehen soll, trefflich gezeichnet, gilt es doch auch für das Landesmuseum, bei der Vermittlung all der kulturhistorischen Schwergewichte möglichst leichtfüßig aufzutreten. Damit das in der neuen Welt von Social Media und virtuellen Museen gelingt, braucht es nach den Runden Tischen zur kulturellen Bildung konkret mehr Mittel und mehr Personal, wie Landesmuseumsdirektorin Cornelia Ewigleben gestern bei der Jahrespressekonferenz im Alten Schloss anmerkte. Für das Haus hat das Thema digitaler Wandel Priorität. Ewigleben will nicht ewig warten und hat hier schon einmal selbst ein Statement gesetzt. Derzeit ist eine - unbefristete - Stelle eines Koordinators für digitale Museumspraxis ausgeschrieben. Er - oder sie - hat künftig die Federführung bei der Konzeption und Umsetzung von digitalen Museumsstrategien. Zu den Kernaufgaben der digitalen Museumspraxis gehört natürlich auch der Ausbau der virtuellen Sammlungen, der im Fall des Landesmuseums Württemberg bereits fortgeschritten ist. Das Haus ist mit seinen digitalen Datenbeständen nicht nur an einschlägige landeskundliche Informationssysteme wie LEO-BW, sondern auch an überregionale Plattformen wie die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) angeschlossen.

Auch wenn immer mehr Sammlungsbestände vom virtuellen Museumsgänger zuhause am PC bestaunt werden können, so lebt ein lebendiges Geschichtsmuseum auch im 4.0-Zeitalter noch immer in erster Linie von den „realen“ Besuchern. Und sie sind im vergangenen Jahr erfreulich zahlreich ins Landesmuseum geströmt: Im Stammhaus im Alten Schloss waren es rund 200 000, und im Museum der Alltagskultur im Schloss Waldenbuch konnte mit mehr als 29 000 Besuchern das Vorjahresergebnis ebenfalls noch einmal gesteigert werden. In der Zweigstelle im Schönbuch gibt es einen neuen interaktiven Themenraum, in dem sich der Besucher sein ganz persönliches Wohnstudio im Stil des 19. Jahrhunderts oder der 1970er-Jahre einrichten und das Ergebnis als Selfie gleich in den Sozialen Netzwerken teilen kann.

Ein Desiderat bleibt für Ewigleben neben einer verstärkten finanziellen und personellen Förderung der Kulturvermittlungsarbeit der freie Eintritt in die Schausammlungen. Der würde das Museum als gesellschaftlich relevanten Kommunikationstreffpunkt stärken, ist die Direktorin überzeugt.

Einen Schritt in diese Richtung kann man immerhin mit einer anstehenden Baumaßnahme tun. Eigentlich sollte sie nur einen zweiten Fluchtweg ermöglichen. Doch mit dem Umbau zweier Spitzbogenfenster zu Portalen in den Innenhof, der bereits in diesem Jahr realisiert werden soll, ist baulich eine attraktive Lösung gefunden worden, die es künftig erlaubt, in den Sommermonaten im malerischen Innenhof ein Café zu betreiben.

Im Zeichen des Schwertes

Bei den Sonderausstellungen kommen nach den erfolgreichen „Schwaben“, die noch bis zum 23. April im Alten Schloss zu Gast sind und bereits mehr als 60 000 Besucher gesehen haben, demnächst die Ritter in die ehemalige mittelalterliche Burg zurück. Vom 1. Oktober bis zum 8. April 2018 wird der komplette dritte Stock des Alten Schlosses als eine Art begehbare Burg inszeniert. Ewigleben hofft, dass dann auch wieder mehr Schulklassen den Weg ins Landesmuseum finden als bei der laufenden „Schwaben“-Schau. Nach der großen „ritterlichen“ Erlebnisausstellung für die ganze Familie widmet sich die übernächste Schau im Alten Schloss der „Faszination Schwert“ (13. Oktober 2018 bis 28. April 2019).

Um ein faszinierendes Objekt reicher ist das Landesmuseum nach einem ungewöhnlichen Fund. Es handelt sich um einen römischen, dem Göttervater Jupiter geweihten Altar, der über 70 Jahre lang als verschollen galt. Die Witwe eines Stuttgarter Architekten, der nach dem Zweiten Weltkrieg am Wiederaufbau des Neuen Schlosses beteiligt war und das in den Trümmern lagernde wertvolle Steindenkmal mit nach Hause genommen hatte, nahm erst jüngst Kontakt zum Landesmuseum auf. Vom 28. Februar an soll der römische Altar in der Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ für etliche Wochen der Öffentlichkeit präsentiert werden.