Herbert Häfele (links) und Erich Koslowski sind „Zum Schießen“. In ihrem gleichnamigen neuen Kabarettprogramm ist vieles zum Lachen, vieles aber auch zum Nachdenken. Foto: Weiß Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

Es ist zum Grinsen, zum Kichern und zum Lachen - das neue Programm der Esslinger Galgenstricke, das die beiden Kabarettisten aus der Webergasse am Donnerstagabend vor begeistertem Premierenpublikum aus der Taufe gehoben haben. Es ist „Zum Schießen“, und so heißt passenderweise auch der Titel. Obwohl sich die beiden (die EZ berichtete) aus Zeitgründen ab und an auch von älteren Erfolgsnummern inspirieren ließen und auf die eine oder andere musikalische Komposition aus vergangenen Jahren zurückgreifen, merkt man das nicht: So frisch, so gegenwärtig und so lebendig kommt „Zum Schießen“ daher. Das Material aus dem Fundus wurde aktualisiert, nochmals gegen den Strich gebürstet und zum größten Teil dann doch neu formuliert. Und wenn gleichwohl in einem treuen Kabarettbesucher Erinnerungen aufsteigen, dann wird das unter „Wiederhören macht Freude“ verbucht. Wie gern hört man immer wieder Herbert Häfeles musikalisches Medley aus Wohlvertrautem, das in schwindelerregender Schnelligkeit vom schmissigen Song zur drögen Schlagerweisheit tingelt, das „Herz über Kopf“ mit dem „roten Pferd“ zu einem „Prosit der Gemütlichkeit“ in die kleine Kneipe in unserer Straße galoppiert.

Wie wenig sich die Zeiten ändern

Oder jener nostalgische Rückblick auf Schießer-Unterwäsche, Schulmädchenreport und „Satisfaction“ von den Rolling Stones, der im Publikum zustimmendes Nicken erntet: „Falsch war falsch, und wahr war wahr.“ Garniert mit hübschen Anknüpfungspunkten an das Hier und Heute, die vor Augen führen, wie wenig sich die Zeiten ändern: Weil Esslinger Lokalpolitiker damals wie heute schnell verschnupft sind, wenn irgendjemand Kritik an ihrem Tun und Lassen übt, „werden ganz schnell sämtliche Frischluftschneisen zugebaut“, auf dass sich keiner mehr erkältet. Auch Erich Koslowskis Paradefigur, den Alten aus Ostpreußen, will in einem Galgenstricke-Programm keiner missen: Mit Gehstock, „Bio-Ei-Phone“ und einem via Atomstrom beheizten Toaster echauffiert er sich wie eh und je. Sein ramponierter Strohhut freilich hat wahrlich schon bessere Zeiten gesehen. Dazu kommen jede Menge neue Szenen: Die Idylle des Sonnenaufgangs mit Vogelgezwitscher wird jäh durch Gewehrfeuer gestört, und das ist keineswegs „Zum Schießen“. Zu schmucken Weisen wie „Junge, komm bald wieder“ wird dem Flüchtling klar gemacht, dass er gefälligst wieder aufs Meer hinausfahren soll. Es macht einen schaudern, denn es geht - „Freude schöner Götterfunken, Fremde aus dem Morgenland“ - um abgefackelte Flüchtlingsunterkünfte. Perfide kombiniert wird das mit der Deutschen liebstem Liedgut, in das sich arglistige Reime und üble Parolen einschleichen. Und schließlich endet es im alle und alles umarmenden „Einigkeit und Recht und Freiheit“ - und mit spontanem Szenenapplaus.

In zwei aktuellen Nummern über das Abschneiden der Parteien bei der jüngsten Landtagswahl findet Erich Koslowski Erklärungen für den Wahlausgang in der Straßenverkehrsordnung, wo es da heißt: „Steht die Ampel auf Rot, dem grünen Pfeil folgend nach rechts abbiegen.“ Er erklärt abstruse mathematische Konstrukte, mit deren Hilfe man sich die Wahlergebnisse doch noch irgendwie demokratisch schönrechnen kann. Und Winfried Kretschmann und Thomas Strobl rudern gemeinsam auf dem Eckensee: Der eine stopft das Leck mit einem Jute-Säckle, der andere schöpft Brackwasser, und rundherum dümpeln die üblichen Verdächtigen und bohren immer neue Löcher ins Koalitions-Boot. Erich Koslowski und Herbert Häfele sind in ihren Tarnfarben-T-Shirts bestens aufgelegt und sehr präsent. Da wird auch mal im beinahe sinnfreien Schwafel-Dialog köstlich herumgealbert, sie drehen sich gegenseitig das Wort im Mund herum, und das Publikum lacht Tränen beim aussichtslosen Kampf ums vergessene Stichwort.

Nicht alles ist zum Lachen

Die beiden, die seit 1988 als Duo auf der Bühne stehen, sind authentisch: Man merkt, dass sie alles selbst schreiben, komponieren und inszenieren. Statt in fremde Rollen zu schlüpfen, lassen sie höchstens mal das Alter Ego raus. Das passt und das ist stimmig. Aber im neuen Programm „Zum Schießen“ ist trotzdem nicht alles zum Lachen: Vieles ist bitterböse und vieles auch zum Nachdenken. Denn natürlich müssen Satiriker in diesen Tagen auch Farbe bekennen: „War das eine Beleidigung?“ fragt der eine, „Ha noi, des war Satire“, antwortet der andere. Alles was Recht ist. Wer übrigens kein ausgemachter Nachtschwärmer ist, sollte unbedingt eine Vorstellung vor einem arbeitsfreien Tag wählen: Nach dem knapp dreistündigen Programm könnte die anschließende Nacht sonst zu kurz ausfallen.

Karten für die nächsten Vorstellungen am heutigen Samstag sowie am 6., 7., 13. und 14. Mai jeweils um 20 Uhr im Keller der Galgenstricke, Webergasse 9, gibt es unter Tel.07 11/ 35 44 44 oder www.galgenstricke.de