Bildschirm-Arbeit: Studenten der Filmakademie entwickeln Animationsprojekte und alle Arten von visuellen Effekten. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Ludwigsburg - Als vor 25 Jahren die Filmakademie in Ludwigsburg ihre Tore öffnete, glaubte kaum jemand an ihren Erfolg. Mittlerweile zählt sie zu den besten Filmhochschulen der Welt. Reihenweise sind aus ihr Regisseure, Drehbuchschreiber, Produzenten, Kameraspezialisten oder Experten für Spezialeffekte hervorgegangen, die heute in den Filmmetropolen der Welt arbeiten - etwa die „Grüffelo“-Macher Max Lang und Jakob Schuh oder Roland Emmerichs Trick-Zauberer Volker Engel. Thomas Schadt, 1957 in Nürnberg geboren, ist seit 2000 Professor an der Filmakademie, seit 2005 ihr Leiter. Der renommierte Dokumentarfilmer („Der Mann aus der Pfalz“, „Der Rücktritt“) spricht im Interview über die weitere Entwicklung der Hochschule und warum Computer niemals Geschichten erzählen werden.

So manchen Unkenrufen vor 25 Jahren zum Trotz: Auch ohne Sitz in einer Metropole ist die Filmakademie Ludwigsburg zu einer Weltmarke geworden. Wie lautet das Erfolgsrezept?

Schadt: Das sind nach wie vor die zwei Faktoren: Unterricht entlang von praktischen Projekten - konsequenter als das andere Hochschulen betreiben, und ein Lehrpersonal, das direkt aus der Praxis kommt.

Ist dieses Rezept auch für die nächsten 25 Jahre tauglich?

Schadt: Diese zwei Faktoren werden auch in den nächsten 25 Jahren mitentscheidend für den Erfolg der Filmakademie sein.

Wo liegen die wichtigsten Zukunftsfelder? Wie muss sich die Filmakademie weiterentwickeln?

Schadt: Das Unterrichtsangebot ist komplett. Das Animationsinstitut hat mittlerweile auch international einen Ruf, den man nicht mehr toppen kann. Wir müssen aber stets beobachten, wie sich der Markt verändert - inhaltlich und technisch. Wir müssen versuchen, beides hier an der Akademie einfließen zu lassen, um immer auf der Höhe der Zeit in der Ausbildung zu bleiben. Das ist eigentlich eine notwendige ständige Weiterentwicklung. Das Schlimmste wäre, einfach stehenzubleiben und so weiterzumachen wie bisher. Das wäre tödlich. Wir müssen beweglich bleiben.

Können Sie ein Beispiel geben? In welchen Bereichen hat sich die Filmakademie in den vergangenen Jahren weiterentwickelt?

Schadt: Es gibt zwei Punkte: Erstens der ganze transmediale, interaktive Bereich nimmt mittlerweile einen großen Stellenwert ein. Nicht nur im Internet, sondern auch in Filmen. Dem haben wir Rechnung getragen durch das Studienangebot „Interaktive Medien“. Diese transmediale Komponente innerhalb der Projekte der Studierenden ist etwas, das wir sehr offensiv betreiben. Und das Zweite ist, dass es einen Paradigmenwechsel gibt: Die szenischen Regisseure machen Dokumentarfilme, die Dokumentarfilmer machen Spielfilme, es gibt Mischformen, es gibt den ganzen Bereich der Internetformate - kurzum: Wir haben es mit einer sehr starken Öffnung zu tun, die nicht mehr im klassischen Genregedanke verhaftet ist. Das hat auch Auswirkungen auf den Unterricht. Wir sind mittlerweile in der Frage, mit was die Studenten ihr Diplom machen können, viel offener als noch vor zehn Jahren.

Sie sind einer der renommiertesten Dokumentarfilmer Deutschlands. Macht Ihnen die Entwicklung hin zu immer mehr Computeranimation und Virtual Reality nicht Angst?

Schadt: Nein, mir macht das keine Angst, weil das alles hier bei uns auf dem Campus seinen Platz hat. Wir haben Virtual Reality, wir haben den ganzen Animationsbereich, wir bieten das alles an. Aber ich weiß auch, dass die Studierenden trotz dieser Angebote oft fast romantisch altmodisch ihre Geschichten ohne all diese Dinge erzählen wollen. Es gibt beides. Und für beides ist auch Platz. Am Ende steht sowieso unser Credo: Der Stoff sucht nach der Form und nicht die Form nach dem Stoff. Der Ausgangspunkt aller Diskussionen ist die Frage: Was willst Du eigentlich erzählen? Bevor das nicht geklärt ist, kann ich auch keinem Studierenden sagen: Mach‘ das mit Virtual Reality oder mit einer 50 Jahre alten Kamera.

Wird es in 25 Jahren noch Studenten geben, die ihren Film ganz herkömmlich erzählen?

Schadt: Mit Sicherheit. Als ich vor zwölf Jahren hier anfing, hat man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Garaus prophezeit. Das ist aber nicht eingetreten. So schnell wie manche das prophezeien oder auch gerne hätten, verändern sich die Dinge nicht. Wir leben im Moment in einer sehr spannenden Phase, in der es Tradition und Moderne parallel gibt.

Könnte es nicht bald Computerprogramme geben, die selber Drehbücher schreiben?

Schadt: Das wird es bestimmt nicht geben. Von den Geschichten, die uns interessieren, nach denen wir alle suchen, gibt es nicht genug, sondern eher zu wenig. Die guten Geschichten generiert kein Computer, weil die Emotionalität, die da gefordert und transportiert werden muss, nicht künstlich zu erzeugen ist, sondern nur durch den Menschen, der sie auch selbst erlebt hat. Das macht die Sache weniger technisch als beispielsweise ein Auto.

Seit acht Jahren ist die Theaterakademie Nachbar, sie wurde gezielt neben der Filmakademie platziert. Eine Zeit lang haben Sie sogar kommissarisch auch bei den Theaterleuten die Regie geführt. Fruchtet die Nähe?

Schadt: Definitiv. Ich kann mir den Campus ohne die Theaterakademie überhaupt nicht mehr vorstellen. Man muss sagen, dass die Studenten der Theaterakademie, vor allem die Regiestudenten, die ja auch in unseren Unterricht integriert sind, ganz andere Einflüsse und Inhalte bringen. Die sind vielleicht auch ein Stück politischer. Ich finde sowieso, dass man sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinandersetzen sollte. Und wichtig ist auch der Austausch der Studenten untereinander. Das hat ein Leben angenommen und eine Farbigkeit, da würde echt etwas fehlen, wenn es das nicht gäbe. Wir befördern im Moment auch ganz stark den Campusgedanken. Das gibt es nur hier und das ist super. Wir forcieren die Begegnung, weil wir ganz stark davon profitieren.

Die Akademie mit ihren top qualifizierten Abgängern war immer verbunden mit der Hoffnung, die Region zu einem wichtigen Produktionsstandort zu machen. Warum ist der Durchbruch nie gelungen?

Schadt: Die Frage ist doch, was man als Durchbruch bezeichnet. Ich habe immer für einen gewissen Realismus plädiert. Träumen kann man immer. Gerade am Anfang mit großen Visionen. Man hat von einer ganzen Filmindustrie geträumt. Die Frage ist doch aber: Was ist machbar? Und das, was sich in Ludwigsburg entwickelt hat, ist enorm viel. Wir haben Leute vor Ort, zum Beispiel Jochen Laube oder Rüdiger Heinze, die im Spielfilmbereich aktiv sind. Aber es gibt ja auch Start-ups im Animationsbereich oder jetzt im Bereich Interaktive Medien. Da sitzen bereits mehrere Firmen in Ludwigsburg. Und ich muss auch sagen, wenn die dann am Ende in Stuttgart sind, plädiere ich dafür, das eben als einen Standort zu definieren: als Filmstandort Stuttgart-Ludwigsburg. Auch im Bereich der Werbung. Dass da noch Luft nach oben ist, streite ich nicht ab.

Seit 2005 leiten Sie die Filmakademie. Spätestens in zwei bis drei Jahren geht es um die Frage, ob Sie in eine vierte Amtszeit starten. Wollen Sie bleiben?

Schadt: Das hängt nicht nur von mir ab. Ich mache das nur, wenn es gewünscht ist - sowohl politisch als auch hier von den Leuten von der Akademie. Mir macht es nach wie vor großen Spaß. Es spräche also nichts dagegen, intensiv darüber nachzudenken.

Sie produzieren jedes Jahr mindestens einen Film. Woran arbeiten Sie gerade?

Schadt: Dieses Jahr steht kein Projekt an. Letztes Jahr hatte ich sehr viel zu tun: die Inszenierung bei den Nibelungen-Festspielen in Worms und der Beckenbauer-Film. Und da ich noch ein zweites Mal Papa geworden bin, werde ich dieses Jahr keine eigenen Projekte machen, sondern die Akademie und meine süßen Kleinen in den Mittelpunkt stellen.

Das Interview führten Peter Maier-Stein und Christian Walf.

Kino und mehr zum Jubiläum

Zum Jubiläum gibt es von kommenden Donnerstag bis Sonntag ein Filmprogramm. Das Jubiläumskino präsentiert Studentenarbeiten, Werbespots, Reportagen, Dokumentationen, Animations- und große Kinofilme, einige davon mit renommierten Auszeichnungen bis hin zum Oscar. Das Spektrum reicht vom 16-Millimeter-Kurzfilm aus dem Gründungsjahr 1991 bis zu aufwendigen 3-D-Streifen.

Start ist am Donnerstag, 21 Uhr, auf dem Akademiehof, die Fortsetzung folgt am Freitag ab 16 Uhr im Albrecht-Ade-Studio der Filmakademie, dort wird auch Teil 3 am Samstag ab 15 Uhr gezeigt. Der letzte Block ist am Samstag ab 21 Uhr auf dem Akademiehof zu sehen. Zusätzlich gibt es Kurzfilmprogramme im Akademie-Kino Caligari (Donnerstag von 11 bis 13 Uhr und von 20 bis 23 Uhr, Freitag von 10 bis 14 Uhr und von 16 bis 18 Uhr).

Das Institut für Animation, Visual Effects und digitale Postproduktion stellt sich am Freitag ab 16 Uhr auf dem Akademiehof vor. Die Besucher können selbst Trickfilme drehen, eigene Animationshelden backen, brandneue Spiele erleben und sich von Virtual-Reality-Produktionen verzaubern lassen.

Beim Klassik-Open Air der Ludwigsburger Festspiele zeigen Absolventen den Stummfilm „Ludwigsburg Sinfonie“ mit Live-Musik (Samstag, 21 Uhr, Schloss Monrepos).

Alle Veranstaltungen (außer Klassik-Open Air) finden auf dem Areal der Filmakademie an der Ecke Seestraße/Mathildenstraße in Ludwigsburg statt.

www.filmakademie.de