Im Wald dürfen Wildschweine suhlen, aber das gute Nahrungsangebot auf den Wiesen und Äckern lockt sie häufig hinaus. Foto: Reinöhl Quelle: Unbekannt

Von Daniela Haußmann

Nachts kommen sie aus dem Wald, pflügen Äcker um, durchwühlen Wiesen und Weideland. Der Ärger von Wiesenbesitzern in Dettingen und Kirchheim ist groß. Sie sprechen mittlerweile von einer Wildschweinplage und fühlen sich von den Jägern im Stich gelassen.

Seit Monaten häufen sich laut Wiesenbesitzer Richard Ott die Schäden auf den Dettinger Wiesen. Die Grünflächen vieler Besitzer würden einem großflächig gerodeten Feld gleichen. „Früher kam so was gelegentlich vor“, erzählt Ott. „Der Schaden war nicht der Rede wert.“ Doch das habe sich seit dem vergangenen Herbst geändert. „In der Nacht kommen die Rotten raus auf die Flur und drehen dort auf der Suche nach Nahrung alles um“, berichtet er. Neu gepflanzte Bäume drücken sie dabei laut Wiesenbesitzer Helmut Diez fast um.

Von September bis Oktober vergangenen Jahres suchten die Schwarzkittel die Wiese von Adolf Blankenhorn fast wöchentlich heim. „Kaum hatte ich die Schadstellen eingedeckt, konnte ich wieder von vorne anfangen.“ Fritz Ott sieht die Jäger in der Pflicht. Er fordert mehr Drückjagden und Ablenkungsfütterungen, die die Wildschweine von der Flur fernhalten. Kreisjägermeister Bernd Budde kennt die Nöte von Wiesenbesitzern und Landwirten.

Engerlinge auf feuchtem Boden

„Ist der Boden feucht, zieht es Engerlinge, Regenwürmer und andere Lebewesen in die oberen Erdschichten“, erklärt er. „Deshalb fangen die Wildschweine an zu graben.“ Feuchtigkeit bilde sich auch dort, wo die Mahd nach dem Mähen nicht sofort entfernt werde. Außerdem sollten Wiesenbesitzer Fallobst möglichst schnell einsammeln, denn das ziehe allerhand Getier an, das auf dem Speiseplan der Borstentiere stehe.

Bezirksjägermeister Jochen Sokolowski bestätigt, dass die Wildschweine auf dem Vormarsch sind. „Mildere Winter und energiereiche Nahrung wie Raps und Mais, die vermehrt in der Landwirtschaft angebaut werden, verringern die Sterberate.“ Auch schwache und junge Tiere hätten damit hervorragende Überlebenschancen. Gleichzeitig würden Eichen und Buchen immer häufiger Früchte tragen. „Vor diesem Hintergrund schießen bei einer Fortpflanzungsrate von 300 Prozent die Bestandszahlen rasant in die Höhe“, sagt Sokolowski. Eine Rotte umfasse fünf bis zehn Tiere. Auf der Dettinger Flur hat der Bezirksjägermeister eine Rotte entdeckt, die sage und schreibe 70 Tiere zählt. Ein einzelner Jäger könne bei einer derartigen Gruppengröße nichts ausrichten.

Studien haben Bernd Budde zufolge ergeben, dass ein Jäger durchschnittlich 30 Stunden benötigt, um ein einziges Wildschwein zu erlegen. „Selbst wöchentliche Drückjagden sind nicht die Lösung. Wildschweine sind schlau und weichen nach einer Bejagung auf andere Flächen aus“, weiß Sokolowski. Das Schwarzwild dürfe während der Jagdzeit, bis auf die Ruhemonate März/April, im Wald mit gewissen Auflagen gekirrt, also mit geringen Futtermengen angelockt werden. „Die neu im Gesetz ausgewiesene Jagdruhe im Wald stellt aber ein Problem dar und macht uns in der Reduzierung der Bestände sehr zu schaffen.“

„Die Tiere dürfen während der Jagdruhe auf der Flur und auf einem 200 Meter breiten Waldstreifen, der an die Flur angrenzt, geschossen werden“, sagt Sokolowski. „Aber auf der Wiese zu jagen, ist ein heißes Eisen, schließlich können jederzeit Wiesenbesitzer hinter einem Gartenhäuschen hervortreten.“ Und ohne Kirrung tendiere ein Jagderfolg auf Waldstreifen gegen null. Eine Ablenkungsfütterung müsse nach dem neuen Jagdgesetz vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz genehmigt werden. „Grundvoraussetzung ist eine 2 500 Hektar große räumlich funktionale, jagdbare und zusammenhängende Jagdfläche“, weiß Budde.

Über solche Regelungen können die Wiesenbesitzer nur mit dem Kopf schütteln. Laut Budde könnten sie einen Elektrozaun aufstellen, der sollte aber eine Spannung von mindestens 8000 Volt aufweisen, um die Borstentiere abzuschrecken. „Für so einen Zaun müsste ich viele Äpfel auflesen, um die Kosten zu decken“, sagt Helmut Diez. „Ein Bekannter hatte trotz Zaun den Schaden, weil sich die Wildschweine unter ihm durchgegraben haben.“ Dem Rentner vergeht zunehmend die Lust an seiner Wiese. Feldfrüchte anbauen, Bäume pflanzen, Obst ernten, Rasen mähen - Diez leistet viel Arbeit, auch für den Erhalt der Kulturlandschaft. Doch die Mühe wird durch die Wildschweine zunichte gemacht.