Von Karin Ait Atmane

Vor knapp zwei Jahren warben in ganz Wernau Plakate für eine Erotik-Messe im Quadrium. Die Nonstop-Show mit bekannten Erotik-Stars fand allerdings nie statt, das Ganze erwies sich als Scherz. Kein Bluff war dagegen der Abend mit Erotik-Lesung in der Wernauer Wellness- und Saunalandschaft am Freitag - wobei es nicht verrucht zuging, sondern entspannt und humorvoll.

Immer am dritten Freitag im Monat ist im Quadrium lange Saunanacht, jeweils mit einem Thema: mal ein Bluesabend, mal eine irische Nacht oder Klangschalenmassagen. Aber „Damen, Dampf und Dramen“, eine Erotik-Lesung und Burlesque - ist das nicht gewagt inmitten der Saunalandschaft, wo doch mancher hüllenlos unterwegs ist? Auch für die Burlesque-Tänzerin Miss Elsie Marley mit ihren kunstvoll drapierten Locken und dunkelroten Lippen ist das eine ungewöhnliche Location, nicht nur wegen der Wärme und der vielen nackten Haut. „Wenn die Leute in ein Theater gehen, um eine Burlesque-Show zu sehen, dann wissen sie, was sie erwartet“, sagt sie: eine Mischung aus Erotik, Humor und selbstironischer Inszenierung. Dass das im Quadrium anders ist, hat sie schon bei einem Auftritt im vergangenen Jahr gespürt. Damals seien einige zunächst verunsichert gewesen, weshalb sie dieses Mal ihr Programm etwas behutsamer angehen möchte.

Tatsächlich taucht zunächst eine Putzfrau in Kittelschürze auf und staubt die Schnitzereien der marokkanischen Holztür ab. Den Fremdkörper in der Wellness-Landschaft scheint niemand zu bemerken. Erst als die derart ausstaffierte Miss Elise Marley die Musik einschaltet, wenden sich ihr die Blicke zu. Mit französischem Akzent beginnt sie über ihr Los zu plaudern, stimmt mit samtweicher Stimme ein Chanson an, verteilt Staubtücher an die 30 Zuschauer, die sich mittlerweile eingefunden haben. Dann kommt unterm Kopftuch die Lockenpracht und unter der Kittelschürze ein rot glitzerndes Paillettenkleid zum Vorschein und alle sind bei der Sache. Selbst der Herr, der bisher ungerührt in einer Zeitschrift geschmökert hat, legt diese weg. Mit „Hui“ und „Wow“ aus dem Publikum - die Autorin Ines Witka, die später aus ihren Büchern lesen wird, kurbelt die Reaktionen etwas an - entblättert sich die Künstlerin Stück für Stück.

Die Frauen im Raum lachen und wirken entspannt, die Männer eher etwas verkrampft: Was will die? Jetzt bloß keinen Fehler machen. Am Ende steht die üppige Schöne im Stringbody da und lässt die Quasten der Brustkäppchen kreisen. Nackter wird es bei Miss Elsie Marley nicht, nur bei den Saunagängern, die den nächsten Aufguss mitnehmen.

Ein älterer Herr hat sich in Ines Witkas Roman „Nacht der Masken“, der auf einem Tisch ausliegt, vertieft und ist perplex, als er erfährt, dass ihm die Autorin gegenübersitzt. „Das ist interessant, was Sie über Verführung schreiben“, steigt er ins Gespräch ein. „Haben Sie das alles durchexerziert?“ Ines Witka, Wirtschaftsingenieurin mit einem Master in kreativem Schreiben, lässt sich gerne ins Gespräch verwickeln. Sie hat sichtlich Spaß am Austausch mit den Besuchern und stört sich nicht dran, dass später bei den Lesungen im Ruheraum alle in den Liegen lümmeln. „Ich find’s klasse“, sagt sie, ein so entspanntes Publikum habe man nur selten. Einige machen die Augen zu oder scheinen sogar zu schlummern, trotz der Beschreibung einer erotischen Maskenparty auf einem Schloss. Die Autorin, hat durchaus einen literarischen Anspruch - Sexszenen sollten die Handlung des Buchs vorantreiben und nicht nur Selbstzweck sein, findet sie. Bei den nächsten Lesungen an diesem Abend werde es dennoch „ein bisschen expliziter“ sagt sie. Aber zunächst geht es zum nächsten Aufguss - mit Champagner.