Wolf Rühle beobachtet häufig Vögel im Schutzgebiet. Foto: Haußmann - Haußmann

Von Daniela Haußmann
Wenn Wolf Rühle zwischen April und September an den Wernauer Baggerseen durch sein Fernglas blickt, fehlt von Haubentauchern, Blässhühnern und Co. jede Spur. In dieser Zeit meiden die Vögel das Gewässer aus gutem Grund, wie das Vorstandsmitglied des Nabu-Nürtingen weiß. Denn in der Tiefe des idyllischen Naturschutzgebietes gehen Welse auf Jagd.
Ausgewachsene Exemplare von Europas größtem Süßwasserfisch bringen es mit Leichtigkeit auf 1,50 bis 1,80 Meter Länge und ein Gewicht von bis zu 50 Kilogramm. Da der Wels aber sein ganzes Leben lang wächst, kann er unter günstigen Bedingungen sogar deutlich größer und schwerer werden. Natürliche Feinde hat der Wels, der bis zu 80 Jahre werden kann, nicht. Zwangsläufig kommt die Frage auf, wie der Raubfisch in die Wernauer Baggerseen kommt – eine ehemalige Abbaustätte, in der bis Ende der Sechzigerjahre Kies für die Bauindustrie gewonnen wurde.
Im Neckar gibt es relativ viele Welse. Deswegen halten es die Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart nicht für ausgeschlossen, dass der klebrige Laich der Fische an Wasservögeln hängen blieb, die ihn so auf dem Luftweg in die Baggerseen transportierten. Wolf Rühle hält es hingegen für wahrscheinlicher, dass „ambitionierte“ Angler in den Siebzigerjahren den Wels zum Sportfischen in dem Gewässer ausgesetzt haben. „Jedenfalls bin ich in historischen Quellen nie auf Aufzeichnungen von außerordentlichen Welsfängen gestoßen, die andernorts jedoch dokumentiert wurden“, sagt Rühle. „Mit absoluter Sicherheit lässt sich also nicht sagen, wie die Fischart in die Seen kam.“
Dem Regierungspräsidium liegen keine aktuellen Untersuchungen über Fische in dem Naturschutzgebiet vor, trotzdem sind die Fachleute der Ansicht, dass der Wels in den Baggerseen kein Problem darstellt. Vor einigen Jahren hätten fischereibiologische Untersuchungen gezeigt, dass die Fischbestände im großen und kleinen See gut strukturiert ist. Dass andere Fischarten unter dem Wels zu leiden haben, glaubt auch Rühle nicht. „Kormorane machen an den Wernauer Baggerseen regelmäßig Jagd auf Fische“, sagt er. „Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass es noch ausreichend Fische gibt, denen das Gewässer ausreichend Rückzugs- und Schutzmöglichkeiten vor dem Wels bietet.“ Nicht für alle Wasservögel sieht Rühle Probleme. Unter ihnen gibt es Arten, die auf der Roten Liste stehen. Die Wasservögel kämen erst in der kühleren Jahreszeit an die Wernauer Baggerseen, wenn die Wassertemperaturen gesunken sind. „Denn dann zieht sich der Wels auf den Grund zurück und stellt die Nahrungsaufnahme bis März ein.“
Um Wasservögel zu schützen, fordert Wolf Rühle die Jagd auf den Wels. Die sei im Naturschutzgebiet zulässig. Denn wenn die Situation belassen werde wie sie ist, werde der Schutzzweck eines überregional bedeutsamen Rastplatzes ausgehöhlt. Momentan werde dieser Schutzzweck an den Baggerseen nur für Arten erfüllt, die sich außerhalb des Gewässers aufhalten oder nicht ins Beuteschema des Welses passen. Damit auch kleinere und artengeschützte Wasservögel eine Heimat in Wernau finden, sei die Jagd auf den Wels deshalb dringend geboten. Tausend Eier legt ein Welsweibchen jedes Jahr. Nicht aus allen schlüpfen Jungtiere. Trotzdem sind es laut Wolf Rühle genug, um die Artenvielfalt in Wernau zu bedrohen.
Auch am Aileswasen in Neckartailfingen gibt es Welse. Badegäste müssen deshalb aber nicht in Panik geraten. Trotz der Schreckensmeldungen, die über den großen Fisch verbreitet werden, ist das dämmerungsaktive Tier für den Menschen keine Bedrohung.