Produktionsleiter Sebastian Kopp (rechts) begutachtet mit Mitarbeitern den Industrielaser RSL 400. Foto: Kaier

Von Sabrina Erben

Owen - Das Büro von Geschäftsführer Ulrich Balbach hat einen herrlichen Blick auf die Burg Teck. Davor liegt eine grüne, blühende Wiese. Idylle im Owener Gewerbegebiet Braike. Die Wiese fällt allerdings bald Parkplätzen zum Opfer. „Wir wachsen stark“, sagt Balbach. Neue Parkmöglichkeiten müssen her. 450 Beschäftigte arbeiten für Leuze electronic in Owen, einem Hersteller von Optosensorik und Automatisierungslösungen. Vor fünf Jahren waren es fast 100 Mitarbeiter weniger. Angefangen hat die Geschichte des Unternehmens allerdings nicht mit Sensoren, sondern mit Baumwolle. Leuze war bis vor 53 Jahren noch ein Textilunternehmen.

Schon die Vorfahren der Familie Leuze handelten im 17. Jahrhundert in Eningen mit Textilien. Ab dem 19. Jahrhundert widmete man sich der Produktion und konzentrierte sich auf den Hauptrohstoff der württembergischen Textilindustrie: Baumwolle. Es gab aber ein Problem: Die Elektrizität war noch nicht entdeckt, für die industrielle Fertigung benötigte man also wassergetriebene Turbinen. Sie lieferten Energie, um die mechanisch angetriebene Baumwollweberei der damaligen Firma Leuze, Dürr & Cie. anzutreiben. Eningen fehlte es aber an Wasserkraft. 1860 zogen die Brüder Christoph und Adolf Leuze deshalb nach Unterlenningen an die Lauter - und 20 Jahre später mit einem weiteren Standort nach Owen.

Harter Konkurrenzkampf

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts expandierte das Unternehmen und baute weitere Standorte auf. Doch die Textilwirtschaft war kein Zukunftsgeschäft mehr. Durch die Importe außereuropäischer Länder war die Branche einem harten Konkurrenzkampf ausgesetzt. Die damaligen Leuze-Chefs Helmut, Adolf und Christof Leuze handelten vorausschauend und setzten auf Diversifikation. Andere Produkte - fernab von Baumwolle - sollten die Zukunft sichern. Das Textilunternehmen blieb bestehen, aber ein Zweig beteiligte sich an der Neuffener Maschinenbaufirma Biel. Zudem sollten in einem Abteil der früheren Weberei Sensoren für die Textilmaschinen entwickelt werden. Die Entstehung von Leuze electronic.

Die ersten Kunden waren die zwei anderen Zweige der Leuze-Gruppe. Und das Konzept ging auf: Schon sieben Jahre später expandierte das Unternehmen unter Christof Leuze so stark, dass man den Sitz in das Owener Gewerbegebiet Braike verlagerte. Zu den ersten schaltenden und messenden Sensoren kamen bald Sensoren für die Arbeitssicherheit hinzu, gefolgt von Systemen für die Identifikation, Datenübertragung und industrielle Bildverarbeitung. In den 80er-Jahren wurde der Standort um Tochtergesellschaften in Europa erweitert. Wenige Jahre später folgten Niederlassungen in Amerika und Asien. Heute hat Leuze electronic über 1000 Mitarbeiter weltweit. Das Wachstum ist nicht zu Ende: „Wir haben vor, diesen Weg weiter zu gehen“, sagt Balbach. Zum Ergebnis macht das Unternehmen, das nach wie vor in Familienhand ist, keine Angaben. Doch Balbach verrät: „Wir sind sehr zufrieden, haben eine hohe Eigenkapitalquote.“ Leuze electronic erwirtschaftete 2015 einen Umsatz von 158 Millionen Euro, 2014 waren es 141 Millionen Euro. Dieses Jahr sollen es über 170 Millionen Euro werden.

Der 52-jährige Ingenieur Balbach arbeitet seit 18 Jahren für Leuze electronic. Mit Blick auf die Burg Teck sagt der sportliche Geschäftsführer, der jeden Morgen um halb sechs joggen geht: „Wir halten am Standort fest.“ Nach wie vor wird in Owen produziert. Aber wie schafft man es, am Hochlohnstandort Deutschland wettbewerbsfähig zu bleiben? Die Konkurrenz im Geschäft mit Sensoren ist groß. „Investitionen und Kostensenkungen an den richtigen Stellen“, ist die Antwort des Geschäftsführers. Und: „Man muss Prozesse stets optimieren und innovativ sein.“

Bei der Produktentwicklung lege Leuze electronic Wert auf eine gute Handhabbarkeit der Geräte. Zudem ist Balbach ein guter Kontakt zu den Kunden wichtig. „Da ist ein starkes Vertriebsnetz notwendig.“

Der Standort Owen wurde erst vor wenigen Jahren erweitert. Mehr als 150 Menschen sind in der Fertigung tätig. Es werden Lichtschranken, Sicherheitsschalter oder Barcodeleser produziert. Das automatische Kleinteil-Lager in Owen nennt Produktionsleiter Sebastian Kopp liebevoll das „Klein-Amazon“. In Sekundenschnelle fährt das Bediengerät entlang der Regale. Besonders stolz sind die Owener auch auf den Sicherheits-Laserscanner RSL 400. Das Gerät wurde mit dem Industriepreis 2016 ausgezeichnet. Der Hauptabsatzmarkt ist Europa, aber auch Asien und Amerika sind wachsende Märkte. „Wir haben in Nordamerika noch Luft nach oben“, sagt Balbach.

Deutliche Worte findet der Geschäftsführer zum Thema Fachkräfte. „Noch vor wenigen Jahren hatten wir keine Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Jetzt hat sich die Lage dramatisch verändert.“ Das Problem schreibt Balbach auch der Ausbildung zu. „Die jungen Menschen sind schlechter ausgebildet.“ Die Umstellung auf Bachelor/Master habe nicht zu einer Qualitätssteigerung geführt. Dabei stehen die Mitarbeiter für Balbach „an erster Stelle“. Leuze electronic trägt den Zusatz „Sensor people“. Für den Geschäftsführer ist das eine grundsätzliche Einstellung. „Das spüren auch unsere Kunden.“ Mehrere Tischkicker stehen im modernen Gebäude. Die Terrasse vor der Kantine lädt zum Verweilen ein. Man soll sich wohlfühlen in Owen.

Und wie ging es mit dem Textilbereich weiter? Viele Jahre schlug sich die einst florierende Firma Leuze Textil noch wacker am Markt. 2001 war dann Schluss. Der Mut der Firmenchefs Anfang der 60er-Jahre wurde aber belohnt. Der Zweig mit Sensoren verspricht mehr Zukunft.

Leuze electronic

Zahlen und Fakten:

Sitz in Owen (Kreis Esslingen), 18 Tochtergesellschaften und 42 Vertriebspartner.

Umsatz: 158 Millionen Euro im Jahr 2015 (Vorjahr: 141 Millionen Euro).

Meilensteine:

2015: Standorterweiterung Singapur.

2012: Standorterweiterung Indien.

1998: Erste Bildverarbeitungssysteme.

1993: Erste optoelektronische Sensoren für die Arbeitssicherheit.

1968: Neubau Verwaltungs- und Produktionsgebäude in Owen.

1963: Gründung der Firma.