Die Schützenstraße wird unter die Bahngleise gelegt. Dazu macht sie einen großen Bogen und läuft künftig diagonal unter der Bahnstrecke nach Tübingen durch. Foto: Rudel

Den Wendlingern stehen unruhige Zeiten bevor. Nachdem sie 30 Jahre auf die Beseitigung des Bahnübergangs Schützenstraße gewartet haben, kommt das Projekt nun im Geleit mit drei anderen Großbaustellen: der Neckarüberquerung der neuen Bahnstrecke nach Ulm, dem Albvorlandtunnel und der Verlegung der Landesstraße 1250 nach Oberboihingen. Sperrungen, Umleitungen, Baustellenverkehr und Lärm sind bis Ende 2018 unvermeidbar.

Von Roland Kurz

  • Übergang Schützenstraße

Hautnah werden die Wendlinger und Unterboihinger die Beseitigung des Übergangs Schützenstraße erleben. Eine Genehmigung für dieses Vorhaben lag schon 1986 vor. Die damit verbundene Südrampe zur Heinrich-Otto-Straße wurde in den 90er-Jahren auch gebaut. Doch den Umbau des Bahnübergangs verschob man, denn der Neubau der Bahnstrecke Stuttgart-Ulm zeichnete sich ab und die Folgen für Wendlingen waren nicht genau abzusehen. Nun wird’s ernst.

Hauptziel des Projekts ist, dass die 120 Züge täglich nicht mehr  den Autoverkehr aufhalten. Die erwünschte Folge: Der Verkehr verlagert sich künftig von der Nürtinger Straße auf die Heinrich-Otto-Straße. Heute sind auf der Nürtinger Straße 7700 bis 10 000 Fahrzeuge täglich unterwegs. Stadtbaumeister Axel Girod erwartet, dass es 40 Prozent weniger werden. Die Heinrich-Otto-Straße sei auf mehr als 10 000 Fahrzeuge ausgelegt.

Die Vorarbeiten in Unterboihingen laufen schon seit zwei Jahren. Das Baufeld wurde freigeräumt, alle Leitungen sind aus dem Weg,  neue Geh- und Radwege angelegt.  Anfang August geht es richtig los. Zunächst werden Bohrpfähle gesetzt, um eine grundwasserfreie Konstruktion zu ermöglichen. Dafür muss im Oktober oder November auch die Bahnstrecke nach Tübingen für 100 Stunden gesperrt werden: Gleise weg, Pfähle rein, Gleise wieder drauf.

Nächstes Jahr folgen umfangreiche Aushub- und Betonarbeiten. Die eigentliche Bahnunterführung wird in der Grube als ein großer Block hergestellt, der im November 2017 unter die Bahnstrecke geschoben wird. Dazu wird die Strecke erneut 120 Stunden gesperrt. Im Juni 2018 kommt der Asphalt auf die Straße. Die Freigabe der Unterführung ist auf Ende 2018 geplant.

Das gemeinsame Projekt von Stadt, Bahn und Bund soll etwa 15 Millionen Euro kosten, wovon jeder Partner ein Drittel zahlen muss. Die Stadt erhält jedoch noch einen GFVG-Zuschuss des Bundes, so dass bei ihr am Ende 1,5 Millionen Euro hängen bleiben.

  • Verlegung der L 1250

An der Schützenstraße beginnt auch das zweite Großvorhaben: die Verlegung der L 1250 nach Oberboihingen. Das Projekt mache ihm am meisten Kopfzerbrechen,  sagte Frank Maiwald, der im Regierungspräsidium für die rund 100 Berührungspunkte zwischen Bahn-Neubaustrecke und  Straßen zuständig ist. Die alte Landesstraße muss weichen, weil sie der Güterzug-Anbindung zur Neubaustrecke im Weg ist. Die Heinrich-Otto-Straße, die an der alten Textilfabrik vorbei – führt, wird zur neuen Landesstraße. Um die Straße nah an der Bahnstrecke zu führen, müssen viele kräftige Stützwände gebaut werden. Der Bahnverkehr muss zeitweise auf einem Gleis geführt werden und – die größte Einschränkung – die jetzige L 1250 muss für ein halbes Jahr gesperrt werden, voraussichtlich in der zweiten Hälfte von 2017. Im Jahr 2018 wird die Straße erneut sechs Wochen dicht sein. Die weiträumige Umleitung erfolgt über Zizishausen und Unterensingen.

Er hätte lieber eine ortsnahe Umleitung gehabt, fügte Bürgermeister Steffen Weigel an. Die Sperrung betreffe auch den Schülerverkehr, die Rettungsdienste und letztlich den Einzelhandel. „Es ist halt einfach eng“, antwortete Maiwald, „genau dort, wo die L 1250 jetzt verläuft, stellen wir unsere Stützen rein.“  Der Zeitplan sei sehr ambitioniert. Er geht aber davon aus, dass Ende 2018 alles fertig ist. Wendlingen sei dann vom Durchgangsverkehr entlastet und Oberboihingen habe eine schnelle Verbindung nördlich der Bahnstrecke. Etwa elf Millionen Euro soll diese Straßenverlegung kosten.

  • Brücken über Neckar und Bahn

Die Baustelle für die ICE-Brücke über den Neckar mit 135 Meter Spannweite werde bereits im September eingerichtet, kündigte Jens Hallfeldt an, der Projektleiter für die Neubaustrecke von Wendlingen bis Ulm. Die Eisenbahnüberführung verläuft parallel zur A 8 und wie diese nur etwa zehn Meer über der Erde. Vier Pfeiler, maximal 50 Meter voneinander entfernt, stützen das Bauwerk. Ende des Jahres geht es richtig los, wenn die Bohrpfähle gebohrt und betoniert werden. 2017 sind Widerlager, Pfeiler und Überbau dran.

Die zweite, 58,50 Meter lange  Brücke überspannt die Bahnstrecke in Richtung Tübingen,  die L 1250 neu, sowie einen Rad- und einen Wirtschaftsweg. Der Bau der kleinen Brücke bringt mehr Beeinträchtigungen mit sich, weil mehrfach die Landesstraße verlegt werden muss. Insbesondere an den Tagen, an denen betoniert wird, werden mehr Lastwagen die Baustelle anfahren. Auf den Brücken werden Schallschutzwände installiert. Werden dennoch die Grenzwert überschritten, haben die Anwohner Anspruch auf Schallschutzfenster. Während des Brückenbaus steht nächstes Jahr der Neckartalbahn mehrfach nur ein Gleis zur Verfügung und in Oberboihingen ist dann auch ein Bahnsteig gesperrt. 

  • Albvorlandtunnel

Zwei Tunnelbohrmaschinen starten im Frühjahr 2017 bei Kirchheim-Nabern am Ostportal des acht Kilometer langen Albvorlandtunnels. Sie graben sich in Richtung Wendlingen vor. Nur die letzten 300 Meter am Westportal werden mit Baggern vorangetrieben und mit Spritzbeton ausgekleidet.

Weiterhin sind zwei kleinere Tunnels notwendig: einer für die umstrittene „Kleine Wendlinger Kurve“ (494 Meter), die  eine Verbindung der Neckartalbahn in Richtung Flughafen schafft, und der andere für die Güterzuganbindung aus Richtung Plochingen zur ICE-Trasse, unter der A 8 durch (173 Meter). Während der Tunnelarbeiten werden täglich 60 bis 65 Lastwagen die Baustelle anfahren.

Die Eidechsen: Mal sind sie hier, mal sind sie fort

Eidechsenvergrämung: Die Deutsche Bahn kämpft in Wendlingen mit den Zauneidechsen. Man habe schon vor Baubeginn festgestellt, dass es an der Neubaustecke Eidechsen gebe, berichtet Projektleiter Jens Hallfeldt. Die gesamte Strecke sei kartiert worden. Vor der Umsiedlung habe man aber festgestellt, dass auf den vorgesehenen Ersatz-Habitaten bereits Eidechsen leben und habe neue Flächen suchen müssen. Dafür brauche man eine Änderung der Planfeststellung, was viel Zeit benötige. Umgekehrt habe man festgestellt, dass an anderen Stellen keine Eidechsen mehr lebten, also auch keine umgesiedelt werden können. Es sei unfair, so Hallfeldt, der Bahn vorzuwerfen, sie komme wegen des Artenschutzes mit keinem Großprojekt mehr klar. Hallfeldt: „Wir haben nur nicht geplant, dass sich vom Aussterben bedrohte Tierarten vermehren wie die Karnickel.“

Eisvogel, Lerche und Rebhuhn: Als Beitrag zum Artenschutz legt die DB Projekt GmbH an der Gießnau – ein kleiner Bach in Kirchheim – Brutröhren für den seltenen Eisvogel an. Für Feldlerchen werden Ackerrandsteifen und Buntbrachen angelegt sowie unbebaute „Fenster“ in den Äckern. Für Rebhühner wird am Jauchertbach in Kirchheim ein Saum freigehalten und ein Schutzzaun entlang der Baustraße aufgestellt.