Menschen und Tiere scheinen gleichermaßen neugierig aufeinander zu sein. Die Mufflons halten aber vorsichtig Distanz. Fotos: SDMG/Friebe Quelle: Unbekannt

Erst ein Geschichtsspaziergang durch die Stadt, dann ein Kunstumtrunk im Alten Rathaus: Eine in weiten Teilen heitere Stadtführung haben rund 50 Ausflügler in Plochingen erlebt. Denn die Anekdoten der Stadtführer zeigen, dass die Plochinger Geschichte viel Humoriges bereithält.

Von Greta Gramberg

„Wenn man ein bisschen mehr über seine Umgebung weiß, ist das von Vorteil“, sagt Ulrike Benzing. Darum ist die Rentnerin, die seit Jahrzehnten in Aichwald lebt, für eine Stadtführung ins benachbarte Plochingen gekommen. Erstmals ist die Konstellation historischer Rundgang mit anschließender Besprechung des Triegel-Gemäldes im Ratssaal offen angeboten worden: Bislang gab es sie nur für vorangemeldete Gruppen. Insgesamt rund 50 Teilnehmer liefen in zwei Gruppen mit. Wie Ulrike Benzing sind die meisten aus der Region. Dennoch konnten wohl alle etwas mit nach Hause nehmen, das sie vorher noch nicht wussten.

Denn mit Willi Stuhler hatte Benzings Gruppe einen Experten als Führer, der dank seiner Verwurzelung in seiner Geburtsstadt Plochingen Interna kennt, die in keinem Geschichtsbuch zu finden sind. So weiß er aus erster Hand, wie es von 1877 bis 1927 in der frühgotischen Ottilienkapelle aussah: Mehr als 100 Jungen und Mädchen wurden in dieser Zeit dort betreut. Stuhlers Mutter war eines der Kinder: „Sie hat mir einiges erzählt, was nirgendwo geschrieben steht“, erzählte er den Gästen.

Vieles hat Willi Stuhler aber auch selbst erlebt, etwa die langjährige Inhaberin der ältesten Apotheke Plochingens in der Marktstraße. Die über 90-Jährige verweigerte ihm den Schnaps, als er als Jugendlicher mit der Blaskappelle im Winter ein Geburtstagsständchen spielte, während alle erwachsenen Musiker einen zum Aufwärmen bekamen.

Highlight der Führung war für Ulrike Benzing aber klar das Hundertwasserhaus. Von Stuhler habe sie erfahren, dass es dort schwer sei, eine Wohnung zu mieten, viele würden unter der Hand weitergegeben. Dort wohnen will Ulrike Benzing aber nicht, die Wohnungen seien zu klein. Auch wer nicht gleich ans Einziehen dachte, wurde gut unterhalten im Hundertwasserhaus, denn Willi Stuhler nannte auch einige ausgefallene Fakten, die nicht jeder kennt: So hat er ausgerechnet, dass sich der Diebstahl des Blattgoldes auf den Kugeln des Regenturmes nicht lohnt - es ist ihm zufolge aktuell 2500 Euro wert. Und Stuhlers Zuhörer haben von ungewöhnlichen Ansichten des Künstlers Hundertwasser erfahren: Dieser war Trockenklo-Verfechter, weil er Wasser für zu schade hielt, um damit Ausscheidungen wegzuspülen.

Nach einem Abstecher zum Ungerer-Klo konnten die Teilnehmer im letzten Teil der Veranstaltung dann im Alten Rathaus noch ein Stück Stadtgeschichte schmecken: den Veltliner der früheren Weinbaustadt, der heute wieder vom Verein zur Förderung des historischen Weinbaus ausgebaut wird. Kulturamtsleiterin Susanne Martin erklärte während der Probe im Ratssaal, warum er Hansenwein genannt wird: Im 16. und 17. Jahrhundert hießen viele Männer, auch unter den Weinbauern, Hans. Wer damals bei ihnen etwas kaufen wollte, sagte also: „Ich geh’ nach Plochingen zu den Hansen.“

Mit Blick auf das Wandbild „Allegorie der guten Regierung“ des Künstlers Michael Triegel endete die Einführung in die Geschichte Plochingens. Laut Susanne Martin ermahnt es die Stadtverwaltung in jeder Gemeinderatssitzung, kluge, gerechte und maßvolle Entscheidungen zu treffen. Und es erinnert auch an kluge Taten der Vergangenheit, wie den Erhalt und Umzug des historischen Rathauses.

Weitere Führungen veranstaltet die Plochingen-Info, Marktstraße 36, Tel. 07153 / 7005-250.