Vermutlich weltweit der erste Fahrradhelm aus textiler Faser. Der zweilagige Aufbau mit biegsamen Zwischenfäden bringt die Dämpfung. Foto: Gisatex Quelle: Unbekannt

Ein luftiger Radler-Helm, der sich anschmiegt wie ein Mütze. Das würde manchen Helmmuffel dazu bringen, sein Hirn zu schützen. Textil- und Faserforscher aus Denkendorf stellen diesen Donnerstag beim Innovationstag Mittelstand in Berlin-Pankow eine Polyester-Struktur vor, die harte Schläge dämpft. Das Forschungsinstitut präsentiert außerdem Handschuhe, die Vibrationen von Motorsägen und Schlaghammer abmildern.

Von Roland Kurz

Der textile Werkstoff könnte einen Kopf beim Aufprall auf den Bordstein wirkungsvoll schützen. Das haben die Forscher am DITF (Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung) mit einem Beschleunigungssensor getestet. „Weltrekord beim Dämpfungsverhalten“, sagt Thomas Stegmaier stolz, der den Bereich Technische Textilien und Bionik leitet. Die dreidimensionale Struktur besteht aus zwei Deckflächen, die durch Abstandsfäden verbunden sind. Diese relativ steifen Filamente aus Polyester - eher wie Kunststoffdraht - biegen sich beim Aufprall durch und federn wieder zurück. Den Anstoß für den neuartigen Helmaufbau gab ein Spezialist für Abstandstextilien: Die Firma Gisatex aus Reutlingen. Sie produziert beispielsweise Matratzen für Segelboote, also Federung auf wenig Raum.

Ministerium fördert

Mit der Idee kam Geschäftsführern Guido Peisen zu den Forschern ins Körschtal. Denn deren Aufgabe ist es, kleine und mittlere Firmen, die sich mit eigener Forschung schwer tun, zu unterstützen. Solche Projekte fördert wiederum das Bundeswirtschaftsministerium über sein Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM). In den vergangenen zwei Jahren wurden für Hightech-Innovationen in Baden-Württemberg 193 Millionen Euro aus dem ZIM bewilligt.

Die Weichheit des textilen Helms hat seine Grenzen. „Unter 1,5 Zentimeter Stärke geht nix“, sagt Stegmaier. Wie stark und wie biegsam der Helm tatsächlich wird, ist noch offen. Muss sich das neue Produkt an die Normen für Helme anpassen? Eigentlich gehe es ja darum, dass Menschen das bequeme Teil aufsetzen, die bislang keinen Helm tragen, findet Andreas Kunze, der das Produkt mitentwickelt hat. Gisatex-Chef Peisen hofft, dass für den „Protektor“ eine eigene Norm geschaffen wird. Und er hofft, dass er in Berlin einen Investor findet, der die Schritte zur Serienproduktion mitgeht. Einen Vorteil hat der Textilhelm jedenfalls gegenüber der Styroporschale: Er muss nach einem starken Aufprall nicht weggeworfen werden. Denn die Struktur federt wieder in den ursprünglichen Zustand zurück.

Um Abstandstextilien geht es auch bei einem zweiten Produkt, dass schwäbische Forscher und Unternehmer morgen in Berlin vorstellen: vibrationsdämpfende Handschuhe. Was für den Hobbyhandwerker nur unangenehm ist, kann bei Menschen, die täglich mit Schlagbohrer oder Presslufthammer arbeiten, zu Krankheiten führen. Vibrationen belasten Sehnen und Knochen, erschüttern den Kernkörper, können die Weißfinger-Krankheit auslösen, also schlecht durchblutete Händen.

Tiefe Frequenzen sind schwierig

Mit der Metzinger Firma W & A, namhafter Hersteller von Spezialhandschuhen, haben die Forscher verschiedene Einlagen getestet, auch Schaumstoff. Die bislang produzierten Schutzhandschuhe seien recht steif und beeinträchtigen die Beweglichkeit der Finger, sagt Textilforscher Andreas Scherrieble. Bei bestimmten Frequenzen baue sich die Schwingung sogar auf. Über die Porengröße ließe sich die Härte aber gut dosieren. Der andere Weg wäre, das gleiche Material wie beim Radhelm zu verwenden. Weiches Material sei insofern besser, als es der Vibration ausweiche und sich dann zurückforme, um auf die nächste Welle reagieren zu können. Die große Herausforderung sei, mit tiefen Frequenzen umzugehen, ergänzt Stegmaier. Oberhalb von 100 Hertz werde es einfacher. Es werden also je nach Einsatzbereich unterschiedliche Handschuhe notwendig sein. Für den Einsatz an Motorsägen wird zum Beispiel ein Zusatzfaden aus Aramid eingezogen, der vor der Kette schützt. Die Vibrationsdämpfer könnten nicht nur für Profi-Handwerker interessant sein, sondern auch für Mountainbiker, die mit den Armen Stöße abfangen. Vielleicht gibt es in einigen Jahren das Komplettpaket aus dem Körschtal: textiler Helm oben und handliche Dämpfer am Lenker.