Reiner Strunk befasst sich in seinem zweiten Kirchenkrimi mit dem aktuellen Thema Islam und religiös motivierte Gewalt. Foto: Rapp-Hirrlinger Quelle: Unbekannt

Von Ulrike Rapp-Hirrlinger

Pfarrer Beermann ermittelt wieder: Auch in seinem zweiten Kirchenkrimi schickt Reiner Strunk den evangelischen Gemeindepfarrer Helmut Beermann auf spannende Spurensuche. In „Der Dolch des Patriarchen“ geht der promovierte evangelische Theologe, der in Denkendorf lebt, dem Verhältnis zwischen Christen und Muslimen nach.

Der Zustrom von Flüchtlingen, die dadurch und auch durch Terroranschläge veränderte Haltung zum Islam, die Frage von religiös motivierter Gewalt - all dies spiegelt sich in diesem Buch wider, das so einen sehr aktuellen Bezug hat. Strunks Interesse am Dialog der Religionen - im ersten Krimi stand das Miteinander von Juden und Christen im Mittelpunkt - kommt nicht von ungefähr. Er ist Mitbegründer des Vereins Haus Abraham, der in Denkendorf gegründet wurde und mittlerweile in Stuttgart beheimatet ist. Seinen Namen hat Haus Abraham vom biblischen Abraham, auf den sich Christen, Juden und Muslime als Urvater beziehen. Es hat sich dem friedlichen Miteinander der Religionen verschrieben.

Strunk war dessen christlicher Vorsitzender und ist heute Ehrenvorsitzender. Haus Abraham wolle eine Basis der Begegnung zwischen den Religionen schaffen, um so zum gegenseitigen Verständnis beizutragen, ohne Unterschiede zu verwischen, erklärt der 75-Jährige. Dies thematisiert der Theologe auch immer wieder im Buch. Einen Krimi rein wegen des Knalleffekts oder der Spannung zu schreiben, hätte ihn nicht gereizt, betont Strunk. Vielmehr biete der klassische Detektivroman die Chance, aktuelle Themen aufzugreifen und zu bearbeiten.

Hobby-Detektiv Beermann fällt das Opfer in Person seines Studienkollegen Wackernagel, einem Professor für Kirchengeschichte, direkt vor die Füße - im Rücken einen antiken Bronzedolch. Der Getötete entpuppt sich im Laufe von Beermanns Recherchen als „Muslimfresser“. Was liegt also näher, als einen islamistischen Hintergrund zu vermuten? Doch das Reizvolle am Krimi sei, den Leser auf verschiedene Spuren zu führen und ein Netz nicht unmittelbar sichtbarer Verbindungen zu knüpfen, sagt Strunk. Deshalb besteht die Lösung nicht im Offensichtlichen - eine klare Warnung vor allzu schnellen Urteilen: „Gerade wenn ein Verdacht sich allzu rasch einstellt, ist Vorsicht geboten.“

Und so muss sich der detektivische Dilettant Beermann auf der Spur des Dolches durch allerlei Windungen und Wendungen der Geschichte arbeiten - auf eigene Faust oder gemeinsam mit Kommissar Parler und dessen attraktiver Assistentin Feray, einer in Sindelfingen geborenen jungen Frau mit türkischen Wurzeln. Als schließlich auch noch Wackernagels Frau, die aus Syrien stammende Aisha, zu Tode kommt, ist Beermann zunächst ratlos. Licht ins Dunkel bringt schließlich Wackernagels Sohn Markus. Dieser war Gefangener des Islamischen Staates und ist gemeinsam mit dem Heidelberger Professor für Orientalistik Martin Haller, einem weiteren Studienfreund Beermanns, in den Antikenschmuggel aus dem Irak verstrickt. Bei Strunk aber gibt es kein Schwarz-Weiß: „Natürlich ist der IS der Drahtzieher, aber ich zeige im Buch, dass im Westen die Abnehmer für die antiken Schätze sitzen, und sich Ungutes so in die Hände spielt.“

Dass Flüchtlinge auch Mittler zwischen Religionen sein können, verdeutlicht Strunk an Tariq, der mit seiner Familie aus dem Irak geflohen ist und im schwäbischen Gemeindehaus eine Bleibe gefunden hat. „Er ist mein Nathan der Weise“ sagt der Autor schmunzelnd. Der Christ Tariq hatte in Mossul ein Komitee zur Verständigung zwischen den Religionen gegründet und erzählt Beermann vom guten Miteinander vor dem Krieg. „Es gab dort eine gut funktionierende friedliche Koexistenz, die wir erst lernen müssen“, ist Reiner Strunk überzeugt. Er wolle an der Figur Tariq aber auch zeigen, wie Christen heute in einem der Ursprungsländer des Christentums verfolgt würden.

Reiner Strunk ist mit seinem zweiten Kirchenkrimi wieder ein spannendes Buch gelungen, das dem Leser zugleich vor Augen führt, dass vorschnelles Urteilen und einfache Lösungen gewaltig in die Irre führen können. Der freundlich-grummelige Beermann, der nicht selten am Pfarrers-Alltag leidet und deshalb nur allzu gern den Schreibtisch im Pfarramt oder das Gemeindefest für seine Ermittlungen verlässt, wird noch ein drittes Mal ermitteln. „Es geht um innerkirchliche Konflikte und die Frage, wie es zu Radikalisierung kommt“, verrät der Autor schon mal. Beermanns dritter Fall soll im Sommer erscheinen. Wahrscheinlich sei danach aber Schluss mit den Krimis, sagt der Theologe.

Der Kirchenkrimi „Der Dolch des Patriarchen“ (188 Seiten, 12,99 Euro) ist ebenso wie Beermanns erster Fall „Einer fällt den Baum“ im Neukirchener Verlag erschienen.

Reiner Strunk

Reiner Strunk wurde 1941 in Düsseldorf geboren. Nach Theologiestudium und Promotion in Tübingen war er Gemeindepfarrer in Stuttgart und Studienleiter am Evangelischen Pfarrseminar in Birkach. Von 1997 bis zu seinem Ruhestand 2003 leitete er die Fortbildungsstätte Kloster Denkendorf. Neben theologischen Werken schrieb Strunk unter anderem eine Biografie von Eduard Mörike, einen Band mit biblischen Balladen, Erzählungen, Gedichte, ein Buch über Matthias Claudius und „Tatort Kloster Denkendorf - Unerhörte historische Erzählungen zu den Lutherjahren 1517 bis 1917“.