Seit 50 Jahren trägt Ingrid Bregulla in Denkendorf die EZ aus. Das Laufen tut ihrer Gesundheit gut, deswegen denkt die 76-Jährige noch nicht ans Aufhören. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Harald Flößer

„Willy Brandt wird einstimmig als SPD-Vorsitzender bestätigt“, „Der Astronaut Eugene Cernan unternimmt einen zweistündigen Weltraumspaziergang“, „Die südafrikanische Regierung verweigert US-Senator Robert F. Kennedy die Einreise“. Genau 50 Jahre ist es her, dass diese Nachrichten um die Welt gingen. Ingrid Bregulla hat schon damals dafür gesorgt, dass viele Menschen am frühen Morgen das Neueste aus der Welt und aus der Region erfahren. Am 1. Juni 1966 begann sie damit, in aller Herrgottsfrühe in Denkendorf die Eßlinger Zeitung auszutragen. Obwohl sie schon vor 16 Jahren offiziell in Rente gegangen ist, macht die gebürtige Niedersächsin diesen Job noch heute. „Das hält mich fit“, sagt die 76-Jährige. Sie ist mittlerweile die dienstälteste von allen 350 Austrägern der EZ.

Geboren in Hameln an der Weser, arbeitete Ingrid Bregulla Ende der 50er-Jahre als Hausangestellte in Zürich. In der Schweiz lernte sie ihren späteren Mann Paul kennen, den sie 1961 heiratete. Ein Jahr später zogen sie aus beruflichen Gründen nach Denkendorf. Als das zweite Kind auf der Welt war, drängte es Ingrid Bregulla, sich wieder eine feste Tätigkeit zu suchen. „Ich wollte immer was machen“, erzählt die 76-Jährige.

Ihr Mann hat immer mitgeholfen

Irgendwann im Frühsommer 1966 war sie mit dem Kinderwagen in der EZ-Agentur Deuschle in Denkendorf. Ein damaliger Vertriebsmitarbeiter sprach sie an, ob sie nicht Lust hätte, die Zeitung auszutragen. Am Abend erzählte sie ihrem Mann von dem Angebot. Und als dieser nur sagte, „Das musst du selber wissen“, nutzte Ingrid Bregulla die Chance. Angefangen habe sie mit 180 Zeitungen, berichtet die lebenslustige Seniorin. Getragen habe sie diese in einer Umhängetasche. Das sei damals noch gegangen, erzählt sie. „Die Zeitung war viel dünner und es waren viel weniger Beilagen drin.“ Heute, mit viel mehr Gewicht, könne sie die Aufgabe ohne Wagen nicht mehr erledigen. Ihr Bezirk wuchs mit den Jahren, ein Neubaugebiet kam hinzu, und irgendwann hatte sie in Denkendorf jeden Morgen um die 500 EZ-Abonnenten zu beliefern. Doch alleine schaffte sie dieses Pensum längst nicht mehr. Ihr Mann, der 2010 gestorben ist, stieg mit ein und half ihr beim Austragen. „Er hat es freiwillig gemacht, bevor er um sieben selbst zur Arbeit gegangen ist, und dafür bin ich ihm sehr dankbar“, sagt Bregulla. „Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen gewesen.“ Auf die Hilfe ihres Mannes war sie auch deswegen angewiesen, weil der Job damals viel umfassender war als heute. „Wir haben auch neue Leser geworben und wir haben lange Zeit jeden Monat die Bezugsgebühren kassiert“, berichtet die 76-Jährige. Teilweise seien bei diesen Touren sogar die beiden Kinder dabei gewesen. „Die haben sich gefreut, wenn sie ein Zehnerle Trinkgeld bekommen haben.“

Als dann der automatische Bankeinzug für die Abo-Gebühren kam, sei das eine große Erleichterung gewesen, erzählt Bregulla. Eigentlich habe sie im Jahr 2000, als sie mit 60 in den Ruhestand gegangen ist, aufhören wollen. Aber die Aufgabe war ihr so ans Herz gewachsen, dass sie doch weitermachte. Selbst ein schwerer Herzinfarkt 2004 konnte sie nicht bremsen. Ganz im Gegenteil. „Meine Ärzte haben mir ausdrücklich geraten, weiterhin Zeitungen auszutragen“, erzählt die rüstige Seniorin. „Es war die richtige Entscheidung, denn Bewegung tut mir gut. Und sonst wäre ich bestimmt nie so viel unterwegs.“ Als sie sich vor vier Jahren einer Knieoperation unterziehen musste, pausierte sie zwar eine Weile, doch von ihrer EZ wollte sie nicht lassen.

„Die Winter waren früher viel härter“

Natürlich sei der Job manchmal mühsam. Vor allem wenn es regnet oder wenn man im Winter bei Eis und Schnee ins Rutschen kommt, sagt die Denkendorferin. Aber das komme zum Glück nicht so häufig vor. Früher seien die Winter viel härter gewesen. Seit 50 Jahren beginnt der Tag für sie bereits um halb drei. Einen Wecker braucht sie fast nie. „Da habe ich schon eine innere Uhr.“ Vielen Menschen begegnet sie beim Austragen nicht. Manche lassen sich in den frühen Morgenstunden mit dem Taxi nach Hause bringen. Die ersten Schichtarbeiter machen sich auf den Weg in den Betrieb. „Früher war um diese Zeit mehr los“, erzählt die 76-Jährige. „In den 60er- und 70er-Jahren gab es noch viel mehr Vereinsfeste, da ist bis spät gefeiert worden.“

Nach dem Austragen - sie braucht für ihre Tour etwa zweieinhalb Stunden - gönnt sie sich erst einmal eine Tasse Kaffee und liest ihre Eßlinger Zeitung. „Immer erst die Todesanzeigen und dann den Lokalteil.“ Danach legt sie sich bis etwa 9.30 Uhr nochmal ins Bett. Das genießt sie, denn nach dem zweiten Aufstehen beginnt für sie der Tag noch einmal.

Ihr Bruder fragt sie immer, wann sie endlich ihren Ruhestand genießen wird. Darauf gibt Ingrid Bregulla stets die gleiche Antwort: „Mir tut das Laufen gut und das Gehirn muss man auch ein bisschen anstrengen.“ So lange sie ihre Füße tragen, will sie weitermachen. Viele EZ-Leser in Denkendorf werden es ihr danken, weil sie ein Inbegriff von Verlässlichkeit ist.