Die wenige Wochen alten Babys Nour (von links nach rechts), Tahar und Manar werden am 23.02.2017 auf der Kinder-Intensivstation der Filderklinik in Filderstadt von ihrer Mutter Asma Ben Hadj Mohamed im Arm gehalten. Foto: dpa

Von Greta Gramberg
Die Überraschung war bei Asna Sioud gleich mehrfach gelungen: Während der Arzt bei ihrem ersten Besuch nur einen Herzschlag im Bauch feststellte, sprach er beim zweiten Termin plötzlich von zwei Babys, die in ihr heranwachsen. Erst, als die 35-Jährige ihn ein weiteres Mal konsultierte, bemerkte der Mediziner schließlich, dass sie Drillinge erwartet. „‚Sind Sie sicher?‘, habe ich gefragt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte“, erzählt die Tunesierin auf Französisch – und, dass sie sich vor dem vierten Besuch schon mental darauf vorbereitete, von einem vierten Kind zu erfahren. Es blieb dann aber bei drei Babys, an denen Asna Sioud schon genug zu tragen hatte. Mit ihrem Riesenbauch kam sie schließlich kurz vor Weihnachten 2016 in die Filderklinik in Bonlanden.

„Das ist selbst für Geburtshelfer eine Besonderheit“, sagt Hauke Schütt, leitender Arzt der dortigen Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Denn zum Ersten liegt die Wahrscheinlichkeit von Drillingen in Deutschland bei einer zu 7000 Geburten. Zum Zweiten hat Asna Sioud es mithilfe des dortigen Ärzte- und Schwesternteams auch noch geschafft, ihre drei Kinder nicht per Kaiserschnitt auf die Welt zu bringen, sondern auf natürliche Weise. Am 16. Februar sind die beiden Mädchen Nour und Manar sowie ihr Bruder Taha nacheinander entbunden worden.

Kleine Seltenheiten

Für natürliche Drillingsgeburten gibt es zwar keine Datenbank. Eine Internetrecherche der Filderklinik hat allerdings nur zwei weitere Fälle in den letzten 60 Jahren zutage gefördert, bei denen drei gesunde Babys per Vaginalgeburt auf die Welt kamen. Bei der Entbindung der Sioud-Babys waren schließlich auch 17 Ärzte, Hebammen und Krankenschwestern im Einsatz. Die drei Einwöchigen sind aber aus noch mehr Gründen wahre kleine Wunder. Sie sind „spontan“, das heißt nicht durch künstliche Befruchtung gezeugt worden. Denn auch wenn die Reproduktionsmedizin Mehrlinge zu vermeiden versuche, komme das vor, erklärt Hauke Schütt, und das treibe die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingen nach oben.
Zudem hat der Sioud-Nachwuchs erst in der 35.-Schwangerschaftswoche das Licht der Welt erblickt – und ist deswegen recht kräftig. Die meisten Mehrlinge werden früher geholt. „Die Frühgeburt ist die schlimmste Einschränkung, die man Kindern antun kann“, erklärt dazu Facharzt Schütt. Dass Nour, Manar und Taha mehr Zeit im Mutterleib hatten, ist dem Team der anthroposophische Filderklinik zu verdanken, die neben der Schulmedizin ergänzend alternative Heilmethoden praktiziert. Hier gebe es wenig Frühgeburten, sagt Hauke Schütt. „Was zu tun ist bei den Frauen, ist dafür zu sorgen, dass sie ihre Kinder nicht bekommen.“ Die Filderklinik habe Konzepte, um die Leute in den Stand zu versetzen, die längere Schwangerschaft auszuhalten. Denn das Problem sei, dass man mit Medikamenten wenig tun könne, es gebe nichts, was um mehr als 48 Stunden verlängere.
„Es geht um Beruhigung der Mutter, die Mutter dazu zu befähigen, auf sich zu vertrauen“, so Schütt. Sein Kollege Dieter Ecker, Leiter der Neonatologie, ergänzt: „Wir sprechen nicht über Risiken, sondern Chancen. Das beruhigt den Bauch.“ Statt der täglichen Untersuchung des Muttermundes gibt es Angebote wie Musik- und Bewegungstherapie oder Aurum-Lavendel-Auflagen auf den Bauch. Ausschlaggebend ist den Ärzten zufolge aber auch das Verhalten der Mutter gewesen, die ab dem 20. Dezember im Bett liegen bleiben musste, sehr geduldig gewesen sei und alles mitgetragen habe.

Gefühl der Sicherheit ist wichtig

Asna Sioud fühlt sich sicher in der Filderklinik. Die Leute würden immer Lächeln, erzählt sie. „Jeden Tag fühle ich mich besser.“ Trotz der Drillingsgeburt hat sie keine Verletzungen und kann sich gut um die Kinder kümmern. Sie selbst könnte schon nach hause und auch ihre zwei Mädchen Nour, die mit 2440 Gramm um 12.20 Uhr zur Welt kam und Manar, die mit 2090 Gramm um 13.28 Uhr folgte, machen sich gut. Nur ihr Brüderchen Taha, der um 13.38 Uhr mit 1715 Gramm der Letzte war, schwächelt noch ein wenig: Er wird mittels Magensonde gefüttert, weil er es noch nicht schafft, selbstständig zu trinken. Nach Schätzung von Silke Besemer, leitende Schwester der Neonatologie, kann die Familie vielleicht in einer Woche nach hause.
Wenn Asna Sioud ihre drei Babys im Arm hält, hat sie keine Hand zur Begrüßung frei. Die Kleinen haben kleine Aufkleber mit Nummern zur Unterscheidung auf ihren Häkelmützchen. Ihre Mama kann sie aber auch so unterscheiden, sagt sie: Schließlich sind die drei auch keine eineiigen Zwillinge, ergänzen die Ärzte. Angst vor dem Alltag mit den Drillingen hat Sioud nicht. Die 35-Jährige hat schon einen vierjährigen Sohn, mit dem sie vor etwas mehr als einem Jahr nach Deutschland gezogen ist. Ihr Mann lebt schon länger hier und hat einen Job bei einem Postunternehmen. „Ich glaube, das wird viel Arbeit“, schätzt die nun vierfache Mama. Und etwas eng. Derzeit wohnt die Familie in einer 40 Quadratmeter-Wohnung in Leinfelden und sucht nach etwas Größerem.