Landwirtschaftsmeister Martin Schnerring ruft die Daten des Melkroboters ab. Auf einen Blick sieht er, ob Menge, Eiweißgehalt und andere Parameter im grünen Bereich liegen. Foto: Kurz Quelle: Unbekannt

Mit dem neuen Melkroboter für seine 70 Kühe ist Landwirt Martin Schnerring hoch zufrieden: Im Stall sei mehr Ruhe eingekehrt und für ihn und seine Familie bedeute die Automatisierung mehr Lebensqualität. Computer und neue Technik sind auf dem Haldenhof in Beuren-Balzholz nichts Neues. Die Investition in den Melkroboter sieht Technikfan Schnerring aber er nicht nur wirtschaftlich, sondern als Beitrag, um die Familientradition weiter zu führen.

Von Roland Kurz

„Hier staunen auch Leute aus Industriebetrieben, was der Roboter am lebenden Objekt auf die Reihe kriegt“, sagt Landwirtschaftsmeister Schnerring. Wenn Lassie oder Christa in die Melkgasse laufen, fährt der Roboterarm laut summend in die Startposition neben dem Euter. Ein Laserstrahl vermisst die Zitzen. Dann rollt ein Bürstenset die Zitzen sauber und stimuliert gleichzeitig die Kuh zur Milchabgabe. Schließlich stülpt der Roboter die vier Melkbecher über die einzelnen Zitzen, klemmt sie fest und fängt an zu pumpen. In transparenten Schläuchen strömt die Milch in den Sammelbehälter mit Waage. Ein Sensor hält sofort den Eiweiß- und den Fettgehalt fest. Außerdem wird die Zahl der abgestoßenen Euterzellen gemessen - ein wichtiger Indikator für die Gesundheit der Kuh. Sämtliche Informationen empfängt Bauer Schnerring sofort auf seinem Smartphone.

Der Roboter, Modell „Astronaut“, arbeitet rund um die Uhr. Jede Kuh kann sich melken lassen, wann ihr danach ist, das heißt, wenn ihr der Euter zu schwer wird. Zwei bis drei Mal am Tag ist normal. Während des Melkvorgangs - er dauert etwa acht Minuten - bedient sich die Kuh an einem Napf, der speziell für sie mit Kraftfutter gefüllt ist.

Der Roboter habe Ruhe in den Stall gebracht, findet Martin Schnerring. Früher seien die Kühe in den Melkstand getrieben worden. „Jetzt ist es für Tier und Mensch wesentlich entspannter.“ Der Roboter wirkt nicht nur im Stall. Keiner aus der achtköpfigen Familie, in der drei Generationen zusammenhelfen, muss morgens um 6 Uhr in den Stall. Und zur Weihnachtsfeier abends um halb sieben war für den Hofchef auch kein Problem mehr. Martin Schnerring achtet sehr darauf, dass er und seine Familie mehr vom Leben haben als die tägliche Arbeit. Er selbst spielt gerne Theater und selbst in den arbeitsreichen Sommermonaten schafft er es, zu den Proben zu gehen. Der Hof sei mehr als Gelderwerb, sagt Schnerring. Zu einem guten Arbeitstag gehöre, abends zum Vesper mit Frau und Kindern zusammensitzen und zu reden.

Auch die 120 000 Euro für den Roboter und die Erweiterung des Stalls betrachtet Schnerring unter familiärem Aspekt. Hätte er nur auf das magere Milchgeld geschaut, hätte er den Hof vielleicht aufgegeben. Aber Sohn Bernd hat Fachkraft Agrarservice gelernt und Tochter Anja macht eine Ausbildung zur Landwirtin. Dass Anja narrisch auf Tiere ist, war ein wichtiger Beweggrund, weiterhin auf Milchkühe zu setzen. Und die Milchkrise? Sieht Martin Schnerring relativ. Wenn er alles rechnet, dann bräuchte er 45 Cent für den Liter Milch, er kommt aber auch mit 35 Cent klar, die ihm Campina zahlt. Der Haldenhof steht eben nicht nur auf einem Bein, sondern hat noch 2800 Legehennen, den Hofladen mit 24-Stunden-Selbstbedienung und die Vesperstube der Senioren Doris und Werner.

Lebensqualität, Zusammengehörigkeit, Tradition stehen auf der einen Seite der Medaille. Als Maschinenschlosser war Martin Schnerring aber lange genug in der Industrie tätig, um Effizienz groß zu schreiben. Über die Milchproduktion hat er jederzeit den Überblick. Neben dem Roboterraum ist das kleine Stall-Büro. Auf dem Monitor zeigen 15 Uhren, ob Menge, Eiweiß und Fett im roten oder grünen Bereich liegen. Auch die Ergebnisse jeder einzelnen Kuh kann er abfragen. Die kommen vom Roboter und vom Sensor am Halsband, das beispielsweise die Kieferbewegungen und damit die Wiederkäu-Aktivität anzeigt. Die Analysen vom Milchwerk ergänzen die Daten. Mit all diesen Informationen, sagt Schnerring, könne er viel schneller erkennen, ob die Kuh krank sei.

Auch an anderen Geräten sieht man, wie Schnerring effizient und leichter arbeitet. Der Spaltenschieber räumt wie ein Rasenroboter selbsttätig den Mist weg. Mit dem dreirädrigen „Milkshuttle“ verteilt er die auf 42 Grad erwärmte Milch an die Kälber. Längst ackert, sät, düngt und mäht er mit dem GPS-gesteuerten Traktor. Der fährt keine überflüssigen Kurven. Alle Maschinen kauft er gemeinsam mit Bauer Munk aus Owen, das rechnet sich. „Der Schnerring ist ein Spezialtalent“, sagt Gerhard Glaser, Vizepräsident des Bauernverbandes. Er ist sich aber sicher, dass im Landkreis Esslingen bald mehr als drei Melkroboter stehen werden.

Milcherzeugung in Baden-württemberg

Betriebszahl

In Baden-Württemberg gab es im Jahr 2016 insgesamt 40 5000 landwirtschaftliche Betriebe. Davon halten etwa 7500 Betriebe Milchkühe. Die aktuelle Zahl liegt bei 344 000 Rindern. Im Landkreis Esslingen gibt es noch etwa 200 Rinderhalter, davon 174 Milchviehbetriebe mit 3246 Kühen (Kreisstatistik von 2015). Etwa 35 Prozent der Betrieb im Landkreis wirtschaften im Haupterwerb, die übrigen im Nebenerwerb.

Strukturwandel

Die Geschwindigkeit des Strukturwandels, also der Hofaufgabe, hat sich laut Gerhard Glaser, Vizepräsident des baden-württembergischen Bauernverbandes während der Milchkrise fast verdoppelt. Vor zehn Jahren zählte man im Land noch knapp 12 700 Milchviehbetriebe mit gut 360 000 Kühen. Im Schnitt hält in Baden-Württemberg ein Milchbetrieb 46 Kühe, in Mecklenburg-Vorpommern sind es 227 Tiere im Schnitt.

Milchmenge

Im Jahr 2016 wurden in Baden-Württemberg 2,4 Millionen Tonnen Milch produziert. Eine Kuh lieferte im Schnitt 6980 Liter Milch.

Milchpreis

2014 zahlten die Molkereien in Baden-Württemberg im Schnitt 41,1 Cent pro Kilo Milch. Im Juli 2016 lag der Milcherzeugungspreis bei nur noch 24,1 Cent pro Kilo. Im November erreichte der durchschnittliche Kilopreis wieder 32,2 Cent.