Die Müllgebühren variieren bundesweit stark. 14.65263157894726 Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Patrick Kuolt

Grund- oder Grunderwerbsteuer, verschiedene Versicherungen, Strom- und Wasserkosten: Jeder Haushalt in Deutschland muss regelmäßig eine Reihe von Nebenkosten bezahlen. Dazu zählen auch Gebühren für Straßenreinigung und Müllbeseitigung. Vor allem die Kosten für letztere sind ein Reizthema. Denn die Gebühren für die Abfallentsorgung schwanken im bundes- und landesweiten Vergleich enorm. Wie groß die Unterschiede sind, zeigt eine unlängst veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), in der die Müllabfuhrkosten 100 deutscher Großstädte miteinander verglichen wurden. Der Eigentümerverband Haus & Grund hatte die Erhebung in Auftrag gegeben. „Bisher konnten sich die Städte und Kommunen hinter ihren Gebühren und Satzungen verstecken. Niemand hat klare Aussagen dazu gemacht, wie die Zahlen zustande kommen. Mit dem Müllgebührenranking wollen wir das Thema für den Verbraucher transparenter machen“, erklärt Gordon Gross, Referent für Politik und Kommunikation bei Haus & Grund.

Das IW analysierte für die Studie ein halbes Jahr lang die Satzungen der vertretenen Städte, Landkreise und Kommunen und entwickelte anschließend ein Modell, auf dessen Basis die Gebühren nun miteinander verglichen werden können. Das Ergebnis: Esslingen landete in dem Müllgebührenranking als günstigste Stadt des Landes mit einem geschätzten Wert von 208 Euro pro Jahr bei wöchentlichem Vollservice auf Platz 13. Vollservice bedeutet, dass der Transport der Restmüll- und Biotonnen vom Standort auf dem Grundstück zum Abfuhrfahrzeug komplett vom Abfuhrpersonal übernommen wird. Die Landeshauptstadt Stuttgart platzierte sich mit rund 256 Euro ebenfalls im oberen Viertel und kam auf Rang 21. Ludwigsburg (420 Euro), Tübingen (403 Euro) und Reutlingen (456 Euro) landeten dagegen weit hinten. Die bundesweit höchsten Entsorgungskosten hat laut der Studie Leverkusen mit knapp 909 Euro pro Jahr.

Erstaunliche Differenzen

Der Untersuchung wurde ein Musterhaushalt mit einer vierköpfigen Familie zugrunde gelegt - zwei Erwachsene und zwei Kinder. Diese Differenzierung ist notwendig, weil in einigen Städten die Personengebühren altersabhängig sind. Bei der Müllmenge wurde ein Verbrauch von 60 Litern Restmüll und 20 Litern Biomüll je Haushalt pro Woche und zwei Kubikmetern Sperrmüll pro Jahr angenommen. Das Fassungsvermögen der Restmülltonne wurde zur Gebührenberechnung auf 80 Liter pro Woche festgesetzt. Zudem wurden der Serviceumfang und der Abholrhythmus berücksichtigt. Servicevarianten, die in einer Stadt nicht angeboten werden, wurden für die Studie anhand der vorhanden Zahlen für die weiteren Angebote geschätzt. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller betonte bei der Veröffentlichung der jährlichen Abfallbilanz des Landes Anfang August zwar, dass die großen Differenzen in den einzelnen Kreisen auf den ersten Blick zwar erstaunlich wirkten. „Allerdings unterscheiden sich die Strukturen zum Teil erheblich, dies muss man berücksichtigen.“ Die Größe eines Kreises spiele ebenso eine Rolle wie die Bevölkerungsdichte oder die Frage, wie in den einzelnen Kreisen die gewerblichen Abfälle entsorgt werden.

Auch Frank Lorho, der stellvertretende Pressesprecher des baden-württembergischen Umweltministeriums, kritisiert die Studie deshalb massiv. „Es funktioniert meiner Meinung nach nicht, mit hypothetischen Werten zu arbeiten. Müllgebühren gegenüberzustellen, ist wie Äpfel und Birnen zu vergleichen - das geht nicht. Das ist, als würde man einen Kleinwagen mit einem großen Oberklassewagen vergleichen, weil das Leistungsniveau je nach Stadt oder Kreis stark variiert. Oft wird die Mülltonne im Keller abgeholt und Treppen hochgeschleppt, in anderen Städten müssen die Menschen die Tonnen selbst vor die Tür stellen“, sagt Lorho und ergänzt: „Es sind so viele Faktoren, die da einfließen. Dass da Preisunterschiede entstehen, ist vollkommen nachvollziehbar. Die Vielfalt an Leistungen und auch strukturelle Unterschiede machen es deshalb fast unmöglich, einen Vergleich zu ziehen.“

Argumente, die Gordon Gross nicht gelten lässt. „Dass es Unterschiede gibt, ist zweifellos richtig. Aber die Ergebnisse der Studie sind sorgfältig recherchiert und absolut belastbar“, betont der Haus & Grund-Referent und fügt hinzu: „Es ist ganz normal, dass sich jetzt gerade die Städte melden und beschweren, die hinten gelandet sind. Aber es gibt auch andere Beispiele wie Hannover. Die Stadt hat schlecht abgeschnitten und umgehend das IW damit beauftragt, herauszufinden, woran es liegt, dass die Kosten so hoch sind. Wir haben also bereits etwas mit unserer Arbeit erreicht.“ Wie die großen Gebührenunterschiede entstehen, kann sich aber auch Gross nicht erklären: „Es gibt natürlich einen Grund, aber keinen klar ersichtlichen. Ich gehe aber davon aus, dass es damit zu tun hat, wie gut die Müllabfuhren organisiert sind.“

Einem weiteren Grund will das Bundeskartellamt im Herbst mit einer Sektorüberprüfung nachgehen. „Wir beobachten die Branche schon seit längerer Zeit. Wo es derart große Gebührenunterschiede gibt, kann normalerweise etwas nicht zu 100 Prozent stimmen, da wird oft nicht solide gewirtschaftet“, sagt Kay Weidner, der Pressesprecher des Bundeskartellamts. Die Bonner Wettbewerbsbehörde will deshalb die Ausschreibungen der Städte und Kommunen für die Müllentsorgung genauer unter die Lupe nehmen. „Mehr können wir nicht tun, weil wir gesetzlich nicht befugt sind, uns mit den Strukturen auseinanderzusetzen. Das obliegt der kommunalen Aufsicht“, erklärt Weidner.

Wettbewerb wird verhindert

Die Kommunen müssen zu vergebende Leistungen wie die Abfallwirtschaft nicht öffentlich ausschreiben. Die Vergabe erfolge meist Inhouse, sprich die Kommune übernehme alles selbst. „Das ist einerseits vollkommen in Ordnung und legitim, andererseits wird dadurch Wettbewerb verhindert und die Verbraucher bekommen möglicherweise nicht den günstigsten Preis, der möglich gewesen wäre“, sagt Weidner und ergänzt: „Wir werden überprüfen, warum das der Fall ist.“ Dabei stehen dann auch die großen privaten Müllentsorger - Remondis, Suez, Veolia oder Alba -, die rund 90 Prozent des Marktes kontrollieren, auf dem Prüfstand. Denn nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebunds nehmen auch Kommunen und kommunale Unternehmen als Auftraggeber eine wachsende Konzentration auf dem Markt wahr und beklagen Preissteigerungen bei den privaten Entsorgungsleistungen. „Vor diesem Hintergrund erwägt auch eine wachsende Zahl von Kommunen die Sammelleistungen wieder in die eigene Hand zu nehmen, um nicht privaten Oligopolpreisen, die zulasten der Bürger gehen, ausgeliefert zu sein.“