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Von Sabine Försterling

Vor dem Saal des Amtsgerichts Esslingen herrschen strenge Sicherheitskontrollen: Ausweise werden fotokopiert, Taschen und Jacken müssen abgegeben werden und der Detektor kommt zum Einsatz. Ein Montenegriner, der in Esslingen geboren und aufgewachsen ist, muss sich wegen 26 Straftaten verantworten. Doch außer den Prozessbeteiligten verfolgten nur Journalistin und ein weiterer Interessent die Verhandlung.

Der 36-jährige Angeklagte soll 2014 Verwaltungsangestellte, Polizeibeamte, Richter und Politiker, darunter Ostfilderns Oberbürgermeister Christof Bolay und die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Landtags, Beate Böhlen, beleidigt haben. Der Mann ist mehrfach wegen Drogenbesitzes vorbestraft. Er redet wie ein Buch, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und meint immer wieder, dass ihm Unrecht und Willkür widerfahren sei.

Der Staatsanwalt wirft dem 36-Jährigen vor, er habe Mitarbeitern des Amts für Zuwanderung und Integration in Ostfildern eine Vielzahl von Sprachnachrichten und Mails geschickt, in dem diese nicht nur als asozial, sondern auch als Lügner, Straftäter sowie Rassisten betitelt wurden. OB Bolay soll der Angeklagte Strafvereitelung im Amt vorgeworfen haben. An ein Kontaktverbot, sich nicht mehr telefonisch, sondern nur noch schriftlich bei der Behörde zu melden, hielt sich der ungelernte Arbeiter, der noch im Haus der Eltern lebt, nicht. Eine Verwaltungsangestellte habe sich anschließend nicht mehr getraut, in ihrer Freizeit zu joggen. Zum Einkaufen habe sie immer jemanden mitgenommen, schilderte der Staatsanwalt.

Dem Regierungspräsidium in Karlsruhe soll soll der Angeklagte gedroht haben, „Ich komme und laufe Amok“, die Landtagsabgeordnete Beate Böhlen habe er als Nazi bezeichnet. Als wieder einmal ein Verfahren wegen Drogenbesitzes eingeleitet worden war, soll der ermittelnde Beamte vom Angeklagten etwa 1500 Anrufe und SMS erhalten haben, unter anderem mit der Mitteilung „Ich bin bereit zu sterben, ich nehme Euch mit“.

Der 36-Jährige soll auch einen Richter des Amtsgerichts Esslingen, der ihn bereits wegen Beleidigung verurteilt hatte, beleidigt und dessen Familienangehörige in ein Drohszenario einbezogen haben. Andreas Arndt, Direktor des Amtsgerichts und Richter in diesem Verfahren, verbat sich vom Angeklagten ausdrücklich die zahlreichen Anrufe, die er nun erhalte. „Was erhoffen Sie sich eigentlich von all dem“?, forschte Arndt immer wieder nach. Der Angeklagte monierte indessen immer wieder, dass er keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis wie seine Familie habe, dass er nur als Straftäter geduldet werde, dass er zu Unterschriften genötigt und seinen Rechtsmitteln beraubt worden sei.
Auf Fragen des psychiatrischen Sachverständigen Hermann Ebel wollte der 36-Jährige nicht antworten. In den vorangegangen Strafverfahren hatten die damaligen Gutachtern eine psychische Störung diagnostiziert. Davon wollte der Angeklagte nichts wissen, denn es gehe um die Wahrheitsfindung. Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah hat seine Verteidigung übernommen. Der Karlsruher Anwalt wurde bundesweit bekannt, weil er den bayerischen Innenminister Joachim Hermann ungestraft ein „ganz wunderbares Inzuchtsprodukt“ genannt hatte. Hermann hatte Roberto Blanco als „wunderbaren Neger“ bezeichnet. „Haben Sie konkrete Hinweis für die Rassismus-Vorwürfe?“, fragte der Jurist seinen Mandanten. Das verneinte dieser. Er konnte auch nicht sagen, warum er sich mit 16 Jahren nicht einbürgern ließ. Der Prozess wird am Freitag, 31. März, fortgesetzt