Der traditionsreiche Kraftwerkstandort zwischen Altbach und Deizisau ist über die Jahrzehnte gewachsen. Nun gibt es vor allem schlechte Nachrichten für die Gemeinden. Foto: EnBW Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

Die Rauchzeichen über dem Himmel zwischen Altbach und Deizisau ließen den ein oder anderen Bürger schon schlechte Neuigkeiten vom EnBW-Gelände erahnen: Denn aus einem der Kraftwerksschornsteine kommt schon seit mehreren Monaten kein Rauch mehr. Tatsächlich handelt es sich dabei um den Steinkohleblock 1, den, wie gestern bekannt wurde, der Energiekonzern nicht mehr betreiben möchte. Dass kein Rauch mehr zu sehen war, hatte mit der jüngsten Entscheidung allerdings nichts zu tun, versicherten die Firmenvertreter vor Ort. „Aktuell gibt es einen Schaden im Heizkraftwerk 1“, erklärte Wolfgang Sailer, Produktionsleiter des EnBW-Standorts Altbach/Deizisau. Er habe sich im Oktober ereignet, die Reparatur ziehe sich hin.

2016 war das Heizkraftwerk 1 (HKW 1) auch deswegen nur etwa 1300 Stunden in Betrieb, in den Jahren zuvor waren es für gewöhnlich 3000 bis 4000 Betriebsstunden. „Wir stellen fest, dass der Einsatz unserer Kraftwerke insgesamt zurückgeht“, sagte Rolf Seeger, Leiter der konventionellen Produktionssparte der EnBW. Die Energiewende und der günstige Strompreis machen Steinkohlekraftwerke betriebswirtschaftlich wenig rentabel. Eine eingehende Analyse der Wirtschaftlichkeit bis zum technischen Lebensdauerende des Kraftwerkes irgendwann in den 2030er Jahren ist einer Pressemitteilung zufolge dem Entschluss des EnBW-Vorstandes vorangegangen. Auch Alternativen seien geprüft worden. Mit der Schließung des Blocks in Altbach/Deizisau würde die EnBW ihr Steinkohleangebot um 40 Prozent im Vergleich zu 2013 reduzieren.

Nun liegt es an der Bundesnetzagentur und dem Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW, der die Systemrelevanz der Anlage prüft, ob sie tatsächlich vom Netz gehen kann. Denn für Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, werden konventionelle Kraftwerke, die in die Netzreserve überführt wurden, auf Abruf angeworfen, um die Energieversorgung zu sichern. „Wir gehen davon aus, dass in Süddeutschland Bedarf besteht“, sagte Rainer Allmannsdörfer, Leiter der EnBW-Vermögensverwaltung, beim Pressegespräch im Infocenter des Kraftwerksgeländes zur Wahrscheinlichkeit, dass auch das HKW 1 erhalten bleibt. Für die 70 Mitarbeiter, die dem Block zugeordnet sind, würde sich dann nichts ändern, weil Wartung und Betrieb auf Abruf nach Angaben Seegers die volle Mannschaft vor Ort nötig machen. Die Betriebskosten einschließlich der Gehälter würde allerdings nicht mehr die EnBW sondern die Bundesnetzagentur tragen.

Die Erfahrung aus den sieben Anlagen der EnBW in Heilbronn, Marbach und Walheim, die seit 2013 in diese Kategorie eingeordnet wurden, ist, dass sie nur wenig benötigt werden - 2016 im Schnitt 200 Betriebsstunden. In der langen kalten Phase im Januar seien sie dagegen ganze Wochen gelaufen, erklärte Seeger. Ein Kraftwerk anzuwerfen dauert: Standortchef Sailer spricht von 24 Stunden Vorlaufzeit bei einem Kaltstart.

Zwar sichert der Konzern zu, dass, egal ob das HKW 1 im Standby-Modus bleibt oder stillgelegt wird, keine betriebsbedingten Kündigungen stattfinden. Die 70 betroffenen Mitarbeiter, die gestern Morgen informiert wurden, sind aber dennoch nicht glücklich. „Es war eine deutliche Betroffenheit zu spüren“, sagte Betriebsratsvorsitzender Joachim Rudolf. Auch der Betriebsrat sei nicht glücklich mit der Entscheidung. Jetzt müsse man versuchen, vernünftig gemeinsam Lösungen zu finden. Denn sollte der Block nicht auf Reserve sondern stillgelegt werden, gebe es zwar keine betriebsbedingten Kündigungen. Doch mit den Mitarbeitern müssten Regelungen zur Altersteilzeit, Abfindungsangebote oder Wechsel an andere Standorte vereinbart werden.

Wichtig ist dem Konzern die Nachricht, dass die Fernwärmeversorgung trotzdem erhalten bleibt: Das Heizkraftwerk 2 am selben Standort bleibt in Betrieb und kann wie das HKW 1 280 Megawatt Fernwärme auskoppeln. Im Verbund mit den Fernwärmekraftwerken in Stuttgart würden weiterhin alle Kunden in der Region versorgt: 25 000 Haushalte, 300 kommunale Gebäude und 1300 Firmen - darunter Großabnehmer Daimler Benz. „Es gibt keine konkreten weiteren Pläne für den Standort“, betonte Rainer Allmannsdörfer. „Ob sich mittelfristig etwas anderes ergibt, wird man sehen.“

Insgesamt hat der Standort 200 Mitarbeiter und eine elektrische Leistung von 1200 Megawatt. Neben den zwei Steinkohlekraftwerken umfasst es noch drei Gasturbinenanlagen und einen Gas-Öl-Kombiblock, der praktisch bereits stillgelegt ist. Auch sie würden ständig auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft, so Allmannsdörfer.

Stimmen aus den zwei Gemeinden

Eine Reihe Hiobsbotschaften brachte EnBW für Altbach und Deizisau in den vergangenen Wochen. Nachdem die Gewerbesteuerbeträge des Konzerns in den vergangenen Jahren bereits gesunken sind, kam vor kurzem die Nachricht, dass die Gemeinden zu viel bezahlte Steuern in Millionenhöhe samt hoher Zinsen an EnBW zurückzahlen müssen.

In Altbach lösten die Stilllegungspläne kaum Überraschung aus. Seit langem wisse man, dass Kraftwerke am Neckar generell Probleme hätten, erklärt Bürgermeister Wolfgang Benignus. Für die Mitarbeiter sieht der Schultes die Chance, dass sie weiterbeschäftigt werden, und für seine Gemeinde keinen Unterschied in der Ertragssituation, da die Gewerbesteuern von der Lage des Gesamtkonzerns abhängen. „Was eine gute Nachricht ist, ist dass die Fernwärmeversorgung erhalten bleibt“, so Benignus. Alle kommunalen Liegenschaften seien angeschlossen.

Emotionaler antworten die Sprecher der Altbacher Gemeinderatsfraktionen. „Früher war das Kraftwerk ein Standortvorteil. Das hat sich jetzt zu einem Standortnachteil entwickelt“, sagt Hans-Dieter Reeker (SPD) in Bezug auf den Stellenabbau der vergangenen Jahrzehnte, Steuerrückzahlungen und die neueste Nachricht. Auch Mathias Lipp (UWV) sieht den traditionsreichen Kraftwerksstandort Altbach - 1899 wurde das erste Wasserkraftwerk gebaut - nun doppelt gestraft. „Ich bin von der EnBW enttäuscht“, sagt Helmut Maschler (CDU). Sie pflastere das halbe Tal zu, wofür die Gemeinden ihr immer Flächen vorgehalten hätten, in dem Bewusstsein, dass sich der Standort weiterentwickle. Nun stehe ein Brocken da, der nicht für anderes Gewerbe genutzt werden könne.

Deizisaus Bürgermeister Thomas Matrohs hat die EnBW-Entscheidung überrascht. Er hoffe, dass die Mitarbeiter perspektivisch die gleichen Bedingungen haben und der Produktionsstandort langfristig wirtschaftlich arbeiten könne, um den Gemeinden Gewerbesteuern in die Kassen zu spülen. Einige Gemeinderäte erahnten die schlechten Neuigkeiten bereits. Oliver Krüger (CDU) hat den Betriebsstopp des HKW 1 am fehlenden Rauch aus dem Schornstein bemerkt. Hartmut Fischer (FWG) fürchtet: „Die Energiewende wird in Altbach und Deizisau kräftige Spuren hinterlassen.“