Von Greta Gramberg

Als Außenstehender weiß man nicht recht, ob man lachen oder sich Sorgen machen soll angesichts einer Geschichte, die sich Anfang Dezember in Reichenbach zugetragen hat. Der Kreisvorsitzende der Linken und Bundestagskandidat für den Wahlkreis Nürtingen, Heinrich Brinker, hatte öffentlich in ein Lokal in der Gemeinde an der Fils eingeladen, um über die Positionen seiner Partei zu verschiedenen Themen zu diskutieren. Doch als Veranstalter und Besucher dort ankamen, hätte der Wirt die Gruppe von etwa zehn Leuten am liebsten erst gar nicht ins Haus gelassen.

Nach Angaben der Partei sagte der Inhaber des Lokals, er habe mehrere Anrufe von Reichenbachern erhalten, die wegen der Veranstaltung mit Boykott drohten. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Heinrich Brinker. Er habe den Wirt nicht als unfreundlich empfunden, sondern bemerkt, dass dieser unter Druck stand. Der Mann habe mehrmals gesagt, er lebe doch von den Leuten. Der Clou an der Geschichte sei aber gewesen, so der Linken-Kreisvorsitzende, dass sich der Gemeinderat für später am Abend angekündigt hatte, und der Wirt wollte, dass die Veranstaltung vorher aufgelöst wird. „Wir wollten an dem Abend keinen Ärger machen“, erzählt Brinker. So ist die Gruppe früher aufgebrochen - wobei der Wirt sie wohl im Laufe des Abends wiederholt hinaus komplimentierte.

Der Reichenbacher Bürgermeister Bernhard Richter sieht diese Geschichte eher mit Humor. Auch er war später am Abend in besagtem Restaurant und hat die Ereignisse vom Wirt persönlich erfahren. „Wir haben alle geschmunzelt, als er uns das nach der Sitzung erzählt hat.“ Der Rathauschef macht aber klar, dass der Gemeinderat selbst nicht den Abbruch der Linken-Veranstaltung gefordert hatte: „Vor dem Gemeinderat braucht keiner Angst zu haben, da sind wir tolerant.“ Richter hatte eher den Eindruck, dass dem Wirt bei der Tischreservierung nicht klar gewesen sei, dass es sich um eine Parteiveranstaltung handelte - entweder weil die Gäste es ihm nicht gesagt hatten, oder weil er es wegen der Sprachbarriere nicht verstanden hatte. „Dann haben die Leute angerufen und gefragt: Was machst du?“

Heinrich Brinker betont, dass dem Wirt bei der Tischreservierung eindeutig gesagt wurde, um was für eine Veranstaltung es geht. „So wie ich ihn verstanden habe, hatte er kein Problem mit der Partei, sondern nicht damit gerechnet, dass es Widerstand gibt“, meint der Bundestagskandidat. Wie der Restaurantbesitzer tatsächlich zu allem steht, bleibt unklar. Er will sich in der Presse dazu nicht äußern. Auch welche Intention die Anrufer hatten, ist nicht nachzuverfolgen - ob sie das Lokal boykottieren wollten, weil sie die Linke ablehnen, den Wirt eher im Spaß ansprachen oder es kritisieren, dass eine politische Veranstaltung, egal welcher Ausrichtung, dort stattfindet.

Nicht nur ein Witz

Nun kann der Außenstehende über all das schmunzeln: Die Szene hatte sicherlich etwas Komisches, wenn man den Erzählungen von Bernhard Richter zuhört. Auf der anderen Seite hat aber auch Heinrich Brinker Recht, wenn er sagt, das sei eine Situation, die man so nicht stehen lassen dürfe. „Wir haben eine Entwicklung in Deutschland, dass sich Leute nicht mehr trauen, öffentlich politisch etwas zu machen oder Räume zur Verfügung zu stellen“, sagt er.

Das zeigt sich nun im kleinen Reichenbach. Wenn Bürger dafür sorgen, dass der Kreisverband einer Bundestagspartei aus einem Lokal geworfen wird, dann ist das nicht einfach das schrullige Verhalten einiger konservativer Landleute. Es ist auch ein Zeichen dafür, dass immer mehr Menschen die Möglichkeit, sich am öffentlichen Meinungsbildungsprozess zu beteiligen, nicht allen zusprechen wollen. Sie sind also nicht mehr bereit, die Demokratie mit all ihren Konsequenzen zu unterstützen - sondern nur, wenn sie konform mit den eigenen Ansichten gehen. Doch so funktioniert Demokratie eben einfach nicht. Der Außenstehende sollte sich also durchaus auch Sorgen machen.