Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

„Wir suchen das Landschaftserlebnis und wollen Deutschland noch kennen lernen“, sagt Achim Voigt. Gemeinsam mit seiner Frau Marianne Freytag und dem befreundeten Paar Helga und Uwe Möhring geht der 75-Jährige deswegen einmal im Jahr eine Woche Radfahren. Diesmal hat es das Quartett dabei auch in den Kreis Esslingen verschlagen, denn die Reise führt über den Neckartal-Radweg von Villingen-Schwenningen nach Heidelberg. Am vergangenen Mittwoch sind sie bis Plochingen geradelt.

Die Strecke am Neckardamm ab Wendlingen sei sehr schön, erzählen die Radler, die aus der Nähe von Frankfurt am Main und von der südlichen Weinstraße bei Neustadt kommen, am nächsten Morgen in Plochingen. Sie fahren täglich 60 bis 70 Kilometer, bis sie sich abends vor Ort ein Hotel suchen: Fürs Absteigen, um Sightseeing zu betreiben, ist keine Zeit. „Wir betrachten die Landschaft vom Radweg aus“, sagt Voigt.

Urlaub an der frischen Luft

Sie seien den ganzen Tag an der frischen Luft und fühlten sich wohl bei all der körperlichen Bewegung, begründen Helga Möhring (68) und Marianne Freytag (63) die jährlichen Radurlaube. „Es ist toll, weil man direkten Kontakt zu den Menschen hat“, ergänzt Uwe Möhring (72), der es gemeinsam mit den anderen drei Urlaubern auf zwei Rädern schon bis nach Osteuropa geschafft hat. Auch im Kreis Esslingen erproben die Radtouristen lokale Spezialitäten: „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Kutteln gegessen“, erzählt Achim Voigt vom Vorabend. Er wisse nun, was es sei, müsse es aber nicht ständig essen, gibt er zu. Der Trollinger hat ihm dagegen gut geschmeckt.

In Plochingen sind die zwei Paare im Hotel „Princess“ abgestiegen. Es liegt direkt am Neckartal-Radweg und hat ein „Bett + Bike“-Qualitätssiegel des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club), weil es seinen Besuchern etwa abschließbare Abstellflächen für Fahrräder, Werkzeug und Trockenräume für die verschwitzte Kleidung anbietet. Im Sommer seien vier bis acht Radfahrer pro Nacht da, erzählt Stephanie Guilliard, Inhaberin des Hotels. Achim Voigt, Marianne Freytag und das Ehepaar Möhring gehören zur Hauptzielgruppe: Denn vor allem Paare im Alter von 50 bis 70 Jahren sowie Frauen- und Männergruppen kämen auf dem Rad nach Plochingen, Familien mit Kindern und Jüngere eher weniger. Dass der Neckartal-Radweg im vergangenen Jahr zertifiziert wurde, ist für Guilliard bemerkbar: „Insgesamt ist es einfach so, dass mehr Leute auf dem Neckartal-Radweg unterwegs sind und unser Hotel liegt direkt an der Strecke.“

Vier Sterne locken Touristen an

Im Januar 2015 hat der ADFC dem Neckartalradweg vier Sterne verliehen und damit eine hohe Qualität bescheinigt. Seither gehört er zu den 51 Qualitätsradfernwegen in Deutschland und Europa - das habe gezogen, sagt Tanja Gems vom Tourismusmanagement des Landratsamtes Esslingen: „Seither sind mehr Radtouristen unterwegs und die Hotels haben mehr Buchungen.“ Genaue Zahlen der Radtouristen gebe es aber nicht. Der Landkreis gehört zur seit 2013 bestehenden Kooperation der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg und des ADFC Baden-Württemberg mit weiteren Städten und Landkreisen zur Vermarktung der Strecke. Den Reiz des Neckartalradweges würden die Kontraste ausmachen, sagt Tanja Gems, das Zusammenspiel zwischen dichter Besiedelung und Natur.

16 „Bett + Bike“-Betriebe liegen im Landkreis, sodass Urlauber auf Drahteseln fast entlang der gesamten Strecke des Neckartalradweges ein Hotel mit Service für Radler finden. Ganz im Norden in Esslingen können Radler in mehrere Hotels mit speziellem Angebot einkehren. Dazu gehört das Hotel am Schillerpark. Dieses Jahr würden etwas mehr Radler bei ihnen einkehren, berichtet Geschäftsführer Daniel Lorenz. „Ob es an der Zertifizierung des Radweges liegt, kann ich nicht sagen. Vielleicht sind es eher die weltpolitische Lage und das gute Wetter.“ Ganz im Süden des Kreises in Nürtingen liegt das Hotel Vetter. Seit jeher seien Radler bei ihnen eingekehrt, erzählt Inhaberin Margot Vetter. Wie viele genau, das hänge vom Wetter ab und davon, wie viele Zimmer noch frei seien. Denn Radtouristen würden oft erst am Abend der Übernachtung anfragen - und gleich am nächsten Morgen auschecken.

Spontane Hotelsuche

Auch Helga und Uwe Möhring sowie Marianne Freytag und Achim Voigt halten es so. Von Plochingen aus geht es direkt weiter. Die vier wollen es mindestens bis in die Schillerstadt Marbach schaffen. Ein wenig Kritik am Neckartal-Radweg lassen sie da, bevor sie losfahren: Um autoreiche Straßen zu vermeiden, führe er teils über bergige Umwege, die die Radler ohne E-Bike anstrengend finden. „Wir fahren dann auf der Landstraße weiter“, sagt Voigt. Zudem bemängelt er, dass sich das gastronomische Angebot teils sehr in Grenzen halte. Vor Plochingen habe es eine Durststrecke von zehn Kilometern gegeben, ohne Möglichkeit in einem Biergarten etwas zu trinken.

Tanja Gems vom Landratsamt kündigt an, dass der Radverkehr im Kreis weiter verbessert wird. Dabei werde die Radkonzeption, die kürzlich unter Mithilfe von Bürgern erstellt wurde, helfen. Laut Gems soll etwa die Einbindung von Biergärten und Rastmöglichkeiten weiter ausgebaut werden.

Ausflugstipps

Der Neckartal-Radweg ist 367 Kilometer lang und verläuft vom Neckarursprung im Schwenninger Moos nach Mannheim. Im Kreis Esslingen führt er von Neckartenzlingen bis Esslingen.Die gesamte Tour kann in bis zu 18 Etappen unterteilt werden. Vorschläge finden sich auf der Homepage zum Neckartal-Radweg. Dazu gehört auch die 25 Kilometer lange Strecke von Nürtingen bis Esslingen (siehe Karte).

Der Weg ist beschildert und markiert mit dem Logo des Neckartal-Radwegs. Zudem gibt es Karten und Broschüren, die auch über Sehenswürdigkeiten, Übernachtungsmöglichkeiten und Gastronomie Auskunft geben. Weitere Informationen zum Neckartal-Radweg gibt es im Internet unter www.neckartalradweg-bw.de, „Bett + Bike“-Übernachtungsmöglichkeiten finden Touristen unter www.bettundbike.de.

Weitere touristische Radrouten im Landkreissind der Lauter-Alb-Lindach-Radweg und der Württembergische Weinradweg.