Während der Fastenzeit heißt es für viele, Verzicht zu üben - zum Beispiel auf derart verführerische Süßigkeiten. Foto: EZ - Archivbild: dpa

Von Miriam Schröder

Nur gucken, nicht anfassen und schon gar nicht reinbeißen, heißt es ab heute wieder für Willensstarke, die gestern noch ohne schlechtes Gewissen in ihren marmeladengefüllten Berliner gebissen haben. Denn es ist wieder so weit: Der Aschermittwoch läutet die Fastenzeit ein. In der Tradition des fastenden Jesus in der Wüste sowie zur Vorbereitung auf die Osterzeit beschließen viele Menschen, sich in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag im Verzicht zu üben. Dabei stehen längst nicht mehr streng katholische Enthaltsamkeitsregeln im Vordergrund. Egal ob Heilfasten, Verzicht auf Süßigkeiten, Zigaretten, Alkohol, Whatsapp oder Fernsehen - der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

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In der katholischen Kirche war das Fasten früher eine Pflicht, die strengen Regeln unterworfen war. Das ist heute nicht mehr so. Für den katholischen Dekan Paul Magino dient die Fastenzeit vor allem der Vorbereitung auf Ostern. Deswegen steht für ihn die Besinnung auf das Wesentliche im Leben im Vordergrund. „Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, sich zu überlegen: Wovon lasse ich mich treiben? Was tue ich wirklich selbstbestimmt und in vollem Bewusstsein? Welche Bereiche meines Lebens werden schon längst fremdbestimmt?“ Der Pfarrer aus Wendlingen entscheidet sich deswegen auch dieses Jahr wieder dafür, dem Alkohol sieben Wochen lang zu entsagen. Für ihn ist es wichtig, das Thema Fasten in der Gemeinde anzusprechen, auch, weil der Verzicht viel leichter fällt, wenn man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann. „Es ist außerdem schön, wenn der Einzelne durch die Gemeinschaft getragen wird“, findet Magino.

Der evangelische Pfarrer Christof Herrmann sieht das ganz ähnlich. Auch er thematisiert das Fasten in den Predigten in der Esslinger Johanneskirche. „In der Fastenzeit auf etwas zu verzichten, ist eine tolle Möglichkeit, um einmal innezuhalten und Gewohnheiten abzulegen, die einem eigentlich gar nichts geben.“ Man könne versuchen, seinen Alltag bewusster zu gestalten und unnötige Zeitfresser aus der Tagesordnung zu verbannen. Eine Zeit lang zum Beispiel auf Fernseher oder Computer zu verzichten, schaffe oft mehr Raum für Gebete und stille Momente. Und die müsse es im Leben nun mal geben. „Das Kirchenjahr ist für viele Menschen eine gute Hilfestellung, ihr Leben zu strukturieren. Der Kalender erinnert daran, dass Feiern zwar seine Zeit hat, nachdenkliche Momente aber genauso wichtig sind“, erklärt Herrmann. Er selbst verzichtet in der Fastenzeit regelmäßig auf Süßigkeiten. Das habe neben den gesundheitlichen Vorteilen auch einen anderen Effekt. Der Ostersonntag könne so noch mehr zu einem schillernden Fest werden. Zu der Freude über die Auferstehung Christi komme dann ja schließlich noch die Freude über die erste Süßigkeit nach sieben Wochen der Enthaltung.

Unabhängig von religiösen Motiven bietet sich die Fastenzeit als Startpunkt für ein gesünderes Leben an. Auch aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive sind einige Ideen unterstützenswert. „Der Verzicht auf Alkohol, Zigaretten oder Süßigkeiten ist natürlich immer gut, auch wenn es nur für ein paar Wochen ist“, erklärt Ernährungsberaterin Anneliese Albrecht. Die sogenannte Nulldiät oder auch das Heilfasten hält die Beraterin der AOK Neckar-Fils jedoch oft für den falschen Weg. Dabei verzichtet man je nach Konzept auf jegliche Nahrung oder beschränkt sich auf eine sehr geringe Kalorienzufuhr. „Oft fastet man ja, um der ständigen Überlastung des Körpers entgegenzuwirken. Dabei vergisst man leicht, dass die Umstellung auf den völligen Verzicht für den Körper zunächst ebenfalls eine starke Belastung bedeutet“, erläutert Albrecht. Trotzdem gebe es natürlich einige Fälle, in denen Heilfasten durchaus Abhilfe schaffen kann - beispielsweise bei Hautproblemen. Außerdem könne der tagelange Verzicht auch dazu führen, nach der Fastenzeit bewusster zu essen und auch wieder mehr zu schmecken.

Dennoch: Egal, wie nachhaltig der Erfolg auch sein mag, die Fastenzeit kann genutzt werden, um versuchsweise auf etwas zu verzichten. Und wer weiß: Vielleicht merkt man ja, dass man auf einiges gänzlich verzichten kann, ohne dabei an Lebensqualität zu verlieren.

Tipps zum heilfasten

Wer sich fürs Heilfasten entscheidet, sollte einige Regeln beachten. AOK-Ernährungsberaterin Anneliese Albrecht rät davon ab, einen Komplettverzicht ohne ärztliche Beaufsichtigung anzugehen. Kinder oder ältere Menschen sollten sowieso von radikalen Fastenkuren absehen. Das passende Konzept hängt zudem von der Leistungsfähigkeit der betroffenen Person ab. Außerdem ist es wichtig, immer genug Wasser oder Tee zu trinken, um nicht Gefahr zu laufen zu dehydrieren. Es ist sinnvoll, zunächst einen Tag auf fettige Speisen, Koffein und Alkohol zu verzichten, bevor man das Essen ganz einstellt. So kann sich der Körper langsam an die Situation gewöhnen. In den ersten Tagen wird dann oft der Darm mittels Einläufen oder Abführmitteln entleert. In den ersten Tagen sind Teilnehmer oft euphorisch, später stellt sich eher Ruhe und Gelassenheit ein. Um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen, sollte man danach vorsichtig wieder mit dem Essen beginnen. Auch nach der Fastenkur gilt es, die Nahrungsmittel sorgfältig und in der richtigen Menge auszuwählen. Letztlich kann das Fasten ein Anstoß sein - was zählt, ist eine dauerhafte Umstellung der Ernährungsgewohnheiten.