(red) - Im November 2015 waren knapp 80 geflüchtete Männer aus Afghanistan, Pakistan sowie aus mehreren Ländern Afrikas in die Gemeinschaftsunterkunft in der Jahnstraße in Scharnhausen eingezogen. Eigentlich sollte die Unterkunft im Mai 2017 geschlossen werden, dann aber beschloss das Landratsamt, dass die Bewohner bereits jetzt ausziehen sollten. Da die freien Plätze in Ostfildern nicht ausreichten, mussten 15 Männer nach Denkendorf umziehen.

Das Ende der Scharnhauser Unterkunft ist für den Freundeskreis Asyl Ostfildern Anlass für eine Bilanz. Das Helferteam hatte die Arbeitsfelder systematisch strukturiert. So startete der Sprachunterricht unmittelbar nach dem Einzug der Männer. Helferteams kümmerten sich um die Alltagsbegleitung, um Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten sowie um Arbeitsplätze. „Die Geflüchteten und die Helfer haben voneinander viel gelernt und es sind Freundschaften entstanden“, berichtet Koordinatorin Susanne Lechler und betont, dass sie die Männer auch künftig unterstützen werde.

Um die Ängste der Nachbarschaft abbauen zu helfen, gab es im Dezember 2015 ein Nikolausfest und im Januar 2016 ein großes Willkommensfest in der Körschtalhalle, für das die Männer eigens einen „Friendship Song“ eingeübt hatten. Auch den Ramadan, einem wichtigen Fest für Muslime, begleiteten Ehrenamtliche und Nachbarn der Unterkunft mit der Teilnahme am abendlichen Fastenbrechen nach Einbruch der Dunkelheit. Ein internationaler Garten, für den die Stadt ein angrenzendes Grundstück zur Verfügung gestellt hatte, ermöglichte den Anbau von Obst und Gemüse und gab den Flüchtlingen so eine weitere Aufgabe.

Praktika und Festanstellungen

Sprachlich haben die Bewohner der Unterkunft große Fortschritte gemacht. Die meisten von ihnen können sich inzwischen auf Deutsch gut unterhalten. Acht Männer aus Afghanistan und Eritrea haben bereits das Sprachniveau B1 erreicht, das als Zugang für den Arbeitsmarkt verlangt wird. Sieben junge Leute besuchen Vorbereitungsklassen sowie Angebote des Garp-Bildungszentrums in Ruit.

Sechs Männer absolvieren eine Ausbildung im Mangelberuf Altenpflegehelfer, einer als Maurer, ein junger Mann aus Kamerun jobbt als Flaschner mit dem Ziel, im September eine Ausbildung zu beginnen. Einige haben Praktika bei Daimler, Festo und der Volksbank absolviert. Traurig und absolut integrationshemmend ist der Fall eines jungen Nigerianers, der trotz eines Arbeitsplatzes und eines unterschriebenen Ausbildungsvertrags als Gemüsebauer nach Italien abgeschoben wurde.

Neun Personen haben inzwischen Festanstellungen. Ein Flüchtling aus Nigeria hat eine Anstellung im IT-Support und konnte eine eigene Wohnung beziehen. Ein Arzt aus Afghanistan arbeitet mittlerweile im Paracelsus-Krankenhaus in Ruit. Das Arbeitsverhältnis eines Pferdepflegers aus Algerien wurde wegen eines laufenden Abschiebeverfahrens aufgelöst.

„Die Scharnhauser Ehrenamtlichen haben einen tollen Job gemacht“, zieht Ursula Zitzler, die Vorsitzende des Freundeskeises, Bilanz. Erneut fordert sie - angesichts der Abschiebungen - Rechtssicherheit für Ausbildung und Arbeit. „ Geflüchtete Menschen dürfen nicht einfach aus ihrer Ausbildung oder Arbeitsstelle herausgerissen werden“, betont sie. „Dies führt dazu, dass Arbeitgeber keine Flüchtlinge mehr einstellen. Und für die geflüchteten Menschen ist eine Ausbildung eine Investition in die Zukunft - selbst wenn sie später Deutschland verlassen müssen. Ein kostengünstigerer und nachhaltigerer Beitrag für eine pragmatische Entwicklungshilfe ist kaum vorstellbar“, hebt sie hervor.