Der Reichenbacher „Russenfriedhof“ soll verlegt werden, weil der Standort am Ende der Filsstraße zu abgelegen ist. Foto: Ait Atmane Quelle: Unbekannt

Von Karin Ait Atmane

Der Reichenbacher „Russenfriedhof“ soll Teil des allgemeinen Friedhofs werden. Die Gemeinde plant deshalb, die Gräber zu verlegen und eine zentrale Gedenkstätte einzurichten. Experten halten das für eine gute Idee.

Vergessen ist er nicht, der sogenannte „Russenfriedhof“ am Ende der Filsstraße: Der Rasen des kleinen Gräberfeldes, das mit Scherenzaun eingefasst ist, ist frisch gemäht. Hier liegen die Gebeine von 28 Menschen, Zwangsarbeiter aus dem großen Lager in Reichenbach und ihre Kinder, die meist kurz nach der Geburt gestorben sind. Es ist ein abgelegener Ort, an dem niemand zufällig vorbeikommt. Würdevolles Verweilen hält sich beim Verkehrslärm der B10 und mit Blick auf einen Lagerplatz sehr in Grenzen.

Warum die russischen Zwangsarbeiter gerade hier bestattet wurden, ist mit Quellen nur schwer zu belegen. Aber man könne schon vermuten, sagt Kreisarchivar Manfred Waßner, dass wie in vielen Gemeinden bewusst eine abgelegene Ecke gewählt wurde. Der Standort sei damit letztlich „Ausfluss der damaligen Diskriminierung“ der Zwangsarbeiter.

Umdenken am Ende des Krieges

Ähnliches vermutet auch Oliver Hornisch, der sich mit der Reichenbacher Ortsgeschichte beschäftigt. Denn die Sterbedaten zeigen, dass zuerst 28 Menschen auf dem „Russenfriedhof“ bestattet wurden, danach in den Jahren 1944 und 1945 noch weitere elf auf dem Gemeindefriedhof. Möglicherweise habe da ein Umdenken stattgefunden, meint Hornisch.

Für nicht besonders pietätvoll hält Waßner die Lage des Friedhofs auch wegen der oben beschriebenen Umgebung, zumal es keinen direkten geschichtlichen Bezug gebe. Zwar lag das Zwangsarbeiterlager zwischen Fils und Bahngleisen, allerdings viel weiter westlich, weshalb eine Gedenktafel an der Bahnhofsunterführung darauf hinweist. Und wenn das Gewerbegebiet Filsstraße in Richtung Osten erweitert wird, was die Gemeinde vorhat, rückt es noch näher an das Gräberfeld heran.

Eine Verlegung auf den allgemeinen Friedhof sei aus seiner Sicht „kein schlechter Gedanke“, sagt Waßner: „Wichtig ist, dass es entsprechend würdig passiert“ und meint damit sowohl die Umbettung selbst als auch das Gedenken. Häufig begegnet sei ihm dieser Vorgang aber noch nicht, wenn, dann habe es sich um Einzelgräber gehandelt.

Das Regierungspräsidium muss die Genehmigung erteilen und erwartet dafür einen Entwurf, wie die Gedenkstätte aussehen soll.

Darüber wird sich nun nach dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderats der Reichenbacher Landschaftsplaner Harald Fischer zusammen mit einer Mitarbeiterin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Gedanken machen. Mit dem Volksbund hat die Gemeindeverwaltung schon im Vorfeld Kontakt aufgenommen und das Angebot zur Unterstützung in dieser Form erhalten. Wenn möglich, sollten auf den Gräbern Name, Geburts- und Sterbedatum der einzelnen Personen zu lesen sein, ist dem Schreiben der gemeinnützigen Organisation zu entnehmen. Das ist in Reichenbach schon jetzt, soweit die Grabsteine nicht komplett verwittert sind, der Fall.

Die zentrale Gedenkstätte soll auch die elf Zwangsarbeitergräber umfassen, die auf dem allgemeinen Friedhof zu finden sind, allerdings auch sie buchstäblich am äußersten Rand direkt an der Friedhofsmauer. Denkbar sei eine Stele, eine Infotafel oder ähnliches, sagt Kämmerer Wolfgang Steiger. Die Tafel an der Bahnhofsunterführung könnte damit ersetzt oder integriert werden. Sie wurde schon öfter mit Graffiti beschmiert, zudem gilt die auf ihr genannte Zahl von 600 russischen Zwangsverschleppten als zu niedrig. Inzwischen geht man von deutlich mehr als 1000 Zwangsarbeitern in Reichenbach aus.