Benjamin Haar (rechts) besucht auf auf seiner Wahlkampftour die Holzspielzeugfabrik von Sven Grimm. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Roland Kurz

„Hochdorf ist eine graue Maus in der Region Stuttgart“, findet Benjamin Haar. Als Herausforderer des Amtsinhabers muss er an seinem Heimatort herumkritteln - und versprechen, dass es unter seiner Regie besser wird. An diesem Abend sitzt der Geschäftsführer der TSG Reutlingen bei Sven Grimm, dem Geschäftsführer einer Spielzeugfirma. Sie reden über Standortmarketing, neue Gewerbegebiete und Breitbandkabel.

„Was will die Gemeinde sein?“ Auf diese Frage müsse man im interkommunalen Wettbewerb eine Antwort haben, meint der 36-jährige Bewerber, der Sportmanagement und -marketing studiert hat. Hochdorf brauche also ein Leitbild und eine Strategie für seine weitere Entwicklung. Der Ortsentwicklungsplan, der unter Amtsinhaber Gerhard Kuttler erstellt wurde, „greift zu kurz“, sagt Haar, der gelte nur für das Breitwiesen-Areal. Und selbst dort müsse man das Konzept weiter denken. Seniorengerechte Wohnungen in der Nähe der geplanten Pflegeeinrichtung hält der Bürgermeister-Aspirant für eine sinnvolle Ergänzung.

„Mich interessiert, wie es mit Gewerbegebieten weiter geht“, fühlt Sven Grimm dem Kandidaten auf den Zahn. Seine Firma wachse weiter und auch andere benachbarte Unternehmer hätten Flächenbedarf. Neues Gewerbegebiet klar, aber das müsse man richtig steuern, damit man nicht zu viel Verkehr bekomme, erwidert Haar. Also sollte man eher einen Dienstleistungspark anstreben, der nicht so viel Lieferverkehr produziere.

Zum Standort-Marketing gehörten anständige Straßen und ein gutes Breitband-Netz, sagt Grimm. Bisher sei der Internet-Ausbau zäh gelaufen. Er habe sich mit anderen Unternehmern zusammengetan, damit etwas vorwärts gehe. „Ich sehe mich als Kümmerer“, verspricht der Kandidat dem Geschäftsmann. Er wolle „nicht nur verwalten“, sondern sehe sich als Manager auf dem Rathaus. Ihm schwebe ein „Business-Network“ vor, damit die Unternehmen aus Hochdorf und Umgebung ein Forum für den Austausch hätten.

Die Idee findet Grimm nicht so schlecht, bisher komme ihm Hochdorf wie ein „Flickenteppich verschiedener Interessen“ vor. Lokale Produzenten könnten sich ja auch zu einer Art Kooperative zusammentun. „Vielleicht in einem kleinen Laden“, spinnt Haar den Faden weiter. „Und mit kleinem Café“, ergänzt Grimm.

Als weiteren Schwerpunkt nennt Haar den Wohnungsbau. Der Gemeinde sei es in den vergangenen Jahre nicht gelungen, wirklich viel Wohnfläche zu schaffen. Das Areal „Hinter der Mühle“ sei das einzig nennenswerte Neubaugebiet. Sven Grimm stimmt zu, sagt dem Kandidaten aber klar, was er erwartet: „Wer Wohnraum schafft, muss auch für Parkplätze sorgen. Die Autos müssen von der Straße runter in die Garage.“

Freizeitwert hervorheben

Als Elke Grimm zur Gesprächsrunde dazu stößt, diskutiert das Trio noch einmal über das Image und das Potenzial der Gemeinde. „Wer hier durchfährt, gibt Gas und guckt dass er weiterkommt“, findet Elke Grimm. Man müsse mehr fürs Ortsbild tun und die durchaus vorhandenen Highlights richtig präsentieren. Haar stimmt ihr zu: Hochdorf biete einen hohen Freizeitwert, den müsse man deutlich kommunizieren.

Hausbesuche muss ein Bürgermeisterkandidat auf dem Dorf machen. Benjamin Haar klingelt in der Schillerstraße. Christiane Grund öffnet und bittet den Mann in der Jeans und dem legeren Sakko ins Wohnzimmer. Der stellt sich zunächst mal knapp vor: Er sei in Hochdorf aufgewachsen, habe sich beim TV, beim CVJM, im Jugendhaus und in der Agenda-Gruppe engagiert. Seit fünf Jahren sei er Geschäftsführer eines großen Sportvereins und habe dort schätzen gelernt, dass er anpacken und gestalten könne. Ja ja, seine Broschüre habe sie gelesen, bestätigt Christiane Grund, aber sie habe ein paar Fragen.

„Ist das vergleichbar mit dem Bürgermeisteramt?“, will sie wissen. „Ich sehe viele Parallelen“, meint Haar, „man muss sich um Personalführung, um Haushaltsplanung kümmern, muss Moderator sein.“ Er habe die Interessen von 19 Abteilungen unter einen Hut bringen müssen. Sicher gebe es Spezifika einer kommunalen Verwaltung, aber da könne er sich einarbeiten.

Christiane Grund ist kommunalpolitisch interessiert, besucht ab und zu Sitzungen des Gemeinderats und fragt gezielt. „Ist es ein Vorteil, die Strukturen im Ort zu kennen oder ist man da zu stark eingebunden?“ Es sei auf jeden Fall ein Vorteil, dass er den Ort kenne, betont Haar, er könne sein Insiderwissen nutzen. Dass er zu nah an speziellen Interessen sein könnte, glaubt er nicht, und schließlich treffe nicht er die Entscheidungen, sondern der Gemeinderat.

Beim Thema Ehrenamt sind sich die beiden einig. Christiane Grund will einen Ansprechpartner auf dem Rathaus. Haar verspricht Hilfe bei Formalien und Zuschüssen, er denke an eine Koordinationsstelle. Zudem wolle er einen Ehrenamtstag einführen, um das Engagement zu würdigen. Junge Leute wolle er über neue Kanäle ansprechen, einen Newsletter und Facebook.

Bei der Frage, was man tun könne, um mehr Begegnung im Ort zu ermöglichen, beweist der Kandidat Schlagfertigkeit: „Einen Hund zulegen.“ Beide lachen. Dann legt Haar dar, wie er sich den Ortskern vorstellt. Rund um das Breitwiesen-Projekt „Wohnen Plus“, das er gut findet, müsse man noch einiges „andocken“: mehr Wohnungen, etwas Gastronomie, eine Physiotherapiepraxis oder Ähnliches. Zum Schluss des Besuchs fragt Haar: „Was wünschen Sie sich sonst noch von einem Bürgermeister?“ Christiane Grund baucht nicht lange zu überlegen: „Dass er mit Leidenschaft seine Vorstellung vertritt - auch wenn er dabei mal einen Fehler macht.“

Morgen erscheint das Porträt von Amtsinhaber Gerhard Kuttler.