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Von Harald Flößer
Mit Spruchbändern und Trillerpfeifen haben rund 70 Eltern und Kinder vor der Sitzung des Gemeinderats noch einmal lautstark auf ihre Forderungen aufmerksam gemacht: Die Kita-Gebühren in Ostfildern seien viel zu hoch, die Lasten unfair verteilt. Doch konnten sie damit nicht verhindern, dass das Gremium die von der Stadtverwaltung modifizierte Gebührensatzung dem Modell der Eltern vorzog (wir berichteten). Mit 24 von 26 Stimmen (ein Nein, eine Enthaltung) billigte eine klare Mehrheit eine Lösung, die OB Christof Bolay als „klassischen Kompromiss“ bezeichnete. Deutlich höhere Einkommenstufen, die zur Berechnung der Gebühren entscheidend sind, entsprächen viel besser der heutigen Lebenswirklichkeit. Man habe einen Progressionsfaktor berücksichtigt, einheitliche Stundensätze für die Betreuungsangebote vereinbart und bei den Krippen flexiblere Buchungen ermöglicht. Dass nicht der Netto-Lohn als Berechnungsgrundlage dient, wie von den Eltern gefordert, sei dem komplizierten deutschen Steuersystem geschuldet. „Anders ist es verwaltungstechnisch nicht machbar.“
Bolay verwies darauf, dass von den Kosten für die Kinderbetreuung 4000 Euro steuerlich absetzbar seien. Zudem bringe die neue Gebührenordnung eine deutliche Entlastung für Familien mit mehreren Kinder. So verstehe er eine soziale Stadt, so der OB. Allen, die über Monate an der neuen Struktur mitgearbeitet haben, dankte er für ihr Engagement. Doch bedauerte er, dass die Auseinandersetzung zuletzt weniger von Fakten als von Emotionen geprägt gewesen sei. Nicht Internet oder Facebook seien das richtige Forum für die Diskussion über die richtige Gebührensatzung, sondern der Gemeinderat, sagte Bolay. Für den Herbst 2017 kündigte er einen Zwischenbericht an. Dann werde man sehen, wie sich die neue Satzung organisatorisch und finanziell auswirkt.
„Starke Schultern tragen mehr“
Auf eine solche zeitnahe Bilanz pochten Vertreter aller Fraktionen. „Eigentlich würden wir uns eine Senkung der Gebühren wünschen“, sagte Oliver Werner (Grüne). Doch begrüßte er die jetzt gefundene Lösung, weil sie für mehr Transparenz und mehr Gerechtigkeit stehe. Dass sich Ostfildern mit den Kita-Beiträgen auf einem sehr hohen Niveau bewege, sei unstrittig, so Werner. Wenn die Kosten bei der Kinderbetreuung weiter stiegen, müsse man diese mit höheren Steuersätzen begleichen.
Das neue Modell sei zwar transparenter, meinte Elfi Kolm von der CDU, „aber nicht einfacher“. Sie bedauerte, dass die Fronten so verhärtet sind. Die Kritik der Eltern sei in manchen Bereichen durchaus nachvollziehbar. Doch gebe es bei den Entscheidungen im Gemeinderat „nicht nur eine rechnerische, sondern auch eine politische Komponente“. Nach Meinung Kolms ist der Prozess zu mehr Gebührengerechtigkeit aber noch nicht beendet. Die Vorschläge der Eltern seien „in wesentlichen Zügen in das jetzige Modell eingeflossen“, sagte SPD-Stadträtin Stefanie Sekler-Dengler. Dennoch könne sie die Enttäuschung verstehen. Die neuen Gebühren seien flexibler und transparenter und sozial gerecht, weil man dem Prinzip folge: „Starke Schultern tragen mehr.“ Laut Sekler-Dengler ist in der öffentlichen Diskussion viel zu kurz gekommen, dass mit dem neuen System „viele Eltern deutlich gewinnen“. In neun Punkten sieht Joachim Dinkelacker (Freie Wähler) eine Verbesserung zum bisherigen System. Viele Eltern profitierten. Das neue Gebührenmodell sei „zukunftsfähig, damit kann weitergearbeitet werden“. Ein Vergleich mit anderen Städten hat nach Auffassung Dinkelackers „nur geringen informatorischen Wert“. Denn überall herrschten andere Verhältnisse.
Die Bürgerinitiative hält weiter an ihrer Forderung fest. Die Kita-Gebühren müssten auf Landesdurchschnitt gesenkt werden. Man sei froh, dass nun „die Hürde für eine weitere Gebührenerhöhung sehr hoch liegt und eine eine Gebührensenkung erstmals eine mögliche Mehrheit im Gemeinderat bekommt“, schreibt BI-Sprecher Andreas Hahn im Bürgerforum der Stadt Ostfildern. Für den 1. April kündigte er eine weitere Demo an.

Kommentar

von Harald Flößer

Bismarck hat einen bis heute gültigen Satz geprägt: Politik ist die Kunst des Möglichen. Kontrahenten streiten sich. Am Ende steht ein Kompromiss, mit dem alle Seiten irgendwie leben können. Auch die Ostfilderner Bürgerinitiative (BI), die für ein faireres System bei den Kita-Gebühren gestritten hat, sollte sich damit zufrieden geben, was sie erreicht hat. Eine Erhöhung der Beiträge ist vom Tisch. Und die modifizierte Gebührenordnung ist gerechter, transparenter und nachvollziehbarer als die alte.

Aufbegehrt haben in dem Streit vor allem ein paar Dutzend Eltern, die über ein recht gutes Einkommen verfügen und sich nun als Verlierer sehen, weil sie zum Teil stärker zur Kasse gebeten werden. Aber in der Diskussion werden die vergessen, die viel weniger zum Leben haben und für mehrere Kinder sorgen müssen. Sie sind die Gewinner des neuen Systems.

Wegen seiner hohen Kita-Gebühren wird Ostfildern von der Bürgerinitiative als familienunfreundlich gebrandmarkt. Das muss man differenziert sehen. Gut Verdienende zahlen in der Tat mit die höchsten Beiträge in der Region, aber bei Kinderreichen mit geringen Einkünften ist Ostfildern günstiger als etliche andere Kommunen. Das hat schon ein EZ-Vergleich im vorigen Jahr gezeigt.

Ein Weiteres darf bei der Diskussion nicht vergessen werden: Gute Kinderbetreuung hat ihren Preis. Ostfildern hat in den vergangenen Jahren nachweislich viele Millionen investiert, um familiengerechte Angebote zu schaffen. Auch im nächsten Jahr werden 12,8 Millionen Euro ausgegeben, um weitere Verbesserungen zu erreichen. Das muss finanziert werden, und Ostfildern steht finanziell längst nicht so gut da wie etwa die Nachbarn aus Stuttgart, Filderstadt oder Leinfelden-Echterdingen.

„Wir kämpfen weiter“, ließ die BI gestern verlauten. Das ist ihr gutes Recht. Nur hoffentlich mit faireren Mitteln als bisher. Denn bei der bisherigen Auseinandersetzung sind manche Eltern in ihrer Wortwahl weit über das Ziel hinausgeschossen. Stadträte und Mitarbeiter der Verwaltung als Ignoranten und Täuscher hinzustellen, ist nicht in Ordnung. Da mag der Groll über die hohe Gebührenbelastung auch noch so groß sein. Haudrauf-Methoden, wie sie manche praktiziert haben, sind nicht akzeptabel. Damit kommt man in einem demokratischen Prozess auch nicht weiter.

Das jetzige Gebührenmodell ist sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Es werden weitere Korrekturen folgen müssen.