Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

„Hiermit geben wir die Geburt eines strammen Sohnes namens StarBoy bekannt“, schreibt die Familie Electrostar in ihrer Zeitungsannonce. Das Kind von Staubsauger und Saugbohner vereint die guten Eigenschaften beider Elternteile - und ist die perfekte Besetzung für einen lustigen Werbefilm der Reichenbacher Firma im Jahr 1957. Noch heute kann man ihn neben vielen anderen Zeugnissen aus 95 Jahren Electrostar-Geschichte auf dem Facebook-Profil „Der Starmix - Die Sammlerseite“ finden.

All das ist keine Werbekam-pagne von Electrostar. Und auch der Mixer auf dem Profilfoto ist zumindest nicht allein verantwortlich für die Inhalte. Der, der alles zusammenträgt, heißt Patrick Jöckle. Der Behindertenpfleger betreibt die Sammlerseite seit drei Jahren als Hobby - denn er ist ein großer Fan der Starmix-Haushaltsgeräte. Dabei ist der 48-Jährige zu Zeiten, als die Reichenbacher Firma noch Geräte für den Privathaushalt herstellte, nie damit in Berührung gekommen. Jöckles besondere Verbindung dazu nahm erst vor 20 Jahren auf einem Flohmarkt ihren Anfang, als er ein gebrauchtes Gerät kaufte: den Mixer, der heute die Facebook-Seite ziert (Bild unten), ein „MX 420“.

„Ich staunte nicht schlecht über die Kraft, die dieses Gerät in sich verbirgt“, schreibt Jöckle auf seiner Seite. Über die Jahre wuchs seine Sammlung gebrauchter Starmix-Haushaltsgeräte. Hygienische Bedenken hat er nicht: „Das Zeug ist so stabil: Es gibt nichts, was nicht in die Spülmaschine kann.“ Als das Internet das Recherchieren vereinfachte, suchte er nach der Herstellerfirma, nahm 2004 Kontakt auf und besuchte das firmeninterne Museum. Vergangene Woche fuhr Jöckle wieder den weiten Weg von seinem Wohnort in der Südpfalz nach Reichenbach, um sich mit der EZ und erstmals dem Enkel des Firmengründers, Robert Schöttle junior, zu treffen.

„Mit der Küchenmaschine MX3 habe ich gerade Dampfnudeln gemacht“, erzählt der 48-Jährige in dem Ausstellungsraum in der ehemaligen Firmenkantine mit Blick auf das Modell aus den 1960ern. Alle seine Starmix-Geräte vom Mixer bis zum Staubsauger benutzt Patrick Jöckle noch. „Ich bin kein Museum, ich lebe damit ja auch.“ Denn auch Jahrzehnte nach der Produktion laufen die Geräte noch. Darum ist der Mann aus der Pfalz auch nicht der einzige, der noch heute auf die Starmix-Haushaltsgeräte schwört. Dass Electrostar irgendwann keine Haushaltskleingeräte mehr herstellte, darüber trauern im Internet viele. Wer durch das Museum läuft, versteht die Nostalgie: Dort stehen teils verrückte Geräte wie die „Piccolo“-Modelle, die in den 1950er-Jahren Küchenmaschine, Staubsauger und Haartrockner in einem Apparat vereinten. Welches der heutigen Geräte kann das von sich behaupten?

„Dass wir uns auf unsere Ursprünge zurückgezogen haben, hat sich bewährt“, sagt aber Robert Schöttle junior, unter dessen Leitung Electrostar in den 1990er-Jahren die Produktion von Küchenmaschinen einstellte und sich auf die Produktion von Hände- und Hotelhaartrocknern sowie Industriestaubsaugern spezialisierte. Denn ab Ende der 80er-Jahre sei der Markt für Universalküchenmaschinen immer kleiner geworden und einfachere, günstigere Geräte seien entwickelt worden. Schöttle, der mittlerweile die Geschäftsführung abgegeben hat und Beiratsvorsitzender ist, glaubt nicht, dass die Firma Electrostar eines Tages wieder Küchenmaschinen herstellen wird - auch wenn das Unternehmen immer wieder darauf angesprochen wird.

„Das ist auch nicht nötig“, sagt Patrick Jöckle. Denn dank der Langlebigkeit der frühen Starmix-Küchengeräte kann man sie gebraucht oder teilweise in Originalverpackung auf Kleinanzeigen-Websites finden. Auch Schöttles Familie benutzt noch eine alte Starmix-Universalküchenmaschine aus den 1980er-Jahren. Wer Ersatzteile will, falls doch mal etwas kaputt geht, hat es allerdings schwer: Die Reichenbacher Firma hat nur noch einen begrenzten Vorrat, weshalb Patrick Jöckle auch hier den Tipp gibt, im Internet nach Gebrauchtware zu suchen. Über seine Sammlerseite beantwortet er auch immer wieder Reparaturfragen.

Darüber hinaus kommt bei dem Mann mit der Haartolle in Manier der 50er-Jahre der Humor nicht zu kurz, wenn er lustige historische Anzeigen postet oder sie sogar nachahmt: So kleidet er sich etwa zum Staubsaugen wie die Dame auf dem Werbefoto der 50er-Jahre, lässt sich dabei ablichten und stellt beide Bilder nebeneinander online. Das bringt auch Robert Schöttle junior dazu, hin und wieder auf die Sammlerseite zu klicken. „Ich bin immer wieder überrascht darüber, was für Starmix-Schätze er woanders findet.“ So ist bei seinem jüngsten Besuch für Jöckle auch Material für seine Facebook-Seite rausgesprungen: Robert Schöttle gab ihm eine Jubiläumsschrift aus den 1940er-Jahren, einen alten Produktkatalog und dankte dem Fan für sein Engagement.

Die Facebook-Seite:

Gestartet am 18. November 2013, 264 „Gefällt mir“-Angaben und unzählige Beiträge zu Historischem und Aktuellem aus dem Hause Electrostar: Das sind die Fakten zu Patrick Jöckles „Der Starmix - Die Sammlerseite“. „Hier haben alle Starmix & Electrostar Freunde die Möglichkeit ihre alten & NEUEN Geräte vorstellen und zu posten“, schreibt er zur Information. Es ist aber vor allem Jöckle selbst, der historische Werbeanzeigen, Fotos, aktuelle Electrtostar-Stellenangebote oder wichtige Jahrestage der Firmengeschichte postet. Aktuell läuft sogar ein Gewinnspiel: Teilnehmer sollen sich mit Starmix-Maschine beim Plätzchenbacken ablichten.

Die Firma:

Unter dem Namen „Elektrotechnische Spezialfabrik für Staubsauger und Gebläse“ gründet Robert Schöttle senior, Großvater des gleichnamigen, heutigen Beiratsvorsitzenden 1921 die Firma.

Den knackigeren Titel Electrostar erhielt das Unternehmen 1925. Im gleichen Jahr entwickelte Schöttle den ersten Warmlufthändetrockner. Bis heute ist die Firma in diesem Segment einer der bedeutendsten Hersteller weltweit.

Zunächst war der Sitz in Stuttgart. Erst 1928 zog die Fabrik nach Reichenbach. Anfang der 1930er wurden die ersten Stielsauger und Küchenmaschinen gefertigt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, während dem Electrostar Spezialteile für die Kugellagerindustrie herstellte, wurde ab 1948 wieder eine Küchenmaschine hergestellt: Das Mixermodell „Starmix“ wurde zum Verkaufsschlager und gab später den Markennamen für alle Geräte aus dem Haus Electrostar.

Anfang der 1980er übernimmt mit Robert Schöttle junior die dritte Generation die Geschäftsleitung.

1996 wird die Produktion von Haushaltskleingeräten eingestellt.

Nach der Jahrtausendwende kauft die russische Algo-Gruppe nach und nach alle Geschäftsanteile und rettet so die Firma aus der Krise. 2007 wird Roman Gorovoy Geschäftsführer und Robert Schöttle junior Vorsitzender des Beirates.