Er ist ein Grenzgänger zwischen den Konfessionen: Lubos Ihring hat in seiner Heimat Slowakei katholische Theologie studiert und lebte mehr als zehn Jahre in einem Kapuzinerorden. Heute ist der 39-Jährige Kirchenmusiker der Evangelischen Kirchengemeinde Denkendorf und seit kurzem Orgelsachverständiger der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Auch als Konzertorganist ist Ihring tätig. Mit seiner Frau, einer Orgelbauerin, lebt er in Neuhausen.
Hineingeboren wurde Lubos Ihring in eine gläubige katholische Familie in Kuneschhau, einer slowakischen Gemeinde mit vielen Karpatendeutschen, in der Vater und Großvater Mesner waren, die Großmutter in der Kirche sang und er selbst Ministrant war. In der kommunistischen Tschechoslowakei bedeutete dies, „dass alle paar Wochen die Geheimpolizei zu uns kam“. Den jungen Lubos focht das nicht an: „Ich habe schon als Kind die Berufung zum Priester gespürt“, erzählt er. Dass es dazu letztendlich nicht kam, daran ist auch die Kirchenmusik schuld. Für die ist Lubos Ihring früh entflammt: Als er als 14-Jähriger einen Choral von Bach auf der Orgel hörte, habe es ihn wie ein Blitz getroffen: „Ich wollte unbedingt lernen, die Orgel zu spielen.“ Noch am gleichen Tag begann er, der bis dahin kein Instrument beherrschte, Noten zu lernen und sich das Klavierspielen beizubringen.
Ein Kapuzinermönch hatte Ihring für das klösterliche Leben und dessen Form der Frömmigkeit begeistert. Ein Jahr nach dem Abitur trat er in den Orden ein und studierte dort Theologie sowie nebenbei Kirchenmusik. „Ich wollte aber unbedingt ein vollwertiges Orgel- und Kirchenmusikstudium absolvieren. Das wäre im Orden nicht möglich gewesen“, erklärt Ihring. Deshalb verließ er nach mehr als zehn Jahren das Kloster, um in Deutschland an der Musikhochschule in Stuttgart Kirchenmusik zu studieren. Dass er in der Schule Deutsch gelernt hatte und dass viele Heimatvertriebene aus seinem Dorf sich im Raum Esslingen und Stuttgart niedergelassen hatten, erleichterte ihm den Start.
Seit April 2015 in Denkendorf
Sein Studium verdiente er sich unter anderem als Organist der Evangelischen Kirchengemeinde in Stuttgart-Rohracker, als Chorleiter in Weiler zum Stein und als Kirchenmusiker der Evangelischen Kirchengemeinde in Filderstadt-Sielmingen. Es folgte eine Zeit als Pastoralassistent und Kirchenmusiker in einer katholischen Gemeinde in der Schweiz, wo er auch als Seelsorger in der Gemeindearbeit aktiv war. Im April 2015 trat Ihring seine Stelle in Denkendorf an. Dort leitet der Kirchenmusiker Kirchenchor, Jungenchor und Kinderchor, ist Organist in den Gottesdiensten, organisiert und gibt Konzerte.
Dass er als gläubiger Katholik in der evangelischen Kirche arbeite, sei für ihn gut vereinbar und mehr eine Frage des musikalischen Repertoires. Zwar seien die Gottesdienste völlig verschieden, „doch ich schätze bei den Evangelischen die meist sehr gut vorbereitete Predigt. Ich erlebe oft ein tiefes Eindringen in die Bibeltexte.“ Als Organist in den evangelischen Gottesdiensten habe er manches erst lernen müssen. Von den lutherischen Chorälen, die ihm zuvor völlig fremd waren, schwärmt Ihring geradezu: „Das ist wie ein neues Gebetbuch für mich.“ Auch die tiefgründigen Texte der Paul-Gerhardt-Lieder, die er häufig auf der Orgel begleitet, genieße er.
„Ich bin ein sehr liturgischer Mensch und will meinen Teil am Gottesdienst so schön machen wie möglich“, sagt der Organist. Dass er Theologe ist, sei bei der Erarbeitung von kirchenmusikalischen Werken vor allem mit den Kirchenchören hilfreich. „Wir machen nicht nur Musik, sondern vermitteln die Botschaft des Evangeliums.“
Faszinosum Orgel
Als Orgelsachverständiger der Evangelischen Landeskirche ist es seine Aufgabe, Gemeinden zu beraten, etwa wenn Orgeln saniert werden müssen. Wie diese funktionieren, habe ihn schon immer fasziniert. In seiner Heimat habe er geholfen, Orgeln zu reparieren, sagt Lubos Ihring.
Auch wenn er in der evangelischen Kirche sein Brot verdiene, sei es ihm wichtig, seinen katholischen Glauben weiter zu pflegen. Mit seiner Frau besucht er daher regelmäßig die Gottesdienste der slowakischen katholischen Mission in der Landeshauptstadt und der deutschen katholischen Gemeinde in Stuttgart-Möhringen.
Zur Ökumene hat Lubos Ihring eine klare Einstellung: „Jeder soll seine Identität behalten, aber nach dem suchen, was uns verbindet. Ökumene bedeutet für mich, sich gegenseitig zu schätzen und zu akzeptieren ohne die eigene Identität aufzugeben.“