Das Interesse war groß und der Nürtinger Sitzungssaal gut besucht, als über den Bürgerentscheid abgestimmt wurde. Foto: Holzwarth Quelle: Unbekannt

Von Anneliese Lieb

Ja zum Bürgerentscheid: Der Nürtinger Gemeinderat hat sich jetzt dafür ausgesprochen, das Bürgerbegehren zuzulassen und am 25. Juni die Nürtinger darüber abstimmen zu lassen, ob in der Nähe des Waldfriedhofs und beim Friedhof in Reudern Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden dürfen.

Mehr als 3000 Unterschriften von Nürtinger Bürgern hat die Bürgerinitiative Friedhöfe Nürtingen Ende des vergangenen Jahres zusammengetragen. Anfang Januar übergab die Bürgerinitiative die Namenslisten im Rathaus an Oberbürgermeister Otmar Heirich. Die Stadt hat die Unterschriften geprüft und damit die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt. Mit dem Votum des Gemeinderats, der sich nun vor voll besetzten Zuhörerreihen einstimmig dafür entschied, den Bürgerentscheid zuzulassen, sind die Weichen für das Bürgervotum gestellt. Beim Bürgerentscheid am Sonntag, 25. Juni, dürfen die Nürtinger darüber abstimmen, ob beim Nürtinger Waldfriedhof am Breiten Weg und im Marbachweg beim Friedhof in Reudern Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden dürfen oder der Beschluss des Gemeinderats vom 11. Oktober 2016 zur Bebauungsplanänderung gekippt werden soll. Wichtigste Voraussetzung ist zunächst, das nötige Quorum zu erreichen.

Mindestens 20 Prozent der Gesamtwahlberechtigten - das sind in Nürtingen circa 6300 - müssen am 25. Juni an die Wahlurnen. Ist das notwendige Quorum erreicht, müssen sich etwas mehr als 50 Prozent der Wähler gegen oder für die Bebauung aussprechen.

Bei einer Stimmengleichheit gilt der Bürgerentscheid als abgelehnt. Wird das Quorum von 20 Prozent Wahlbeteiligung nicht erreicht, muss der Gemeinderat das Thema erneut unter Berücksichtigung der von der Bürgerinitiative vorgebrachten Argumente diskutieren und einen weiteren Beschluss fassen. Oberbürgermeister Heirich zeigte in der jüngsten Sitzung nochmals die besondere Notsituation der Stadt zur Unterbringung von Flüchtlingen auf und erklärte, warum sich die Kommunalpolitiker für eine Bebauungsplanänderung ausgesprochen haben.

Beim Waldfriedhof sind drei Häuser für 82 Bewohner geplant, und in Reudern sollen 48 Personen untergebracht werden. Heirich betonte, dass die Verwaltung auch Gespräche mit den Vertretern der Bürgerinitiative geführt und sich bereit erklärt hat, die ursprüngliche Zahl der Gebäude von drei auf zwei zu reduzieren. In der vergangenen Sitzung hatten Wolfgang Menrad und Heidi Buchfink als Vertrauensleute der Bürgerinitiative Gelegenheit, ihre Argumente gegen die Bebauung vorzutragen. Menrad brachte erneut sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass der Gemeinderat nicht schon vor der Abstimmung im Oktober das Gespräch mit den betroffenen Bürgern in der Braike und in Reudern gesucht hat.

Die Initiative ist gegen eine Bebauung auf den „sensiblen Grundstücken“. Die mehr als 3000 Unterschriften gegen die Bebauung sollten den Gemeinderat zum Nachdenken anregen, so Menrad. Dem Bürgerentscheid sehe man positiv entgegen. Die Bürgerinitiative argumentiert mit der Störung der Friedhofsruhe - und die sei bei einer Bebauung in circa zehn Metern Abstand zum Friedhof nicht mehr gewährleistet.

Heidi Buchfink und die Unterzeichner wollen den alteingesessenen Reuderner Bürgern sowie den Flüchtlingen Lebensqualität bieten, und die gebe es nicht mit einer Bebauung in Friedhofsnähe. Buchfinks Vorschlag: Die Stadt solle das Grundstück am Ende des Marbachweges („nicht das bei der Kläranlage“) bebauen. „Und wenn die Reuderner feststellen, dass es sich bei den Flüchtlingen um liebenswerte Menschen handelt, sind sie auch bereit, die eine oder andere Wohnung an sie zu vermieten“, sagte Buchfink.

Den Waldfriedhof, so Menrad, habe man damals ganz bewusst dort gebaut. Nicht nur Friedhofsbesucher, auch Spaziergänger und Jogger würden die Ruhe des Stadtrandes suchen. Bei Gesprächen mit den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens sei vielfach der Frust gegen die Entscheidung des Gemeinderats zum Ausdruck gekommen. Die Bürgerinitiative will die Bebauung verhindern, man sei aber nach wie vor an einer Einig ung mit der Stadt interessiert.

Die Stadträte votierten einstimmig für die Zulassung des Bürgerentscheids, sprachen sich für den 25. Juni als Tag der Abstimmung aus. Außerdem wurden zur Durchführung des Bürgerentscheids die notwendigen überplanmäßigen Mittel in Höhe von 40 000 Euro bewilligt.