Der alte und der neue Dampfmaschinenwärter: Dieter Kuhn hat bis vor fünf Jahren regelmäßig das Technikdenkmal abgestaubt, es geölt, den Riemen mit Harz beträufelt und den Automaten, in den oft falsches Geld eingeworfen wird, wieder in Gang gebracht. Heute tut das Kurt Roos (rechts). Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Wie industrielle Produktion in ihren Anfängen funktioniert hat, können Interessierte seit 20 Jahren in der Vitrine links neben dem Eingang des Reichenbacher Rathauses beobachten. Dort steht die Dampfmaschine der früheren Fabrik Nägele-Schock, die Ehrenamtliche restauriert haben und pflegen. Dafür sind sie auch mal hart an die Grenze der Legalität gegangen.

Von Greta Gramberg

Es quietscht ohrenbetäubend als Dieter Kuhn von den Dampfmaschinenfreunden die Anlage im Eingangsbereich des Reichenbacher Rathauses anwirft. Der Riemen sei länger nicht geschmiert worden, kommentiert sein Kollege Walter Erz. „Aber im Rathaus hat man sich wohl dran gewöhnt.“ Schließlich steht das Technikdenkmal dort seit 20 Jahren und mit dem Einwurf von 50 Cent können Besucher es in Gang setzen - allerdings mit Strom und nicht mit Dampf betrieben. Das Gerät, das ehemals eine ganze Fabrik in Bewegung hielt, wurde vor 125 Jahren bei der Firma G. Kuhn in Stuttgart gebaut. Dieses Jubiläum feiern die Dampfmaschinenfreunde während des Novembermarktes am 6. November mit einer Aktion im Rathaus.

Dieter Kuhn trat von Beginn an für die Dampfmaschine ein, die die letzte im Filstal war und als einzige der Verschrottung entgehen konnte. Anfang der 90er, als die alte chemische Fabrik dem neuen Feuerwehrmagazin weichen sollte und Reichenbach per Gemeinderatsbeschluss entschied, den darin stehenden Apparat an die Stadt Plochingen zu verschenken, machten Kuhn und zwei weitere Männer Nägel mit Köpfen. Sie bauten die Dampfmaschine einfach aus und nahmen sie mit. Erst danach informierten sie Bürgermeister Bernhard Richter. „Er war erst ein bissle entsetzt“, erinnert sich Dieter Kuhn, der zu der Zeit selbst im Gemeinderat saß. Da der Plochinger Schultes im Urlaub war, bat Richter dessen Sekretärin telefonisch den noch ungeöffneten Brief, in dem das Geschenk zugesichert wurde, einfach zu zerreißen.

Ärger habe es nicht gegeben, sagt Dieter Kuhn. Sobald klar gewesen sei, dass die Restaurierung die Gemeinde kein Geld koste, sei alles in Ordnung gewesen. Der gelernte Maschinenschlosser Kuhn und seine Mitstreiter machten sich daran, die Dampfmaschine selbst zu restaurieren und Spenden für die Vitrine zu sammeln, die 50 000 Euro gekostet hat. Ab dem Bau des Fundaments stieß auch Walter Erz zur Helfergruppe. Drei Jahre hat es gedauert, bis alles 1996 eingeweiht werden konnte. Seither pflegen die Ehrenamtlichen das Technikdenkmal, das im Besitz der Gemeinde ist, die auch das Geld aus dem Automaten erhält.

„Wir sind geborene Reichenbacher und da hat man einfach eine Beziehung zur Heimatgeschichte“, erklärt Walter Erz. Er und Kuhn haben von Kindheit an die Firma Nägele-Schock sowie deren Inhaber August Kantenwein gekannt, in der die Dampfmaschine von 1901 an alles von der Seifenpulvermischanlage bis zum Aufzug in Gang hielt. Den Apparat selbst haben sie vor der Schließung des Betriebes 1977 nicht in Aktion erlebt. Dennoch hatten beide ein Faible für diese Technik. Sie besaßen als Kinder Dampfmaschinen-Spielzeug und Dieter Kuhn kam im Rahmen seiner Ausbildung in Kontakt mit der Technik. Walter Erz baut Miniaturmodelle, die in einer Schau beim Novembermarkt zu sehen sein werden.

Auch nach 20 Jahren haben die Dampfmaschinenfreunde ihr Interesse nicht verloren. „Für mich ist das fast obligatorisch: Wenn ich im Flecken bin, gehe ich vorbei und schmeiße ein 50erle ein“, sagt Walter Erz. Dieter Kuhn war bis vor fünf Jahren Maschinenwart. Und auch andere engagieren sich für das Denkmal: Karl Faiß hat eine Dokumentation geschrieben, es wurden Führungen gegeben und mehr. Nochmal eine Dampfmaschine zu stehlen und zu restaurieren, kann sich Dieter Kuhn aber nicht vorstellen. „Wir sind halt alte Kerle geworden und es war schon anstrengend damals.“

Die Dampfmaschinenaktion im Rathaus samt Vorführungen und Ausstellung ist während des Novembermarktes am 6. November von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Infos zum Technikdenkmal gibt es unter www.reichenbach-fils.de.