Der Verlust der evangelischen Fortbildungsstätte am Kloster ist in Denkendorf noch nicht ganz verschmerzt. Ein Dokumentarfilm zeichnet nun die Geschichte der Bildungsstätte als Ort des christlich-jüdischen Gesprächs nach. „Mit deinen Augen den Himmel sehen“ lautet der Titel des Films, den Efstratia Dawood gedreht hat. Die Rohfassung wurde nun erstmals in der Pfarrscheune beim Kloster gezeigt.

Von Roland Kurz

28 Jahre lang diente die Fortbildungsstätte der evangelischen Landeskirche auch als Ort der christlich-jüdischen Begegnung. Für Hartmut Metzger (84), dem ehemaligen Leiter der Fortbildungsstätte, ist dieser Dialog einzigartig in Deutschland. Mit der Schließung des Klosters sei auch die Begegnung mit dem Judentum abrupt abgebrochen.

Efstratia Dawood, die seit den 80er-Jahren regelmäßiger Gast im Denkendorfer Kreis für christlich-jüdische Begegnung war, dokumentiert in ihrem Film „diese fruchtbare und vielseitige Arbeit“. Dazu lässt sie Zeitzeugen sprechen und ergänzt den Film mit historischen Fotos. Dawood, in Griechenland geboren, fühlte sich von dem Dialog im Kloster angesprochen, der sich gegen „Stereotypen und Vorurteile“ wendete, gegen Antisemitismus und Rassismus.

Im Film erzählt Hartmut Metzger, wie er 1962 als Vikar und Religionslehrer am Cannstatter Gymnasium mit seinen Abiturienten nach Israel reiste - in einer Zeit, in der sich der Antisemitismus in Deutschland wieder öffentlich gezeigt habe und Israel erstmals durch den Eichmann-Prozess erfuhr, wie die Nazis die Vernichtung der Juden organisiert hatten. Es gelang nur über die Hilfe von Bundespräsident Theodor Heuß, den Kontakt nach Shavei Zion herzustellen, die 1938 aufgebaute Siedlung der jüdischen Bürger aus Rexingen bei Horb. Sechs Wochen lang haben die Abiturienten in Israel dort als Erntehelfer gearbeitet, hatten viele Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden. Seine Überzeugung sei, so erzählt Metzger, dass nicht über Bücher, sondern nur durch Begegnung die Ressentiments beseitigt werden können.

Aus diesem Besuch entwickelte sich eine tief gehende Beziehung zu der israelischen Siedlung, die zum dauerhaften Dialog im Denkendorfer Kreis führte. Im Kloster wurde eine zweite, koschere Küche eingerichtet, um Thora-Lehrwochen und andere Begegnungen abhalten zu können. „Die Schabbatfeiern waren etwas Besonderes“, berichtet die frühere Dozentin Jutta Zimmermann als weitere Zeitzeugin. „Die Gäste erfuhren, dass der Schabbat nicht nur aus Verboten besteht. Metzger lud auch den evangelischen Landesbischof Hans von Keler ein, der in Denkendorf Freundschaften mit den Vertretern der jüdischen Gemeinde Stuttgarts schloss. „Deshalb brauchen wir so eine Einrichtung“, appelliert Metzger. „Bei diesen Begegnungen sind die Vorurteile weggeschmolzen wie Schnee in der warmen Sonne.“

Die zweite Hälfte des Films wird von heftiger Kritik an der Schließung des Klosters geprägt. Mitglieder der jüdischen Gemeinde Stuttgarts und Bewohner von Shavei Zion zeigen ihr Unverständnis darüber, wie die Landeskirche so eine Einrichtung und so ein Kloster aufgeben konnte. Die christlich-jüdische Begegnung brauche einen Ort wie das Kloster. Damit sei auch ein Teil der Geschichte der Landeskirche aufgegeben worden.

Efstratia Dawood will diesen „antirassistischen Film“ Organisationen zur Verfügung stellen, die mit Schülern und Jugendlichen arbeiten. Der Titel „Mit deinen Augen den Himmel sehen“ sei ein Appell, sich mit jüdischen Bürger zu treffen und die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Sie selbst fühlt eine „tiefe Solidarität zu Israel“. Dawood betreibt in Karlsruhe die Firma Pnoes, die Dokumentarfilme herstellt. Der Denkendorfer Film ist noch nicht fertig, Dawood wird auch noch die Diskussion einbauen, die sich in der Pfarrscheuer nach der ersten Vorführung entwickelte.

Mehr über die Geschichte der Begegnungsstätte am Kloster unter www.denkendorfer-kreis.de