Bereits 2001 hat das Landesamt für Umwelt den rätselhaften Brummton im Südwesten untersucht – aber nichts herausgefunden. Foto: Archivbild dpa - Archivbild dpa

Seit gut zwei Jahren klagen Menschen in Leinfelden-Echterdingen über einen Brummton, der ihnen den Schlaf und die Nerven raubt. Woher das rätselhafte Geräusch kommt, ist bisher unklar. Jetzt sollen aktuelle Messungen Aufschluss bringen. Ergebnisse werden im November erwartet.

Von Stephanie Danner

Dann soll es das nächste Treffen von Stadtverwaltung und Betroffenen geben. Beauftragt wurden die Messungen von der Stadt Leinfelden-Echterdingen. Nach zähem Ringen hat der Gemeinderat eine finanzielle Unterstützung von 5000 Euro genehmigt. Das reiche für Langzeitstudien nicht, beklagen die Betroffenen. Erste Bürgermeisterin Eva Noller, die sich dem Thema angenommen hat, entgegnet, dass die Verwaltung und der Gemeinderat das Thema sehr ernst nähmen. „Es ist kein erfundenes Zeug“, sagt sie. Der Stadt sei sehr daran gelegen, den Menschen zu helfen. Rein rechtlich wäre sie dazu nicht einmal verpflichtet. „Wir tragen aber Fürsorge für die Bürger.“

Vor zwei Jahren bereits schickte das Landratsamt Esslingen Mitarbeiter zur Messung. Festgestellt wurden sogenannte tieffrequente Geräusche, ohne ihre Herkunft herauszufinden. Klar sei, dass die Geräusche von Technik verursacht werden, sagt Bürgermeisterin Noller. Möglichkeiten gibt es viele: Gasleitungen, Flughafen, S-Bahn, Mobilfunk. Im Juli 2015 kam es am Runden Tisch zum Austausch zwischen Stadt und Betroffenen.

Messungen an neun Stellen

Außerdem stellte Professor Detlef Krahé von der Universität Wuppertal, bei Orientierungsaufnahmen ebenfalls den tieffrequenten Ton fest. Er führte Anfang vergangener Woche im Auftrag der Stadt nun Messungen durch, die nach Angaben Nollers auch vom Landesamt für Umwelt begleitet werden. „Das begrüßen wir sehr, weil wir ein Jahr lang auf Widerstand gestoßen sind“, sagt die Bürgermeisterin.

Seine hochsensiblen Messgeräte stellte Professor Krahé bei sieben Familien sowie im Rathaus und an der Gashochdruckstation der Netze BW auf. Dort wurde während der Messung kurzzeitig die Gasdruckregelanlage abgeschaltet, um deren Auswirkungen festzustellen. Mit Ergebnissen rechnet Krahé im November, sagte er auf EZ-Anfrage. „In welche Richtung die Ergebnisse gehen, ist noch völlig offen.“ Aufgezeichnet wurde mehrere Stunden lang. Dass es tagsüber war, verzerre die Ergebnisse nicht, erklärt Krahé. Betroffene klagen darüber, dass das quälende Brummen besonders nachts zu hören sei. „Nachts hört man es besser, weil die Umgebung ruhiger ist und die Leute empfindlicher hinhören“, erläutert der Professor.

Eine Betroffene, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, weil sie stellvertretend für alle Brummton-Geschädigten sprechen will, schildert das permanente Geräusch als „absoluten Horror“. Sie schlafe inzwischen kaum mehr. Ein Jahr lang behalf sie sich mit Schlafmitteln – bis es auf den Magen schlug. „Wenn man nicht richtig schläft, ist man schlecht drauf“, resümiert sie. Doch das sind die geringsten Auswirkungen. Sie spricht auch von Herz-Rhythmus-Störungen. Manche Betroffene bekämen Bluthochdruck. Selbst von Suizidgedanken mancher weiß sie.

„Nicht ernst genommen“

Die Frau, die mit Mann und Sohn in einem Mehrfamilienhaus in Leinfelden wohnt, hat das Geräusch Anfang 2014 erstmals wahrgenommen. Ebenso die restliche Familie, verschiedene Besucher sowie eine Nachbarin, in deren eigener Wohnung aber Ruhe herrscht. „Es begann eine unendliche Geschichte“, klagt die Betroffene. Handwerker fanden nichts heraus. Von Behörden ist die Frau maßlos enttäuscht. „Man fühlt sich nicht ernst genommen.“ Immer wieder zweifle man an sich selbst. Ihr Gehör wurde überprüft. Alles gesund. Doch gegen den nervtötenden Ton gibt es kein Mittel. Ohrstöpsel helfen nicht, der Hörakustiker habe auch keine Lösung. „Wie soll man da schlafen?“, fragt sie resigniert und spricht gar von „Folter“.

Doch wie hört sich das Brummen überhaupt an? Unterschiedlich, so ist die Antwort. Mal sei es ein Wumm-Wumm-Wumm. Ein andermal ist es eher ein gleichbleibender Ton. „Dann ist sogar eine Vibration spürbar“, beschreibt die Frau. Betroffene gibt es nicht nur in den Stadtteilen Leinfelden-Echterdingens. Auch aus Filderstadt, Möhringen, Vaihingen, Plochingen, Böblingen und Fellbach kennt sie Fälle. Wenn ihr geraten wird, doch einfach umzuziehen, sagt die Frau: „Wohin denn, wenn es das Geräusch an so vielen Orten gibt?“

Von der jüngsten Messung erhoffen sich die Betroffenen wenigstens ein paar Erkenntnisse. Derzeit gehen ihre Vermutungen dahin, dass Erdgasspeicher die Ursache sein könnten. Bürgermeisterin Noller sagt, es könnte auch von Firmen ausgehen, die rund um die Uhr produzieren und deren Geräusche nachts anders wahrnehmbar sind.

Weltweit: Das Brummton-Phänomen tritt weltweit in Erscheinung. Es bezeichnet die wiederholte Wahrnehmung eines Brummtons durch einzelne Personen bei zunächst nicht erkennbarer Ursache. Zumeist wird es beschrieben wie das Geräusch eines in der Ferne mit Standgas laufenden Lkw-Dieselmotors.

Infraschall: Nach Angaben des Umwelt-Bundesamtes (UBA) gewinnt „Geräuschbelastung durch tieffrequenten Schall, insbesondere durch Infraschall im Wohnumfeld“ seit geraumer Zeit an Bedeutung. Als Infraschall bezeichnet man Luftschallwellen unterhalb des menschlichen Hörbereiches.

Infraschall liegt definitionsgemäß zwischen 0,1 und 20 Hertz (Abkürzung: Hz), tieffrequenter Schall unterhalb von 100 Hz. Das Ohr des Menschen ist in der Lage, Schall mit Frequenzen zwischen ungefähr 15 und 20 000 Hz wahrzunehmen.

Frequenzen: Die Einheit der Frequenz ist das Hertz, wobei ein Hertz einer Schwingung pro Sekunde entspricht. Niedrige Frequenzen (als ein kleiner Zahlenwert) entsprechen tiefen Tönen; je größer die Frequenz ist, desto höher ist der Ton.

Mögliche Ursachen: Tieffrequenter Schall, der als Brummton wahrgenommen wird, tritt in vielen Bereichen unserer hoch technisierten Gesellschaft auf. Beispielsweise können Transformatorenstationen, Kompressoren oder Pumpen tieffrequente Geräusche verursachen. Aber auch falsch eingebaute Wärmepumpen oder besonders lange Autobahnbrücken werden als Verursacher genannt.

Untersuchungen: In Baden-Württemberg wurde das Phänomen erstmals im Jahr 2001 durch das Umweltministerium Baden-Württemberg gemessen.
Nachdem mehr als 300 Menschen aus dem Land über die Geräusche geklagt hatten, kamen Spezialgeräte an 13 Orten im Südwesten zum Einsatz. Allerdings blieb der Erfolg aus. und der Brummton weiterhin ein Rätsel.