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Von Sabrina Erben

Ostfildern - Angela Merkel kommt pünktlich. Um 11.30 Uhr betritt die Bundeskanzlerin in Begleitung des Regierungssprechers Steffen Seibert und einigen Sicherheitsleuten die Festo-Technologiefabrik in Scharnhausen. Das Werk ist auf den Besuch vorbereitet. Jede Ecke ist ausgeschildert, Erklärstationen wurden aufgebaut und an allen wichtigen Punkten warten gespannte Mitarbeiter auf ihren Einsatz. Sieben Stationen der „Industrie der Zukunft“ wird die Kanzlerin in anderthalb Stunden besuchen. Nach einer Begrüßung durch Wilfried Stoll, Geschäftsführer der Konzern-Holding, und des neuen Vorstandsvorsitzenden Claus Jessen beginnt die Führung. Festos Technologiefabrik versteht sich als Impulsgeber für die Automation der Zukunft. Im Werk arbeiten 1200 Mitarbeiter an Ventilen, Ventilinseln und der Elektronik.

Erst vor drei Wochen habe man vom Besuch der Kanzlerin erfahren, sagt eine Sprecherin des Esslinger Automatisierungsspezialisten. Für das Unternehmen bedeutete das: Es musste schnell organisieren. Der Ablauf des Kanzlerinnen-Besuchs ist nun minutiös geplant. Nichts wird dem Zufall überlassen. Auch die Sicherheitsvorkehrungen sind verschärft. Das Bundeskriminalamt checkt vorab jeden der zahlreichen Pressevertreter. Sämtliche Taschen und Kameras werden geprüft. Unbefugt bekommt in Scharnhausen niemand Zutritt.

Die Kanzlerin beginnt derweil ihren Rundgang in der Montagehalle auf Ebene 3 der Fabrik. Dort ist eine voll automatisierte Ventilmontage zu sehen. Werksleiter Stefan Schwerdtle erklärt Merkel die Anlage. Die Kanzlerin hört aufmerksam zu und stellt immer mal wieder eine Frage. Ihr folgt eine Delegation von Vertretern aus Wirtschaft und Politik. Markus Grübel (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, ist dabei, Ostfilderns OB Christof Bolay sowie Gesellschafter und Vorstandsmitglieder des Unternehmens. Kommt die Kanzlerin zu Besuch, will sich das niemand entgehen lassen. Kurzer Small-Talk mit den Mitarbeitern und dann geht es zur nächsten Station. Dort trifft die Kanzlerin auf „Uschi“. Hinter „Uschi“ verbirgt sich ein Roboter, der nicht in einem Käfig sitzt. Der Arbeitsbereich überschneidet sich mit dem des menschlichen Mitarbeiters. Eine Besonderheit. Der ultraleichte Industrieroboter fügt Teile zusammen und übergibt das zusammengebaute Stück an den Arbeiter. Er reagiert sensorgesteuert auf Berührungen. „Uschi“ bleibt stehen, wenn sie die Berührung eines Menschen spürt. Das versucht Merkel dann auch gleich. Und tatsächlich: „Uschi“ rührt sich nicht mehr. Die Akzeptanz des Roboters sei da, sagt ein Festo-Ingenieur. Sonst hätten die Mitarbeiter dem Roboter ja keinen Namen gegeben.

Geballte Ladung an Information

Weiter geht es in die Lernfabrik von Festo. Die Kanzlerin hört interessiert zu, schüttelt die Hände der Mitarbeiter, lächelt freundlich, um dann wieder konzentriert zuzuhören. An den sieben Stationen kommt eine geballte Ladung an Infos zusammen. Auch wenn es für die promovierte Physikerin keine gänzlich unbekannte Materie ist: Das ist keine leichte Kost. Die Festo-Mitarbeiter zeigen, was die Fabrik alles kann. Etwas müde sieht Merkel aus. Der Terminkalender ist so kurz vor den Landtagswahlen und der aktuellen Flüchtlingskrise proppenvoll. Erst Anfang der Woche war sie in Brüssel, um am Treffen der EU-Staats-und Regierungschefs teilzunehmen.

Bekommt die Kanzlerin in Scharnhausen noch etwas zu essen? Man habe beim Bundeskanzleramt nachgefragt, heißt es bei Festo. Dort sagte man, dass eine Brezel reiche. Die Kanzlerin muss gleich weiter. An diesem Nachmittag wird sie noch nach Tuttlingen fahren und die Medizintechnik-Firma Aesculap besuchen.

Doch zurück zu Festo. Am Ende des Rundgangs wartet auf die Mitarbeiter der Höhepunkt des Besuchs. 400 der 1200 Beschäftigten dürfen dabei sein, wenn Merkel eine Ansprache hält. Die Mitarbeiter wurden ausgelost. „Alle konnten nicht dabei sein. Wir können die Produktion auch nicht ganz still stehen lassen“, sagt die Festo-Sprecherin.

Die Kanzlerin findet lobende Worte. „Ich konnte mich davon überzeugen, wie das Internet der Dinge schrittweise Einzug hält in ein Unternehmen wie Festo.“ Es sei beeindruckend, wie Mitarbeiter nicht nur geschult würden, sondern wie die Organisation des Lernens in der Lernfabrik Teil des Arbeitsalltags werde. Festo-Chef Jessen bedankt sich bei der Kanzlerin und lädt sie auf einen Besuch an den Festo-Stand der Hannover Messe ein. „Für uns wird Innovation erst dann zum Fortschritt, wenn sie beim Menschen ankommt“, sagt Jessen. Roboter „Uschi“ kam bei der Bundeskanzlerin schon mal ziemlich gut an.

Die technologiefabrik

Die Technologiefabrik Scharnhausen wurde 2015 eröffnet. Sie ist das Leitwerk von Festo für die Produktion von Ventilen, Ventilinseln und Elektronik. Das Werk, das eine Vorreiterrolle beim Thema Industrie 4.0 einnimmt, verfügt über 66 000 Quadratmeter Gesamtfläche. 1200 Mitarbeiter arbeiten dort. Festo hat in den Ausbau des Standorts 70 Millionen Euro investiert. Das Esslinger Familienunternehmen ist weltweit führend in der Automatisierungstechnik und in der technischen Aus- und Weiterbildung. Die Firma hat 17 800 Mitarbeiter in 176 Ländern.