Lebensmittelretter, die Tafel und die Verbraucherzentrale zeigen Alternativen zum Wegwerfen von Lebensmitteln auf. Foto: dpa - dpa

Von Janey Olbort
Die Nudeln vom Vortag, eine halbe Gurke im Kühlschrank oder der nicht mehr knackige Apfel – viele Lebensmittel, die noch genießbar sind, landen in Deutschland tonnenweise im Mülleimer. Außer den Privathaushalten produzieren auch Industrie, Großverbraucher – wie Restaurants oder Kantinen – und der Handel massenweise Müll.
Um diese Entwicklung zu stoppen, hat Raphael Fellmer in Kirchheim das Konzept des „Foodsharings“ verbreitet. Der 33-Jährige möchte möglichst viele Lebensmittel vor der Tonne retten und unter der Bevölkerung verteilen.
Essen, das an Marktständen oder in Cafés am Ende des Tages übrig bleibt, wird von sogenannten Lebensmittelrettern abgeholt und verteilt. Die Mitwirkenden organisieren sich über die Internetplattform www.foodsharing.de, die Fellmer mit ins Leben gerufen hat. „In Kirchheim können die Produkte aber auch in die Schenkscheune in der Plochinger Straße gebracht oder umsonst mitgenommen werden“, erläutert er. Sechs Millionen Kilogramm Lebensmittel hätten die Verteiler bei Foodsharing.de in Österreich, Deutschland und der Schweiz seit 2012 vor der Mülltonne bewahrt, berichtet er. Zurzeit arbeite er daran, das Netzwerk der Lebensmittelverteiler sowohl regional als auch international auszubauen.

Aus dem Gleichgewicht gekommen

Die Verteilung der Lebensmittel unter der Bevölkerung wird zunehmend ungleicher. Immer mehr Essen wird in Deutschland in die Tonne geworfen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Bedürftigen. „In den vergangenen drei Jahren ist die Zahl der Kunden im Laden angestiegen“, erklärt Margit Krätzschmar, stellvertretende Marktleiterin des Carisatt Tafelladens in der Neckarstraße in Esslingen. Das seien vor allem Menschen über 50 Jahre, die arbeitslos wurden und nun keine Anstellung mehr fänden, sowie jüngere Leute ohne Schulabschluss oder Berufsausbildung. „Aber auch Flüchtlinge, Personen mit kleiner Rente und Studenten kaufen bei uns ein“, sagt sie. Der Tafelladen bietet Nahrungsmittel an, die genießbar sind, im Handel jedoch nicht verkauft wurden oder in Privathaushalten übrig blieben. Spender sind hauptsächlich Supermärkte, Discounter, Bäcker und Privatpersonen. Außer der Nachfrage habe auch die Bereitschaft zur Spende zugenommen. Trotzdem sei nie genug Ware da. „Es kommen so viele Kunden hierher, da sind wir froh, wenn wir alle satt bekommen“, erzählt Krätzschmar. Ihr sei es wichtig, dass Bedürftige sich trauen, im Laden vorbeizukommen und einzukaufen.

Mindesthaltbarkeit richtig deuten

Gegen Lebensmittelverschwendung helfe ihrer Meinung nach, den Einkauf richtig zu planen. Weiterhin verstünden viele Menschen das Mindesthaltbarkeitsdatum falsch. „Man merkt das auch bei uns im Laden, dass Produkte, die nahe am Mindesthaltbarkeitsdatum sind, seltener gekauft werden“, sagt Krätzschmar. Essen mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum sei nicht zwangsläufig verdorben. Man solle die Qualität selbst überprüfen, bevor man etwas entsorgt. Wenn keine Auffälligkeiten bei Geschmack oder Optik festgestellt werden, könnten Lebensmittel noch verzehrt werden, informiert Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Sie weist auf den Unterscheid zu frischem Fleisch, Fisch oder Geflügel hin. „Diese Nahrungsmittel sind mit einem Verbrauchsdatum gekennzeichnet und sollten nach Ablauf dieses Datums nicht mehr verzehrt werden, da sich hier Keime vermehren könnten und dann eine Gesundheitsgefahr besteht.“
Das Problem der Lebensmittelverschwendung sei jedoch nicht allein gelöst, indem die Bevölkerung auf die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums hingewiesen werde. Die Politik habe es bisher versäumt, die anderen Beteiligten, wie Großverbraucher, Handel und Industrie, „mit ins Boot zu holen“. Wie groß der tatsächliche Anteil von Lebensmitteln im Müll ist, sei in den bisherigen Erhebungen noch nicht verlässlich ermittelt worden, da die Datenlage zu den Abfallmengen bisher unklar sei, erläutert Holzäpfel.