Menschen und Tiere scheinen gleichermaßen neugierig aufeinander zu sein. Die Mufflons halten aber vorsichtig Distanz. Fotos: SDMG/Friebe Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

„Der Genitiv ist komisch“, resümiert ein Schüler die vergangene Deutschstunde. Wie 19 andere Nicht-Muttersprachler nimmt er an einer zweijährigen Ausbildung zum Altenpflegehelfer teil. Der erste Kurs dieser Art ist am 1. September bei der Deutschen Angestellten-Akademie in Kirchheim gestartet. Die Schüler sind Migranten und Flüchtlinge aus verschiedenen Nationen wie Afghanistan, Pakistan, Iran, Nigeria, Gambia oder Kenia.

In der Altenpflege herrscht seit Jahren akuter Personalmangel. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren weiter anwachsen. Das Bundesgesundheitsministerium prognostiziert, dass ihre Zahl bis 2060 auf 4,7 Millionen steigen könnte. Gleichzeitig werden händeringend Fachkräfte gesucht. Unregelmäßige Arbeitszeiten und eine geringe Bezahlung machen diesen Beruf bei jungen Menschen allerdings zunehmend unbeliebt, wie die Bewerberzahlen für eine Ausbildung zeigen.

„Mit dem Abschluss haben die Schüler automatisch den Hauptschulabschluss mitgemacht“, erklärt Ursula Neef von der Deutschen Angestellten-Akademie. Ziel sei es, anschließend die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft zu absolvieren. Bei guten Leistungen könnten die Schüler das erste Ausbildungsjahr überspringen und gleich im zweiten einsteigen.

Weil für das Gelingen der zweijährigen Ausbildung entscheidend sei, dass die Flüchtlinge wissen, was auf sie zukomme, habe man die Schüler im Vorfeld intensiv geprüft, erzählt Neef. Zunächst habe man die Sprachkenntnisse getestet. Ebenso habe man im Vorfeld durch Praktika und persönliche Gespräche geprüft, ob die Bewerber für den Beruf geeignet seien. So habe man aus den ursprünglich 100 Bewerbern 20 Flüchtlinge und Migranten ausgewählt. „Man hat dann schon gemerkt, ob die Motivation und das Interesse am Beruf echt sind oder die Antworten auswendig gelernt waren“, sagt Neef.

Außer Grammatik steht in diesen Tagen Geschichte, Staatsbürgerkunde, Biologie oder Hygiene im Altenpflegeberuf auf dem Stundenplan. Die sechs Frauen und 14 Männer haben sich deshalb bereits mit dem Zweiten Weltkrieg, der menschlichen Zelle und der Entstehung von Bakterien auseinandergesetzt. Über die Frage, was ihnen keinen Spaß mache, sind sich die Schüler schnell einig: „Die Tests.“

„Wir überprüfen die Sprachkenntnisse regelmäßig und unterstützen die schwächeren Schüler anschließend mit Nachhilfeunterricht“, sagt Neef. Um die Deutschkenntnisse rasch zu verbessern, werde im Theorieunterricht während des ersten Ausbildungsjahrs zu 50 Prozent Sprache gelernt.

Die Klassenlehrerin, Andrea Illetschko, ist Erwachsenenpädagogin und betreut die Schüler auch sozialpädagogisch. Es gehe um persönliche und bürokratische Begleitung während der Ausbildung. Dazu gehörten Alltagsprobleme wie eine Steuernummer zu beantragen oder Unterstützung bei behördlichen Vorgängen. Dazu trügen alle Mitarbeiter im Hause bei, erklärt Neef.

Wichtig für eine erfolgreiche Ausbildung von Flüchtlingen sei auch die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure wie Landkreis, Arbeitsagentur, Pflegeheime und Ehrenamtliche. „Dieses Netzwerk hat bei uns im Kreis Esslingen sehr gut funktioniert“, berichtet Neef. Und bemerkt mit Blick auf die Ehrenamtlichen: „Deren Engagement ist sehr unterstützenswert, aber es geht aus meiner Sicht zu weit, wenn es nicht mehr darum geht, was der geflüchtete Mensch selbst möchte.“

Die Erfahrung aus vorangegangen Projekten zur Ausbildung von Flüchtlingen habe ihr gezeigt, dass die Abbrecherquote sehr gering sei, wenn die Schüler ein klares Ziel vor Augen hätten und das auch von sich aus erreichen wollten.

Integriert sei eine Person aus ihrer Sicht, wenn sie die Sprache beherrscht, finanziell auf eigenen Beinen steht und am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, sagt Neef. Und dazu trage eine abgeschlossene Berufsausbildung bei.