Delegiertenversammlung des DGB-Kreisverbands Esslingen-Göppingen im Wernauer Quadrium: Martin Kunzmann, Bernhard Löffler, Jürgen Groß, Wolfgang Scholz und Gerhard Frank (von links). Foto: Dietrich Quelle: Unbekannt

Von Peter Dietrich

Mit einer sehr emotionalen Rede hat sich Wolfgang Scholz als Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) verabschiedet. Mit 100 Prozent der Stimmen wurde Gerhard Frank zu seinem Nachfolger gewählt und Jürgen Groß mit ebenfalls 100 Prozent als Stellvertreter bestätigt.

Der dritte 100-prozentige Gewerkschafter war Martin Kunzmann, Hauptredner bei der Kreisdelegiertenversammlung des DGB im Wernauer Quadrium. Auch er hatte bei seiner Wahl zum DGB-Bezirksvorsitzenden Ende Januar 100 Prozent der Stimmen bekommen. Hinter den dreimal 100 Prozent steht allerdings eine spezielle Berechnung: Enthaltungen gelten beim DGB als nicht abgegebene Stimmen - doch bei Frank waren auch das nur drei, bei Kunzmann damals eine, bei Groß gar keine.

Hundertprozentig und mit Herzblut bei der Sache war auch der bisherige Kreisvorsitzende Scholz, der nach fast 50 Jahren Einsatz mal eine Pause braucht und nicht mehr antrat. „Der 1. Mai ist der wichtigste Tag im ganzen Jahr“, schärfte er den Delegierten ein. „Der Besuch müsste besser sein, kommt alle und bringt Freunde und Nachbarn mit.“ Wer in der Gesellschaft etwas erreichen wolle, der brauche Bündnispartner. „Wir müssen raus aus der Wagenburg.“ Durch die Gesellschaft gehe ein tiefer Riss, der klassische Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit. Scholz stand auch zum Versagen: „Der Betrieb, in dem ich über 30 Jahre gearbeitet habe, wurde geschlossen. Unser langjähriger Kampf für den Erhalt der Arbeitsplätze und des Werks ist gescheitert, 150 Kollegen sind im Januar in die Arbeitslosigkeit gegangen.“

Hauptredner Kunzmann forderte die Delegierten zu einem Gedankenexperiment auf: Wie sähe die heutige Gesellschaft aus ohne all das, was die Gewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnten erreicht haben - etwa bei der Arbeitszeit und beim Urlaub? Die Auseinandersetzungen würden indes schwieriger. „Bei der Krankenversicherung sind wir weit weg von einer paritätischen Finanzierung.“ Kunzmann will dahin zurück, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder gleiche Anteile bezahlen. Bei der Rente sei mit einem angestrebten Rentenniveau von 41 Prozent nach Steuern und Sozialabgaben die Altersarmut vorprogrammiert. Kunzmann schlug den großen Bogen zu Umweltschutz, Friedenspolitik und Flucht: „Wenn wir die Armut in Afrika nicht bekämpfen, reichen auch 15 Meter Mauer nicht, die Menschen werden die Mauern einreißen.“ Er zitierte den amerikanischen Gründervater Benjamin Franklin: Wer die Freiheit aufgebe, um die Sicherheit zu gewinnen, verliere beides.

Bernhard Löffler, Geschäftsführer der DGB-Region Nordwürttemberg, betonte, der DGB sei das „Herz der Gewerkschaften“ und nur so stark, wie seine Einzelgewerkschaften ihn stark machten. Das sei aber keine Einbahnstraße. „Wir Regionalsekretäre müssen Präsenz zeigen und gute Aktivitäten der Gewerkschaften vernetzen.“

„Ich bin ein Linker“, stellte sich Gerhard Frank, wie Wolfgang Scholz Jahrgang 1953, den Delegierten vor. Ein politischer Mensch bleibe auch politisch, wenn er in Rente gehe. Der gelernte Buchdrucker arbeitete als Sozialpädagoge bei der Arbeiterwohlfahrt, wurde Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der AOK Baden-Württemberg. Ein paar Sitzungen im Jahr und fertig, das ist nicht sein Ding: „Ein bisschen ambitionierter sollte man an die Sache schon rangehen.“ Keine Sitzung dürfe enden, „ohne dass man weiß, was man hinterher tun will und wer einem dabei helfen kann“.

Scholz bekam zum Abschied unterdessen auch eine DGB-Fahne geschenkt, für seine geplante große Reise. Er solle sie unterwegs hissen, und sei es am Nordkap. Er habe, entgegnete Scholz, bereits zwei Fahnen eingepackt.