Von Andreas Kaier

Hans-Peter Burghof ist einer der gefragtesten Finanzmarktexperten in Deutschland. Am Montag sprach der Hohenheimer Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen im Quadrium in Wernau über die derzeit drängendsten Krisen dieser Zeit. Der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Zentralbank (EZB) warf Burghof in seinem Vortrag vor, sowohl bei der Bankenkrise, als auch bei der Staatsschulden- und Flüchtlingskrise zu versagen.

Vor fast 450 Kunden der Volksbank Plochingen, die zu der Veranstaltung in die Stadthalle nach Wernau eingeladen hatte, referierte Burghof über die Ursachen und Auswirkungen der drei Krisen. Unumwunden räumte der Experte ein, dass auch er von der Bankenkrise überrascht worden sei. „Für die Politik war das ein massiver Schock“, sagte er. Im Jahr 2008 sei man „relativ dicht am Abgrund“ gestanden. Deutschland und der Europäischen Union warf Burghof vor, mit einer Regulierungswelle auf die krisenhafte Entwicklung reagiert zu haben mit dem Ziel, das Bankensystem zukünftig sicherer zu machen.

Er verwies auf die hohen Regulierungskosten, die vor allem kleinere Banken jetzt dazu verleiten, sich zu immer größeren Einheiten zusammenzuschließen. Heute sei eine idealtypische Bank groß und kapitalmarktorientiert. Doch das passe weder zum deutschen Bankensystem noch zum Mittelstand. Zentralisierung und Normierung bezeichnete Burghof als „keine gute Lösung“. In fünf bis zehn Jahren sei das Bankensystem dadurch viel krisenanfälliger. Stabilität sei durch Diversität gekennzeichnet. „Nur die Vielfalt schafft mehr Kreativität, um die Probleme zu lösen“, sagte Burghof.

Im Hinblick auf die schwelende Staatsschuldenkrise warf er der EZB vor, eine Politik der Staatsfinanzierung zu betreiben. Hauptaufgabe der EZB sei jedoch, die Stabilität der europäischen Währung zu gewährleisten. Mit ihrer aktuellen Geldpolitik sprenge die EZB ihr Mandat. Alles sei eine Pervertierung dessen, was man ursprünglich mit der gemeinsamen Währung vor hatte. „Niemand braucht den Euro zu ruinieren, bloß weil einige Staaten ihre Schulden nicht bezahlen können“, kritisierte Burghof. Europa und die Mitgliedssatten hätten auf die Staatschuldenkrise mit einem europäischen Zentralstaat reagiert. „Innere Stärke gewinnen wir aber aus der Vielfalt und nicht dadurch, dass wir alles über einen Kamm scheren“, so Burghof weiter. „Wir brauchen ein Europa der Vielfalt“, sagte er.

Auch bei der Flüchtlingskrise warf Burghof der Europäischen Union „evidentes Versagen“ vor. Auch das zeige, dass man in Europa nichts gegen den Willen von Mitgliedsstaaten durchsetzen könne. „Wir haben es mit Nationalstaaten zu tun“, sagte er und kritisierte die fehlende Solidarität unter den europäischen Mitgliedsländern. Inzwischen verbessere sich die Situation, weil man dabei sei, das Organisationsversagen aufzuarbeiten. Es sei ein Unmut entstanden, der nicht hätte entstehen müssen. „Wir haben Fehler gemacht“, räumte Burghof ein.

Eine starre Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen lehnte er ab. „Jeder Mensch ist gleichwertig und wir sind zur Hilfe verpflichtet“, betonte er und forderte eine „vernünftige Einwanderungspolitik“. Die deutsche Flüchtlingspolitik bezeichnete Burghof dennoch als „keine schlechte Geschichte“. Was gemacht worden ist, sei Werbung für Deutschland und Europa. Um die Flüchtlinge zu integrieren müsse man sie qualifizieren. Die Flüchtlingskrise werde umso teurer, je schlechter die Integration funktioniere.