Die Lutherkirche wird sich wieder für drei Wochen zum Treffpunkt verwandeln. Foto: nz Quelle: Unbekannt

Seit zehn Jahren bringt die Vesperkirche in der Nürtinger Lutherkirche Menschen an einen Tisch. Was 2008 als ein Experiment begann, wurde zu einer festen Institution. „Zusammenhalt - dafür steht die Vesperkirche“, sagt Dekan Michael Waldmann. Jeder sei eingeladen „Sie soll auch ein Stachel in der Gesellschaft sein“, erklärt er.

Von Philip Sandrock

Entstanden ist die Vesperkirche aus dem Projekt „Sichtwechsel“, das 2007 zum Ziel hatte, Menschen in anderen Lebenssituationen kennenzulernen. Die erste Leiterin, Monika Moll, trieb das Projekt voran und es etablierte sich bald als wiederkehrende Veranstaltung. Die Vesperkirche richtet sich mit ihrem symbolischen Essenspreis von einem Euro nicht nur an Bedürftige, sondern an alle Menschen, die miteinander ins Gespräch kommen wollen. Gäste dürfen gerne mehr bezahlen - „die Menschen können geben, was sie zu geben bereit sind“, sagt Waldmann. Und die Teilnehmer spenden nicht nur Geld, sie setzen auch ehrenamtlich ihre Arbeitskraft ein. Das funktioniere besser als gedacht. Waldmann betont: „Dass es gelingt, aus Betroffenen Beteiligte zu machen, gelingt nicht jedem Sozialprojekt“.

Doch zeigen die vergangenen Jahre auch eine Entwicklung, die nachdenklich stimmt: Die Zahl der Bedürftigen steige, die der „Solidaritätsesser“, also derjenigen, die mehr zahlen können und wollen als den Mindestbetrag, gehe zurück. Dabei sei genau diese Begegnung das, was die Vesperkirche ausmache. Trotzdem: Unterm Strich sei die Veranstaltung ein Erfolg. Die Zahlen sprechen für sich: Mehr als 65 000 Gäste wurden seit der ersten Vesperkirche im März 2008 bewirtet. Die Kosten von etwa 50 000 Euro würden jedes Jahr gedeckt - ein Drittel aus den Essenseinnahmen, der Rest aus Spenden und Zuwendungen. Der Vorsitzende des Kreisdiakonieverbands, Eberhard Haußmann, bezeichnete die Armut als „scheues Reh“. Alleinerziehende, Rentner und Langzeitarbeitslose seien von Armut betroffen. „Wir brauchen eine Umverteilung. Dass die, die zu viel haben, mehr geben müssen.“ Dies sei auch ein Prinzip der Vesperkirche.

An jedem Tag der dreiwöchigen Veranstaltung seien 45 ehrenamtliche Helfer im Einsatz, berichtet Vesperkirchenleiterin Bärbel Greiner-Unrath. 160 Plätze stehen den Gästen zur Verfügung. Pro Tag werden etwa 300 Essen ausgegeben. Es seien wieder zahlreiche Schulklassen und Konfirmandengruppen im Einsatz. Trotzdem fehlten noch Mitarbeiter für fast alle Tage.“ Im Moment deute sich ein Generationswechsel an. Denn viele Mitstreiter reduzierten aus Alters- oder Gesundheitsgründen. Das DRK bietet wieder Fahrdienste an.

Unterstützt wird die Vesperkirche von der Samariterstiftung und dem Tagestreff der Evangelischen Gesellschaft. Außerdem beteiligt sich die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Die Vesperkirche wird wieder von einem Kulturprogramm umrahmt. Am Sonntag, 5. Februar, um 10 Uhr findet ein Gottesdienst mit Festakt zum Vesperkirchengeburtstag im Lutherhof statt. Die Predigt hält Oberkirchenrat Dieter Kaufmann. Außerdem hat die evangelische Gesamtkirchengemeinde eine Festschrift herausgegeben.

Die Vesperkirche öffnet vom 29. Januar bis 19. Februar täglich von 11.30 bis 14.30 Uhr. Essensausgabe ist von 12 bis 14 Uhr. Weitere Infos zur Vesperkirche bei Bärbel Greiler-Unrath, E-Mail: vesperkirche@evkint.de oder Tel. 01 52/29 50 95 29.

www.vesperkirchen-landkreis-esslingen.de