Dirigent Wolfgang Layer, Vorsitzender Wolfgang Digel, Pressewart Heinrich Mauer und das älteste Vereinsmitglied Robert Zoller (von links). Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Harald Flößer

„Vergesst das deutsche Lied nicht.“ Es klingt wie ein Vermächtnis, was die Dirigenten-Legende Gotthilf Fischer den Organisatoren des Deutschen Chorfestes, das bis zum morgigen Sonntag in Stuttgart stattfindet, mit seinen 88 Jahren ins Stammbuch geschrieben hat. Beim Liederkranz Hohengehren braucht der gebürtige Plochinger damit nicht hausieren zu gehen, dort pflegt man das deutsche Liedgut seit 175 Jahren. Dieses Jubiläum wollen die Sängerinnen und Sänger vom Schurwald mit zwei Konzerten und einem Festakt am 28. August feiern.

Wann der Liederkranz genau gegründet würde, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass es den Männerchor schon 1841 gegeben hat. In einem Gemeinderatsprotokoll vom 30. Oktober selbigen Jahres ist der Liederkranz erstmals urkundlich erwähnt. Beschrieben wird darin der Auftritt eines „Singvereins“ auf dem Dorfplatz, wo „Seiner Majestät“ König Wilhelm zu Ehren - er war damals 25 Jahre im Amt - ein Lindenbaum gepflanzt wurde. Als Gründer des Vereins werden der Schulmeister Michael Hofer und dessen ebenso sangeslustiger Bruder vermutet. Mit 175 Jahren zählt der Liederkranz Hohengehren heute zu den ältesten Chorgemeinschaften in der Region. Die Standarte des Vereins ist mit dem Datum „24. Juni 1842“ bestickt. Damit wird an ein großes Fest mit Tausenden Besuchern am Goldboden erinnert. Aus Anlass eben jenes Thronjubiläums von König Wilhelm ließ das Forstpersonal vom Revier Engelberg, zu dem auch Hohengehren gehörte, einen Obelisken erstellen. Um diesen Gedenkstein herum wurde am Johannistag 1842 gefeiert. In den Annalen des Liederkranzes spielt diese Stätte, die auch mit dem „Goldbodenlied“ verewigt wurde, eine wichtige Rolle. Dort ließen sich beispielsweise zum 110-jährigen Bestehen Festdamen, Fahnenträger und Fahnenjunker vom Fotografen ablichten. Das letzte große Fest wurde 1991 zum 150-Jährigen gefeiert. Ausführlich sind in einer Jubiläumsschrift die Geschichte des Vereins und seine Bedeutung für das Dorfleben beschrieben. Der Verein habe mit seinen Liedern festliche Ereignisse verschönt, aber auch in Stunden des Leids Trost gespendet und sei damit ein wichtiges Kulturgut, schreibt der damalige Bürgermeister Roland Keim in seinem Grußwort.

50 aktive Sänger und 150 fördernde Mitglieder zählte der Liederkranz damals. Walter Stürzl, damals Vorsitzender des Traditionsvereins bemerkte, dass es schon Anfang der 90er-Jahre schwieriger geworden sei, „Begeisterung und Engagement für unsere Laienchorbewegung zu wecken“. Gemischte und Jugendchöre täten sich noch leichter, aber vor allem Männerchöre bemühten sich vergeblich um Nachwuchskräfte.

„Gesungen wird mehr denn je“

Die Zeiten sind nicht besser geworden. Ganz im Gegenteil. Der Männerchor zählt heute gerade mal 22 aktive Sänger. Verstärkt wird er von der Gesangsabteilung des TSV Baltmannsweiler und den früheren Stimmen des Männerchors Aichschieß, der vor ein paar Jahren aufgelöst wurde. Dem Liederkranz geht es damit wie vielen anderen Chören im Land. Dirigent Wolfgang Layer und Vorsitzender Wolfgang Digel wehren sich aber dagegen, von Krise oder gar Untergangsstimmung zu reden. „Heute wird mehr denn je gesungen“, sagt Layer. „Alles andere zu behaupten, ist dummes Geschwätz.“

Beim Liederkranz hat man schon im Jahr 2000 die Zeichen der Zeit erkannt und „Joy of Music“ gegründet. Der Junge Chor widmet sich vor allem der neuzeitlichen Chormusik vom Schlager über Pop bis zum Jazz und hat sich mit flotten Auftritten zu einer festen Größe im kulturellen Leben der Gemeinde entwickelt. Gerade mal eineinhalb Jahre alt ist das neueste Projekt des Liederkranzes, ein Vokalensemble mit jeweils acht Frauen- und Männerstimmen. Gleich das erste Konzert im März war ein durchschlagender Erfolg: populäre Volksmusik, neu und witzig arrangiert. „Nicht nur die Mitwirkenden, auch die Zuhörer hatten viel Spaß“, erinnert sich Chorleiter Layer. Das Ensemble wage sich auch an schwierigere Chorliteratur heran. Geprobt wird alle vier Wochen im Bürgerhaus. Danach bekommt jeder ein paar Hausaufgaben mit. Nur so könne man qualitätvolle Auftritte vorbereiten. Vorsitzender Digel liebt diese Herausforderung. „Wenn alles klappt, ist man danach unheimlich zufrieden.“ Musik, Geselligkeit, Teamgeist - sie machen für Digel den Reiz des Chorgesangs aus. „Und er macht den Kopf frei.“

Singen fordere den ganzen Körper, erklärt Dirigent Layer. Die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit seien unbestritten. Eine gute Stimme sei auch im Berufsleben wichtig. Die Geselligkeit beim Chorgesang hat Robert Zoller immer geschätzt. Mit fast 94 Jahren ist er das älteste Mitglied des Liederkranzes. 55 Jahre lang hat er im Männerchor mitgesungen. Zoller kann sich noch gut an die ersten Singstunden nach dem 2. Weltkrieg erinnern. „Die Proben waren in der Volksschule.“ Fernsehen gab es damals noch nicht. Und mancher sei froh gewesen, „wenn er abends mal aus dem Haus kam.“

Ob es den Liederkranz auch in 25 Jahren noch gibt? Vorsitzender Digel ist optimistisch: „Ich hoffe, dass wir die Kurve kriegen.“ Natürlich fällt ihm dazu auch ein populärer Liedtitel ein: Udo Lindenbergs „Hinter dem Horizont geht’s weiter.“

Das festprogramm zum 175-jährigen bestehen

Sein Festjahr zum 175-jährigen Bestehen hat der Liederkranz Hohengehren bereits im März begonnen mit dem Programm „Frühjahrsputz - Volkslieder abgestaubt und aufgefrischt“, das das Vokalensemble zusammen mit Solisten im Bürgerhaus Hohengehren aufgeführt hatte.

Weiter geht es mit „Der Traum vom perfekten Chor“ am 11. Juni um 19.30 Uhr im Kulturzentrum Baltmannsweiler. Mitwirkende sind der Männerchor und der Junge Chor „Joy of Music“ des Liederkranzes Hohengehren 1841 unter der Leitung von Wolfgang Layer, der Frauenchor und der Gemischte Chor der Concordia 1855 Wäldenbronn unter der Leitung von Sabine Layer, die Schauspielerin Susanne Weckerle sowie die Tänzerinnen Florine Brand und Julia Zavt. Die gleiche Aufführung gibt es am 16. Juli um 18 Uhr im Gemeindehaus am Blarerplatz in Esslingen.

Eintritt: 10 Euro im Vorverkauf und 12 Euro an der Abendkasse. Karten gibt es unter anderem im Autohaus Fischer in Baltmannsweiler, in der Bären-Apotheke in Esslingen-Hohenkreuz und bei Jürgen Koch, Tel. 07153/41037, E-Mail yogikoch@t-online.de