Bisher eine reine Schönwetterfahrerin: Beate Rady. Quelle: Unbekannt

Von Harald Flößer (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Astrid Happel fährt seit etwa vier Jahren täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit. Sie ist freigestellte Personalrätin in der Esslinger Stadtverwaltung. Vom Scharnhauser Park, wo sie mit ihrer Familie wohnt, bis zu ihrer Arbeitsstelle muss sie um die fünfeinhalb Kilometer zurückzulegen. Insgesamt kommt sie mit ihrem Pedelec auf rund 2000 Kilometer im Jahr. Im Winter musste sie wegen eines gebrochenen Daumens eine Fahrradpause einlegen. In der Zeit ist sie wieder auf den Bus umgestiegen. „Die langen Wartezeiten an den Bushaltestellen haben mich immer gestört“, sagt die 52-Jährige. „Jetzt bin ich viel flexibler.‘‘ Außerdem tut ihr die Bewegung als Ausgleich zu ihrem Bürojob gut. Auf den Straßen fühlt sich Astrid Happel oft als Verkehrsteilnehmerin 2. Klasse. Oft werde sie angehupt oder beschimpft. „Außerdem fahren viele Autofahrer oft haarscharf an meinem Lenker vorbei.“ Manchmal spreche sie sie darauf an und fordere mehr Rücksicht. „Eigentlich müssten die Autofahrer dankbar sein für jeden Radfahrer, denn sie tragen dazu bei, dass die Straßen nicht so voll sind und die Umwelt nicht so belastet wird.“ Die Infrastruktur für Radfahrer müsse noch deutlich verbessert werden, sagt sie. Schutzstreifen bieten ihrer Ansicht nach mehr Sicherheit.

Thomas Rumpf setzt sich als Kreisvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) seit Jahren dafür ein, dass die Infrastruktur für den Radverkehr verbessert wird. In einigen Kommunen habe sich schon viel getan, räumt der 58-jährige Ingenieur ein. Doch sei es noch ein weiter Weg, bis Radfahrer auf den hiesigen Straßen als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer gelten. Noch immer gebe es viel zu große Hindernisse. Rumpf ärgert sich beispielsweise darüber, dass viele Wege so stark verschmutzt sind, dass sie für Radler zur Gefahr werden. Oft sei man deshalb auf normalen Straßen sicherer unterwegs. Im Schnitt zweimal pro Woche fährt er mit seinem Pedelec von der Parksiedlung zu seinem Arbeitsplatz im Esslinger Industriegebiet. Das ist keine große Anstrengung, denn es geht viel bergab. „Vor allem die schöne Strecke am Neckar entlang, ohne Ampeln und ohne Kreuzungen, genieße ich früh um sieben Uhr“, sagt der ADFC-Kreischef. Der Rückweg am Abend ist um einiges anstrengender. Rumpf ist froh darüber, dass dieses Jahr endlich mit dem Bau des Radweges entlang der Breslauer Straße begonnen wird. Das sei für Radler eine wichtige Verbindung zwischen Esslingen und Ostfildern. „Darauf warten wir seit 15 Jahren.“

Neun Kilometer sind es für Eckhard Hochdorfer von Nellingen bis zur Uni Hohenheim, wo er im IT-Support arbeitet. Seit rund 20 Jahren bewältigt er diese Strecke so gut wie jeden Tag mit dem Fahrrad. Hinderungsgründe sind für ihn nur Krankheit, Gewitter, Blitzeis oder der Transport von sperrigen oder schweren Gegenständen. Für ihn ist das ganze Jahr Fahrradsaison. „Ich kenne es gar nicht anders“, sagt der 54-Jährige. Inklusive der Fahrten in der Freizeit legt er im Jahr um die 4000 Kilometer mit dem Fahrrad zurück. Das Radfahren hat für Hochdorfer viele Vorteile. „Es hält den Kreislauf in Schwung. So komme ich immer wach bei der Arbeit an.“ Elektrounterstützung mag er nicht, er setzt lieber auf volle Muskelkraft. An der Uni hat Hochdorfer die Möglichkeit, sich umzuziehen oder zu duschen. Er weiß, dass das nicht an jeder Arbeitsstelle möglich ist. Wenn er den Radweg durchs Körschtal benutzt, ärgert er sich oft über den nicht nicht immer guten Zustand des Radwegs. ,,Innerorts sind die Radwege meist gut“, sagt er. „Aber außerorts fühlt sich wohl keiner verantwortlich.‘‘ Manchmal erlebe er beim Fahren gefährliche Situationen. Positiv findet Hochdorfer, dass insgesamt mehr Radfahrer unterwegs sind als noch vor ein paar Jahren.

Ich bin eine Schönwetterfahrerin“, sagt Beate Rady. „So eisern bin ich nicht.“ Durch die ADFC-Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ hat sich die 58-Jährige anspornen lassen, öfter mal auf das Auto zu verzichten. Beate Rady arbeitet als Lehrerin in der Rohräckerschule auf dem Zollberg. Dreieinhalb Kilometer sind es mit dem Rad von ihrer Wohnung in der Parksiedlung bis zur Schule. „Da bin ich ruckzuck dort“, sagt sie. Sie brauche weniger Zeit als mit dem Auto, vor allem morgens, wenn starker Verkehr herrscht. Ein weiterer Vorteil: Sie müsse nicht lange nach einem Parkplatz suchen. Wegen der Baustelle an der Schule sei das im Augenblick ein großes Problem. Brenzlige Situationen gebe es immer wieder, wenn man auf viel befahrenen Strecken mit dem Fahrrad unterwegs sei, berichtet die 58-Jährige. Vor allem im Scharnhauser Park sei es wegen rücksichtsloser Autofahrer manchmal sogar „lebensgefährlich“. Deutschland ist in Sachen Radverkehr ihrer Ansicht nach noch ein Entwicklungsland. Beispielsweise in Holland sei man da schon viel weiter. „Da gibt es überall neben der Fahrbahn einen Streifen für die Radler. Selbst in Kreisverkehren hat man eine eigene Spur.“ Deswegen fühle sie sich dort viel sicherer als hierzulande.

Klaus Alender, der neue katholische Pfarrer von Ostfildern, erledigt so gut wie alles mit dem Fahrrad. Die Stadt sei dafür ein gutes Terrain, sagt der 53 Jahre alte Theologe. Und wenn er wie in Scharnhausen eine Steigung zu bewältigen habe, helfe ihm die Elektrounterstützung an seinem Pedelec. „Das ist wie ein Mopedle“, sagt Alender. Für ihn ganz praktisch, weil er dann nicht verschwitzt bei den Leuten ankommt. Nur wenn es mal richtig regnet, setzt sich der Pfarrer ans Steuer seines Autos, das ebenfalls mit Strom betrieben wird. Alender macht das aus ökologischen Gründen. „Als Christ muss man die Umwelt bewahren und Radfahren ist ein Beitrag dazu.“ Bei ihm sei das schon in Fleisch und Blut übergegangen. Zudem tue frische Luft und Bewegung zwischen Terminen immer gut. Alender hat mehrere Fahrräder in der Garage. Sein Klapprad schätzt er besonders, weil er es schnell mal im Kofferraum seines Autos verstauen kann. „Da finde ich total praktisch.“ Natürlich wünscht sich auch der Theologe zuweilen ein besseres Miteinander und mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Aber im Grunde könne er nicht groß klagen, sagt er. „Am besten, man nimmt Blickkontakt mit den Autofahrern auf. So kann man so manche Gefahr vermeiden.“

Ich bin schon als Fünfjährige mit dem Fahrrad zum Einkaufen gefahren“, erzählt Ingrid Bondorf. Und noch heute ist es für sie das wichtigste Fortbewegungsmittel. Fast jeden Tag pedaliert die 55-Jährige von der Parksiedlung zu ihrer Arbeitsstelle, der Begegnungs- und Bildungsstätte „Wie“ in Sielmingen, und abends wieder zurück. Das sind zusammen 18 Kilometer. Nur im Winter, wenn es gar zu kalt sei, nutze sie hin und wieder das Auto, verrät sie. Die Vorteile liegen für Ingrid Bondorf auf der Hand: „Für die einfache Strecke brauche ich 25 Minuten. Mit dem Auto bin ich bis zu einer Dreiviertelstunde unterwegs.“ Außerdem komme sie mit dem Rad viel entspannter an. Aufs Rad setzt sich die 55-Jährige auch aus gesundheitlichen Gründen. „Ich habe Probleme mit den Beinen und da tut jede Art von Bewegung gut. Und wenn ich abends zuhause bin, weiß ich: Ich habe mich schon fast eine Stunde bewegt.“ Auch in ihrer Freizeit ist Bondorf viel mit dem Fahrrad unterwegs. Selbst wenn es mal ein bisschen regnet. Seit sie von ihrem Mann eine spezielle Haube für ihr Bike bekommen hat, macht ihr Regen überhaupt nichts mehr aus. „Das kleine Dach über dem Kopf schützt mich verblüffend gut. Nur wenn ein starker Wind kommt, hebe ich fast ab.“