Flüchtlingsunterkünfte, sozialer Wohnungsbau, Sportentwicklungsplanung, Innenstadtentwicklung in Bernhausen: OB Christoph Traub hat gleich zu Beginn seiner Amtszeit viele schwere Aufgaben zu lösen. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Beim Bau von Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge hinkt Filderstadt gegenüber anderen Kommunen im Landkreis noch weit hinterher. Trotzdem werde man an der Zielmarke von 1200 Plätzen festhalten, sagt Filderstadts neuer OB Christoph Traub. Als zentrale Aufgabe sieht der 45-Jährige die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, nicht nur für Flüchtlinge, sondern generell für Menschen mit niedrigem Einkommen. Allerdings brauche man dafür dringend die Hilfe von Bund und Land.

Seit acht Monaten sind Sie im Amt. Wie fühlt es sich an? Sind Sie nach ihrer Tätigkeit als Anwalt in der neuen Aufgabe angekommen?

Traub: Es fühlt sich vom ersten Tag gut an. Ich fühle mich am richtigen Platz. Genau dort, wo ich hin wollte.

OB hier, OB da - gerade in der Anfangszeit müssen Sie sich überall blicken lassen. Auch das erste Bierfass haben Sie schon angezapft, eine Tätigkeit, für die Ihre Vorgängerin ja nicht so zu haben war. Werden Sie diese hohe Präsenz durchhalten können?

Traub: Die ersten Monate waren natürlich geprägt von Antrittsbesuchen. Das nimmt nun ab. Zu meiner Berufsauffassung von einem Oberbürgermeister gehört grundsätzlich ein hohes Maß an Präsenz. Begegnung, Bürgernähe und Präsenz sind für mich wesentliche Bestandteile meines Berufes.

Jeder Bürger soll innerhalb von ein paar Tagen eine Antwort auf seine Anfragen erhalten - so lautete ein Wahlversprechen von Ihnen. Ist das im Alltag tatsächlich möglich?

Traub: Wir praktizieren das tatsächlich so: Es gibt für jede Bürgeranfrage innerhalb von zwei Tagen eine Eingangsbestätigung. Eine konkrete inhaltliche Antwort ist in den meisten Fällen so schnell nicht möglich, gerade bei der schwierigen Thematik der Flüchtlingsaufnahme. Aber jede Anfrage erhält eine Perspektive, bis wann er oder sei mit einer Antwort rechnen kann. Bei diesen großen Themen, die viele bewegen, nutzen wir aber auch andere Wege wie Bürgerinformationen oder verschiedene Medien, um für eine breite Beantwortung zu sorgen.

Sie sind auch auf Facebook sehr aktiv. Welche Rolle spielen für Sie als OB die sozialen Netzwerke?

Traub: Facebook spielt mittlerweile eine wichtige Rolle. Anfangs war ich sehr skeptisch. Auf diese Plattform bin ich erst im Wahlkampf aufgesprungen. Ich habe gemerkt, dass man damit auch Zielgruppen, die sich altersmäßig gar nicht genau definieren lassen, erreichen kann. Menschen, die einfach Netzwerk-affin sind. Viele informieren sich über diese Plattform. Die Bedeutung der sozialen Netzwerke ist hoch. Und sie wird sicher noch zunehmen.

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen hat Filderstadt gegenüber anderen Kommunen noch einen großen Nachholbedarf. Wie steht es um die aktuellen Pläne des Landkreises, die Uhlberghalle mit bis zu 100 Asylbewerbern zu belegen?

Traub: Da gibt es keine konkreten Pläne. Was die Aufnahmekapazitäten angeht, sind wir mit dem Landratsamt im Gespräch. Einige Flächen im Außenbereich haben wir dem Landkreis als mögliche Standorte benannt. Diese werden im Moment untersucht. In Harthausen befindet sich eine Unterkunft gerade im Bau. Es gibt Verhandlungen und wir wissen, dass wir im Augenblick nur eine Erfüllungsquote von 60 bis 70 Prozent hinbekommen. Es gibt aber für die Verwaltung und den Gemeinderat eine klare Zielgröße, die wir bis Ende dieses, Anfang nächsten Jahres erreichen wollen. Damit kommen wir hoffentlich nicht mehr in eine Notsituation wie im vergangenen Dezember. Da mussten wir innerhalb von wenigen Tagen zwei Hallen belegen.

Und was ist mit der Uhlberghalle?

Traub: Das ist im Moment nur eine Notfallplanung. Wenn wir tatsächlich noch einmal in so eine Situation wie Ende 2015 kommen sollten, wollen wir eine Planung in der Schublade haben. Aber ich hoffe, dass diese geschlossen bleibt.

Die vom Landratsamt errechnete Zielmarke sind 1200 Plätze. Werden Sie diese bis Anfang 2017 erreichen?

Traub: Natürlich werden wir uns damit schwer tun. Aber von diesem Ziel weichen wir nicht ab, selbst wenn jetzt der Druck von außen nachlässt. Nach unserer Wahrnehmung wird sich an der Zahl der Flüchtlinge in diesem Jahr nichts ändern. Um die Menschen, die schon in Deutschland und in Europa sind, werden wir uns kümmern müssen. Eine Entspannung bei den Aufnahmekapazitäten wird frühestens 2018 kommen. Deswegen halten wir auch an der Zahl von 1200 Flüchtlingen für Filderstadt fest.

Ein Folgeproblem ist die Anschlussunterbringung für anerkannte Flüchtlinge. Bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit kleinem Geldbeutel ist gerade in Filderstadt Mangelware. Durch die vielen Flüchtlinge wird sich das Problem noch verschärfen. Was unternimmt die Stadt dagegen?

Traub: Wenn man der Flüchtlingsdiskussion etwas Positives abgewinnen kann, dann ist es unter anderem die Tatsache, dass das Problem des bezahlbaren Wohnraums wieder stärker in den Fokus geraten ist. Das Thema nimmt wieder den Stellenwert ein, den es eigentlich haben sollte. Derzeit sind zwei Projekte im Gespräch, aber wir sind uns mit dem Gemeinderat einig: Wenn wir in neue Gebäude investieren, dann sind diese nicht nur für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen, sondern auch für den sozialen Wohnungsbau. Es wird aber noch ein längerer Diskussionsprozess, wie wir uns auf diesem Gebiet künftig aufstellen. Klar ist: Wir brauchen ein dauerhaftes Konzept.

Die Zahl der Grundschüler wird bis zum Jahr 2020/21 steigen. Das bedeutet einen hohen Investitionsbedarf, auch an den weiterführenden Schulen wie dem Spranger-Gymnasium, in dem es im Augenblick schon sehr eng zugeht. Wie sind da die Pläne der Stadt?

Traub: Das muss man sehr differenziert betrachten. Insbesondere im Stadtteil Sielmingen ist zu erkennen, dass die Grundschule bald zu klein sein wird. Dass wir bei den Kindern und Jugendlichen nicht den Rückgang haben werden, der anderen Kommunen bevorsteht, freut uns. Dass die Plätze in den Gymnasien sehr stark gefragt sind, ist eine allgemeine Entwicklung. Mit dem Eduard-Spranger-Gymnasium haben wir in der Tat ein Gymnasium, das mit seinen unterschiedlichen Profilen sehr attraktiv und nachgefragt ist. Die Situation müssen wir mit den kommunalen Nachbarn und dem Regierungspräsidium im Auge behalten und entsprechend reagieren. Wir planen aber auch modellhaft, wie sich unsere Schul- und Bildungslandschaft durch die hohe Zahl von Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung verändern wird. Keiner weiß, wie groß der Familiennachzug sein wird. Wir versuchen uns auch da auf Eventualitäten vorzubereiten, so dass wir, wenn es sein muss, kurzfristig reagieren können.

Im September wird in Filderstadt die erste Gemeinschaftsschule starten. Wie groß ist das Interesse bei den Eltern?

Traub: Wir können, wie wir uns das vorgenommen haben, stabil mit zwei Zügen starten. Ich gehe davon aus, dass die neue Schulart, wenn sie sich bei uns etabliert hat, auch in Zukunft attraktiv und nachgefragt sein wird.

Wir steht die Stadt im Augenblick finanziell da?

Traub: Wir haben einen genehmigten Haushalt für die Jahre 2016 und 2017. Ein zentraler Inhalt des Doppelhaushalts ist eine Kreditermächtigung über 15 Millionen Euro. Die sind unter anderem nötig für die Bewältigung der Flüchtlingsthematik und den sozialen Wohnungsbau. Aber man muss eines klar sagen: Wir Kommunen werden die Aufgaben bei der Aufnahme und der Integration der Geflüchteten nicht stemmen können, wenn uns Bund und Land nicht zur Seite stehen. Die Kreditermächtigung signalisiert: Wir nehmen als Kommune unsere Verantwortung wahr. Aber wir fordern zugleich, dass uns die übergeordneten Ebenen unterstützen. Anders wird es nicht gehen.

Thema Bürgerbeteiligung. Um den Stadtteil Bernhausen attraktiver zu gestalten, soll im Juni ein Bürgerdialog gestartet werden. Was erhoffen Sie sich von dem Prozess?

Traub: Zunächst eine weitere Vermittlung dessen, was wir mit der Innenstadtentwicklung in Bernhausen vorhaben. Wir werden den Rahmenplan, der Chancen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte aufzeigt, einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Wir erhoffen uns, dass wir bei der Bürgerbeteiligung Eigentümer mit auf den Weg nehmen können, um den Stadtteil Bernhausen zukunftsfähig zu gestalten.

Ebenfalls in Kürze startet die Sportentwicklungsplanung. Was sind da die Schwerpunkte?

Traub: Erste Schwerpunkte sind eine Ist- und eine Bedarfsanalyse. Welche Sportstätten haben wir? Welche Bedürfnisse gibt es bei den Bürgern? Dann geht es im Gemeinderat um die Fragen: Welche Sportstätten verändern und sanieren wir? Welche müssen neu dazu kommen? Natürlich werden wir die sporttreibenden Vereine in den Prozess einbinden. All das wollen wir bündeln und uns von einem Gutachter begleiten lassen.

Geht es da nur um den organisierten Sport?

Traub: Nein. Da geht es auch um ganz profane Einrichtungen wie die Bolzplätze. Das Thema kam bei der ersten OB-Sprechstunde für Kinder und Jugendliche auf. Wir errichten gerade zwei Flüchtlingsunterkünfte auf ehemaligen Bolzplätzen. Da müssen wir nachsteuern und für Ersatz sorgen. Es geht grundsätzlich auch um die Frage: Wie machen wir den öffentlichen Raum mit Bewegungsflächen attraktiver?

Die Initiative für mehr verbindliche Zusammenarbeit der Filder-Kommunen, für die auch Sie sich stark eingesetzt haben, ist wohl gescheitert. Was bedeutet das für die Zukunft des Filderraums?

Traub: Zunächst einmal würde ich nicht sagen, dass die Initiative gescheitert ist. Im Kommunalen Arbeitskreis Filder (KAF) hat man abgefragt, ob die Mitglieder bereit sind, für eine verstärkte Kooperation Kompetenzen abzutreten. Zwei Kommunen können sich das überhaupt nicht vorstellen. Wir werden jetzt noch einmal Gespräche aufnehmen. Wir Filderstädter werden da noch einmal vermitteln und deutlich machen, dass wir uns nur gemeinsam positionieren können. Wir werden wesentliche Herausforderungen für die Zukunft nur gemeinsam meistern können. Dass uns das ein wichtiges Anliegen ist, signalisieren wir auch damit, dass wir die Geschäftsstelle des KAF übernommen haben.

Musik machen und Sport ist Ihnen wichtig. Bleibt dafür überhaupt noch Zeit in Ihrem neuen Leben als OB?

Traub: Für Sport, ja. Den kriege ich auch im beruflichen Alltag unter. Im Rahmen des Bärenfestes veranstaltet die LG Filder einen Halbmarathon. Mein Referat wird mich da bei einem Firmenlauf begleiten. Das heißt, wir trainieren einmal in der Woche gemeinsam. Den Weg zu mir nach Hause lege ich hin und wieder auch joggend zurück. Mit der Musik tue ich mich schwer. In einem Ensemble oder Chor hat man immer feste Termine. Die kriege ich schwerlich organisiert Mit meiner eigenen Brass-Band funktioniert es noch, weil sie dann zu einer Probe zusammenkommt, wenn ich Zeit habe.

Es ist bekannt, dass Sie VfB-Fan sind. Mit welchen Gefühlen begleiten Sie Ihren Verein nun in die Zweitklassigkeit?

Traub: Natürlich habe ich mit einer gewissen Tragik verfolgt, dass der VfB absteigt. Für die Stadt Stuttgart und die gesamte Region ist das sicher tragisch. Aber man muss, von außen betrachtet, sagen: Vielleicht ist der Schritt in die 2. Liga jetzt mal wichtig, um im Verein von unten bis oben eine tatsächliche Erneuerung hinzubekommen.

Das Interview führte Harald Flößer.